Khaled al Masri hat vor einem US-Gericht den ehemaligen CIA-Chef George Tenet auf Schadenersatz verklagt. Al Masri wirft dem Geheimdienst vor, ihn verschleppt zu haben. Welche Chancen hat er?
"Das ist schwer vorherzusagen, denn einen derartigen Fall hat es eigentlich noch nicht gegeben. Deshalb ist im Prinzip alles möglich: dass das Gericht die vermeintliche Praxis der Geheimdienste unter die Lupe nehmen will, dass es auf die Sondersituation der Geheimdienste verweist oder auf den Kampf gegen den Terror. Dann könnte der Fall schnell zu einer politischen Frage werden. Und natürlich hängt sehr vieles von der Beweislage ab.
Könnte es ihm helfen, dass US-Außenministerin Condoleezza Rice mit dem jüngsten Folterverbots-Beschluss indirekt zugegeben hat, dass die USA in der Vergangenheit Gewalt gegen Gefangene angewendet haben?
Die Amerikaner bemühen sich ja gerade darum klarzustellen, dass die Äußerungen von Rice nicht als Schuldeingeständnis zu verstehen seien, zumal sie zweifellos interpretationsfähig sind. Deshalb wird es sehr spannend zu sehen, ob der US-Richter sagt: 'Diese Vorgänge bei der CIA müssen genauer untersucht werden', oder ob er die Entscheidung an die Politik delegiert.
Hätte al Masri eigentlich Klage-Alternativen?
Außerhalb der jeweiligen nationalen Gerichtsbarkeiten kaum. Die USA als Land kann man vor internationalen Gerichten praktisch nicht verklagen, Deutschland dagegen schon - etwa vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Alle EU-Länder erkennen dessen Gerichtsbarkeit an. Dann kommt es allerdings allein auf die Frage an: "Was wusste die Bundesregierung?"
Die Bundesregierung sagt, sie habe erst im Nachhinein von der Verschleppung al Masris erfahren.
Das gilt es nun herauszufinden.
Alexander Lorz
Ralph Alexander Lorz ist Professor am Lehrstuhl für deutsches und ausländisches öffentliches Recht, Völkerrecht und Europarecht an der Uni Düsseldorf.
Was wären denn mögliche Konsequenzen, sollte sich herausstellen, dass Mitglieder der Regierung "rechtzeitig" Kenntnis von dem Fall al Masris gehabt hätten?
Sollte bekannt werden, dass die Bundesregierung von der Verschleppung gewusst und sie nicht verhindert oder gar eingewilligt hätte, dann würden die entsprechenden Mitglieder große Probleme bekommen. Neben einer möglichen Missachtung des internationalen Menschenrechtsschutzes läge dann nämlich vor allem ein eklatanter Verstoß gegen das Grundgesetz vor.

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Mit welchen Folgen?
Die Folgen würden von einer Entschädigungsverpflichtung der Bundesrepublik gegenüber al Masri bis zu einer möglichen strafrechtlichen Verantwortlichkeit der beteiligten Personen reichen, von dem vermutlich sofort einsetzenden politischen Erdbeben ganz zu schweigen.
Und wenn es stimmt, dass sie erst im Nachhinein von der Verschleppung erfahren hat?
Dann stellt sich zum einen die Frage nach der Amtsführung der betroffenen Ministerien und zum anderen die nach der Zusammenarbeit zweier eigentlich eng befreundeter Staaten. Wenn al Masri tatsächlich ohne Kenntnis der deutschen Behörden in amtlichem amerikanischem Auftrag von Deutschland aus verschleppt worden wäre, wäre das ein klarer Rechtsverstoß der USA. Solche Eingriffe in die Hoheitsgewalt fremder Staaten widersprechen dem Völkerrecht in fundamentaler Weise.
Was für Konsequenzen folgen daraus?
Solche Vorfälle kann keine Regierung eines souveränen Staates dulden.Sie würden sicherlich zu einer Belastung der bilateralen Beziehung führen.