Umweltexperten haben am Mittwoch vor dem Bundesverfassungsgericht eindringlich vor den Risiken genmanipulierter Pflanzen gewarnt. Industrievertreter und Forscher betonten hingegen die Bedeutung der Gentechnik für die Biotechnologie-Branche in Deutschland. Die Landesregierung von Sachsen-Anhalt hatte gegen das Gentechnikgesetz geklagt, weil es nach ihrer Auffassung den Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen unnötig erschwert. Die Bundesregierung verteidigte die Regelungen.
"Genetisch veränderte Organismen sind nicht mehr rückholbar", sagte die Präsidentin des Bundesamts für Naturschutz, Beate Jessel. Die Übertragung veränderten Erbgutes könne zu "nicht absehbaren Auswirkungen auf Ökosysteme führen". Der Vorsitzende des Zweiten Senats, Ferdinand Kirchhof, fragte nach: "Wie zuverlässig kann man Gefahren vermindern? Haben Sie das im Griff?" Worauf Jessel erwiderte: "Wir wissen einfach noch zu wenig. Aber wir haben Hinweise, dass Gefährdungen eintreten können."
Der juristische Streit dreht sich vor allem um eine Bestimmung, wonach Gentechnik-Landwirte für Verunreinigungen auf benachbarten Feldern - etwa durch herumfliegende Pollen - auch dann haften, wenn sie alle Sorgfaltspflichten eingehalten haben. Gentechnik-Befürworter sehen darin eine unangemessene Benachteiligung. Versicherer weigerten sich, das Haftungsrisiko zu übernehmen, sagte Christoph Herrlinger vom Bundesverband Deutscher Pflanzenzüchter - was Verfassungsrichter Johannes Masing zu der Nachfrage veranlasste, ob dies nicht gerade dafür spreche, dass der Anbau erhebliche Risiken mit sich bringe.
Der Prozessvertreter des Landes Sachsen-Anhalt, der Berliner Rechtsanwalt Marcel Kaufmann, sagte hingegen, bei zugelassenen genveränderten Pflanzen sei "nach wissenschaftlicher Erkenntnis jegliche Gefährdung ausgeschlossen". Die Haftung für Verunreinigungen ohne den Nachweis eines konkreten Verursachers stelle eine "unerträgliche Belastung" für Landwirte dar, die genveränderte Organismen anbauen, sagte Kaufmann. Der Rechtsanwalt gehört einer Wirtschaftskanzlei an, die in anderen Verfahren für den Saatguthersteller Monsanto aufgetreten ist - einen der größten Hersteller von genveränderten Pflanzen.
Für die Bundesregierung verteidigte der Trierer Rechtsprofessor Gerhard Robbers die bestehende Regelung. Der Bundesregierung sei bislang kein Verfahren bekannt, in dem Landwirte Schadensersatz nach dem Gentechnikgesetz geltend gemacht hätten. Die Haftungsbestimmungen sorgten für einen "angemessenen Ausgleich" zwischen allen beteiligten Interessen. "Es kann nicht sein, dass durch den Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen die wirtschaftliche Existenz des konventionell wirtschaftenden Nachbarn gefährdet wird, ohne dass es einen Ausgleich gibt."
Die Fragen der Richter des Ersten Senats machten deutlich, dass das Bundesverfassungsgericht durchaus noch Zweifel an der angeblichen Benachteiligung von Gen-Bauern hat. Das Argument Kaufmanns, wonach es sich beim Pollenflug um einen natürlichen Vorgang handele, wollte Verfassungsrichter Reinhard Gaier jedenfalls nicht gelten lassen: "Wo ist hier der natürliche Vorgang? Das Problem kommt mit den genetisch veränderten Organismen, und die sind definitionsgemäß nicht natürlich!"
Von "klaren ökonomischen Interessen" sprach die Richterin Christine Hohmann-Dennhardt: "Die einen wollen ihr Geld mit Gen-Mais verdienen und die anderen ohne." Letztere jedoch könnten ihre Tätigkeit nicht mehr ausüben, wenn ihre Felder durch Pollen verunreinigt sind.