Ende der Reiserangelei Wann reist Scholz nach Kiew? Warum es nun ganz schnell gehen könnte

Bundeskanzler Olaf Scholz steigt aus dem Flugzeug
Bundeskanzler Olaf Scholz: "Ein wichtiges Ergebnis des Gesprächs"
© Michael Kappeler / DPA
Der Reise steht nichts mehr im Weg: Deutschland und die Ukraine haben "Irritationen der Vergangenheit" ausgeräumt, die ersten Besuche aus der Bundesrepublik sind bereits geplant. Und wann kommt Scholz?

Die einen sagen so, die anderen so. Olaf Scholz sagte: "Das kann man nicht machen." Ein "bemerkenswerter Vorgang" sei das gewesen, sogar ein "Problem für das deutsche Volk", wie er später nachlegte.

Für den sonst doch eher wortkargen Bundeskanzler waren das ungewöhnlich viele und deutliche Worte zu einer Debatte, die völlig aus den Fugen geraten war: Scholz hatte eingeräumt, dass einem Besuch in Kiew die Ausladung von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier durch die ukrainische Regierung im Weg stehe. Ihr Botschafter in Berlin, Andrij Melnyk, nannte den Kanzler daraufhin eine "beleidigte Leberwurst" (wofür er sich übrigens nicht entschuldigen will).

Aber das alles ist nun sowieso Wind und nichts. Je nach Lesart, darf die "beleidigte Leberwurst" als besänftigt oder das "Problem für das deutsche Volk" als beseitigt gelten: Deutschland und die Ukraine haben die "Irritationen der Vergangenheit" ausgeräumt, wie es diplomatisch korrekt aus dem Schloss Belevue hieß.

Und wann kommt Olaf Scholz?

Demnach haben Bundespräsident Steinmeier und der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj am Donnerstag telefoniert. Es war der erste direkte Kontakt der beiden seit Mitte April. Die Staatschefs hätten "das Gespräch als sehr wichtig und sehr gut" bezeichnet, das etwa 45 Minuten gedauert haben soll – es galt also offenkundig einiges zu besprechen oder auszuräumen. Am Ende stand eine Einladung für die gesamte deutsche Staatsspitze – also auch für den Bundespräsidenten – in die Ukraine.

Ob Selenskyj geahnt hat, was jetzt auf ihn zukommen könnte? Nach dem Telefonat steht Besuchen aus der Bundesrepublik nichts mehr im Wege, wie Scholz seinerzeit monierte, und die ersten sind bereits angekündigt: Bundestagspräsidentin Bärbel Bas will nach Kiew reisen, Außenministerin Annalena Baerbock ebenfalls, Steinmeier könnte schon auf gepackten Koffern sitzen. Und Scholz?

Der Kanzler hat praktisch keinen Grund mehr, mit seinem Besuch noch allzu lang zu warten. Sein Argument, der diplomatische Affront gegen Steinmeier, ist abgeräumt. Mit seiner deutlichen Kritik an der Ausladung des Bundespräsidenten hatte Scholz auch preisgegeben, wann er in die Ukraine reisen würde und wann nicht.

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Würde er seinen Besuch nun weiter hinauszögern, könnte er den Eindruck eines Zauderers verfestigen – ein Image, das der Kanzler durch eine beherztere Kommunikation derzeit abzustreifen versucht. Zumindest ist er keine "beleidigte Leberwurst" mehr, sollte er jemals eine gewesen sein: Scholz begrüßte den Austausch zwischen und Steinmeier und Selynskij und preiste Baerbocks Besuch als "wichtiges Ergebnis des Gesprächs" an.

Kommt es zum Schulterschluss mit Frankreich?

Vor diesem Hintergrund könnte nun alles ganz schnell gehen: Emmanuel Macron hat sich für Montag in Berlin angemeldet, es ist der erste Auslandsbesuch des französischen Präsidenten seit seiner Wiederwahl. Auf der Agenda stehen selbstredend auch "Fragen im Zusammenhang mit dem Ukraine-Krieg", wie der Élysée-Palast am Donnerstag mitteilte – von denen am Montag noch neue aufkommen könnten.

Am 9. Mai feiert Russland, wie auch andere Nationen in Osteuropa, den "Tag des Sieges" gegen Nazi-Deutschland. Beobachter erwarten, dass der russische Präsident Wladimir Putin das besondere Datum zum Anlass nehmen könnte, eine neue Phase des Krieges einzuleiten (lesen Sie hier mehr dazu). Scholz und Macron könnten eine gemeinsame Reise nach Kiew vereinbaren, um so ihre Solidarität zur Ukraine zum Ausdruck zu bringen und der Kremlpropaganda ein Signal der Geschlossen- und Entschlossenheit entgegenzusetzen.

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Womöglich könnte Scholz aber auch schon einen Tag zuvor über mögliche Reisepläne sprechen. Am Sonntag jährt sich das Ende des Zweiten Weltkriegs zum 77. Mal, einem Bericht der "Bild"-Zeitung zufolge will sich der Kanzler zu diesem Anlass erneut in einer Fernsehansprache direkt an die Bevölkerung wenden. Abgesehen von der jährlichen Neujahrsansprache wäre es die zweite TV-Ansprache von Scholz seit Amtsantritt. Seine erste hielt er am 24. Februar, dem Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine.

tkr