Die Vita des ukrainischstämmigen Andrej F. (42) hat viele kriminelle Stationen. Autodiebstahl, Unterschlagung, Jugendstrafen in Berlin und Israel, Falschgelddeals. Der in Berlin gemeldete F. ist Inhaber eines Hotels in Charlottenburg und einer Reiseagentur. Sein Netz reicht weit über Berlin hinaus. Bei einer Bordellrazzia in Ingolstadt wurde 2001 eine Ukrainerin mit gefälschtem Reisepass aufgegriffen. Ihr Visum hatte sie über F.s Firmen erhalten.
F. ist auch Geschäftsführer der Handels- und Reisefirma Flimpex. Über Flimpex wurden allein in einem Jahr rund 1000 Ukrainer nach Deutschland eingeladen. Unter der Firmenanschrift am Kurfürstendamm wurde nie ein Büro gefunden. Dies sind Ergebnisse eines der dpa vorliegenden Prüfberichts der Bundesgrenzschutzdirektion Koblenz, der 2002 an das Bundesinnenministerium weiter geleitet wurde.
Ein Untersuchungsausschuss wird sich mit Schleuserfällen beschäftigen
Von Donnerstag an wird sich ein Untersuchungsausschuss mit Flimpex und anderen Schleuserfällen beschäftigen. Der Vorwurf der Union: Die Bundesregierung habe mit zu laxer Visa-Politik Prostitution und Schleusertum gefördert. Das Fernziel: Bis zur Bundestagswahl 2006 hofft die Union dem populärsten deutschen Politiker, Außenminister Joschka Fischer (Grüne), schaden zu können.
Trotz der kriminellen Machenschaften darf Flimpex mit Genehmigung des Auswärtigen Amts in Osteuropa deutsche Krankenversicherungen vermitteln, die für den Erhalt eines Visums benötigt werden. Flimpex erhielt Anfang April 2003 schriftlich die Zulassung für den Vertrieb von so genannten Reiseschutzpässen, die als Nachweis für die Krankenversicherung dienen. Das Auswärtige Amt hat nach Angaben einer Sprecherin keine rechtliche Handhabe, die von Flimpex vermittelte Police einer angesehenen deutschen Krankenversicherung für das Visumverfahren nicht anzuerkennen.
Ausdrücklich weist das Außenamt in einem der dpa vorliegenden Schreiben an Flimpex aber darauf hin, dass der Reiseschutzpass nicht mehr als Ersatz für die persönliche Bürgschaft des Einladenden in Deutschland gilt. Flimpex hatte sich diesen «Blankoscheck» für den Erhalt von Visa wohl erhofft, kam aber zu spät. Denn die Praxis, die Reiseschutzpässe auch als Ersatz für die Bürgschaften anzuerkennen, hatte das AA im März 2003 bereits weltweit abgeschafft.
Grund waren die Zustände an der Botschaft in der ukrainischen Hauptstadt Kiew. Dort hatte es nicht nur einen massenhaften Anstieg der Visa-Vergabe, sondern auch massenhaften Missbrauch mit den von mehreren dubiosen Privatfirmen vertriebenen Reiseschutzpässen gegeben. Allein in Kiew wurden im Jahr 2001 fast 300 000 Visa ausgestellt - sozusagen im Minutentakt.
"Dass hier jemand Schleusertum gefördert hat, ist Unsinn"
48 Beweisanträge haben CDU/CSU gesammelt. Im Laufe der Sitzungen sollen unter anderem Fischer und BND-Präsident August Hanning als Zeugen gehört werden. Das Auswärtige Amt hat sich gewappnet: Die Missstände seien behoben, Mitarbeiter in betroffenen Botschaften entlassen, die Reiseschutzpässe abgeschafft. Auch der umstrittene Erlass des früheren Grünen-Staatsministers Ludger Volmer von März 2000, der im Zweifel für die Reisefreiheit entschied, wurde ersetzt.
"Dass hier jemand Schleusertum gefördert hat, ist Unsinn", heißt es im Auswärtigen Amt. Es sehe ja geradezu so aus, als ob jedes Visum aus Kiew an Prostituierte und Kriminelle gegangen sei. Dennoch sieht man auch im Außenamt ein, dass man dem Visa-Treiben in Kiew trotz Warnungen der deutschen Behörden wohl zu lange tatenlos zugesehen hat.