Nach dem Scheitern des Zuwanderungsgesetzes vor dem Verfassungsgericht fordern Unionspolitiker eine Nachbesserung des rot-grünen Prestigeprojekts. Zentrale Punkte wie Arbeitsmigration, humanitäre Zuwanderung und Integration müssten überarbeitet werden, sagte der saarländischen Ministerpräsident Peter Müller (CDU) bei n-tv. Niedersachsens CDU-Chef Christian Wulff will klarere Kostenregelungen für die Länder und Kommunen. Die FDP bot an, im Streit zwischen Rot-Grün und der Union zu vermitteln. Nach Ansicht des rechtspolitischen Sprechers der FDP-Fraktion, Max Stadler könnten die Freidemokraten ähnlich wie beim Staatsbürgerschaftsrecht bei der Kompromisssuche behilflich sein. In der Chemnitzer "Freien Presse" sprach sich Stadler ferner dafür aus, dass bei einer Neuauflage des Gesetzes der tatsächliche Bedarf am Arbeitsmarkt mehr berücksichtigt werden müsste.
Thierse warnt vor unsachlicher Debatte
Wulff und Unions-Fraktionsvize Wolfgang Bosbach kündigten in mehreren Interviews an, das Zuwanderungsgesetz werde auch Thema in den Wahlkämpfen in Niedersachsen und Hessen sein. Bundestagspräsident Wolfgang Thierse warnte vor einer emotionsgeladenen Debatte. "Ich wünsche mir, dass man so sachlich und vernünftig wie irgend möglich mir diesem Thema umgeht und Politiker nicht allzu vergröbern und emotionalisieren", sagte er der "Berliner Zeitung". Der Ausländerbeirat rief Bundesregierung und Opposition auf, die Karlsruher Entscheidung als Chance zu begreifen. Jetzt gelte es Schwachstellen des Gesetzes nachzubessern. Dazu gehörten eine erleichterte Familienzusammenführung mehr Integrationsangebote sowie die Senkung der sprachlichen Hürden zur Erlangung der deutschen Staatsangehörigkeit und ein Abschiebestopp für in Deutschland aufgewachsene Migrantenkinder. Das Zuwanderungsgesetz wird auch im hessischen Landtagswahlkampf eine Rolle spielen. Ministerpräsident Roland Koch (CDU) erklärte in einer Fernsehsendung des Hessischen Rundfunks, die Hessen sollten mit entscheiden, "ob Rot-Grün im Bundesrat durchmarschieren kann". Bei den 20 Punkten, die im Zuwanderungsgesetz strittig geblieben seien, gehe es vor allen Dingen um Ermessensklauseln, die durch klare Regelungen ersetzt werden müssten. Das Zuwanderungs-Höchstalter von Kindern müsse von 16 auf zwölf Jahre gesenkt werden.
Gewerkschaften beklagen destruktive Politik der Union
Die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di forderte Rot-Grün auf, einen neuen Gesetzentwurf mit unveränderten Eckpunkten vorzulegen. Die Union müsse endlich mit ihrer destruktiven Politik Schluss machen, sagte ver.di-Vorstandsmitglied Gerd Nies. Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) wies indes die Unionskritik am Gesetzgebungsverfahren zurück. Das Verhalten der Bundesregierung sei weder Verfahrensgegenstand noch sei es vom Verfassungsgericht gerügt oder zurückgewiesen worden, sagte Zypries der "Leipziger Volkszeitung".
Neue Geschäftsordnung für den Bundesrat?
Berlins Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) forderte Änderungen und Klarstellungen in der Geschäftsordnung des Bundesrates. Es gehe nicht an, den Präsidenten des Bundesrates quasi zum Erfüllungsgehilfen und "Protokollführer" einer Abstimmung zu machen, ohne ihm einen Ermessungsspielraum zuzubilligen, sagte Wowereit im n-tv. Bei der Abstimmung im März hatte Wowereit als damaliger Bundesratspräsident die gespaltene Stimmabgabe der schwarz-roten Koalition in Brandenburg als Zustimmung gewertet. Nach Ansicht des Osnabrücker Rechtsexperten Jörn Ipsen hätte Wowereit damals nicht nachfragen dürfen. Das Bundesverfassungsgericht habe klar gesagt, dass Wowereit seine Kompetenz überschritten habe, sagte Ipsen. Nach Einschätzung des Mainzer Politikwissenschaftlers Jürgen Falter ist im Parteienstreit über das Zuwanderungsgesetz erst nach den Landtagswahlen im Februar in Niedersachsen und Hessen eine Lösung in Sicht. "Außerhalb des Wahlkampfs werden sie sich schon einigen", sagte Falter. Die Union könne es sich nicht leisten als Totalblockierer dazustehen und Rot-Grün würden ihr großes Reformprojekt nicht den Bach runtergehen lassen.