Der Streit um Sonderwirtschaftszonen zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit vor allem in Ostdeutschland sorgt weiter für Zündstoff: Der Vorsitzende der Gewerkschaft IG BCE, Hubertus Schmoldt (SPD), hält überhaupt nichts von solchen Plänen, wie er der "Hannoverschen Allgemeinen Zeitung" sagte. Dagegen sprach sich der für den Aufbau Ost zuständige Bundesminister Manfred Stolpe (SPD) für staatlich geförderte Niedriglohnsektoren in den neuen Ländern aus.
"Das ist ein Gedanke, den man ernsthaft weiterverfolgen muss", sagte Stolpe dem "Handelsblatt". Die Lohnkostenzuschüsse sollten Teil des geplanten Gesetzes von Wirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) für Innovations-Regionen zum Bürokratieabbau werden. Clement will dieses Jahr ein Gesetz vorlegen, wonach in strukturschwachen Regionen in Ost und West beispielsweise Vorschriften des Bau- und Planungsrechts ausgesetzt werden, um Investitionen der Wirtschaft anzukurbeln.
Grüne warnen vor unhaltbaren Versprechungen
Dagegen warnte die Vorsitzende der Grünen-Bundestagsfraktion, Katrin Göring-Eckardt, davor, den Ostdeutschen unhaltbare Versprechen zu machen. Dies sei der Fehler der Politik in den letzten Jahren gewesen. "Man hat das Gefühl vermittelt, es könnten tatsächlich doch noch blühende Landschaften kommen", sagte sie.
Vielmehr werde man in Gebieten ohne industrielle Wachstumskerne nicht mehr versprechen können, "dass man Unternehmen oder Industrie ansiedelt". Das sei etwas, "was die Politik nicht versprechen und nicht machen kann". In diesen Gebieten könne man lediglich dafür sorgen, dass Infrastruktur-Standards erhalten werden.
"Stückweise Demontage der Rechter der Arbeitnehmer"
Schmoldt sagte, einige Politiker wollten die neue Debatte um den Aufbau Ost "als Chance nutzen, die soziale Marktwirtschaft und die Beteiligungsrechte der Arbeitnehmer stückweise zu demontieren". Vor allem bezog er sich auf Unionsfraktionsvize Friedrich Merz und FDP-Chef Guido Westerwelle.
Merz hatte am Osterwochenende gefordert, die ostdeutschen Länder müssten das Recht erhalten, vom Tarifvertragsrecht und vom Betriebsverfassungsgesetz abzuweichen, um Wirtschaftsdynamik schaffen zu können. Westerwelle schlug vor, dies auch in westdeutschen Modellregionen zu erlauben.
Schmoldt sagte dazu, wer die Rolle der Gewerkschaften derart beschneiden wolle, müsse wissen, dass auch die Arbeitnehmerorganisationen dann neu über sich nachdenken würden "sie würden sich radikalisieren".

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Schmoldt kritisierte auch seinen Amtskollegen Klaus Wiesehügel von der IG BAU. Wiesehügel hatte Investitionssondergebiete auch in Westdeutschland vorgeschlagen und die Beispiele Ostfriesland und Ruhrgebiet genannt. "Wer das Wort Sonderzone als Gewerkschafter in den Mund nimmt, wird auch gefragt werden, welchen Beitrag er selbst leisten will", sagte Schmoldt.
Andere Faktoren bedenken
Für strukturschwache Regionen gebe es bereits Fördertöpfe, die auch in Anspruch genommen würden. Vor einer Debatte über Tarife und Mitbestimmung müssten die wichtigeren Faktoren für Standortentscheidungen zur Sprache kommen, meinte der IG-BCE-Chef. Als Beispiele nannte er das komplizierte Steuerrecht sowie langwierige Genehmigungsverfahren.