"Was ist der Einbruch in eine Bank gegen die Gründung einer Bank?" Josef Ackermann ließ sich den berühmten Satz Bertolt Brechts quasi als Selbstbeschimpfung entgegenschleudern. Von Campino, dem Sänger der Toten Hosen, der in Klaus Maria Brandauers Neuauflage der Dreigroschenoper im Berliner Admiralspalast den Mackie Messer raspelte. Ackermann saß bei der Premiere lächelnd auf dem Balkon - die Deutsche Bank hatte die Inszenierung gesponsert. Skurrile Begegnung der Welten: Der Papst des deutschen Finanzkapitals beim antikapitalistischen Hochamt im Gründungspalast der SED - und als urbi et orbi Brechts giftige Sentenz über die Verworfenheit der Banken. Ackermann ertrug auch das - er hat ganz anderes ertragen. Und nun ist es Zeit, den bösen Buben mit anderen Augen zu sehen. "Was ist die Gründung einer Bank gegen die Rettung einer Bank?", wäre Brecht abzuwandeln. Denn nach Jahren schwerster Turbulenzen ist das Urteil unumgänglich: Josef Ackermann, Oberst der Schweizer Armee, hat die Deutsche Bank gerettet - für Deutschland. Sie war heimatlos, fast schon weg, verloren an London oder New York. Der viel Gescholtene, mit 13,6 Millionen Euro Jahressalär teuerster Manager und damit billigster Prügelknabe der Nation, hat die Bank für die Welt geöffnet - und sie mit Rekordgewinnen nun wieder fest verankert in Deutschland. Das ist die spektakulärste Wende, die bemerkenswerteste Erfolgsstory der vergangenen Jahre in der deutschen Wirtschaft. Und ein Symbol für deren Umbau: Der Auflösung der verfilzten Deutschland AG, der Flucht in die Welt mit teils fatalen Mega-Fusionen folgt neue Verwurzelung daheim. Auch Daimler wird heimkehren nach der Trennung von Chrysler.
Die Bank hatte zwei Krisen zu überstehen, die sich verhängnisvoll vermischten: die persönliche Krise Ackermanns und die Orientierungskrise des Konzerns. Er hatte sich im Mannesmann-Prozess zu verantworten, bei dem er - trotzig und miserabel beraten - alle Scheinwerfer auf sich zog. Die zum Victoryzeichen gespreizten Finger wurde er nicht mehr los - wie den Satz: "Deutschland ist das einzige Land, in dem diejenigen, die erfolgreich sind und Werte schaffen, deswegen vor Gericht stehen." Als er Superrenditen verkündete und im selben Atemzug Entlassungen, war sein Bild ruiniert. Alles schien auf die Frage reduziert, wie lange er es in dem Land aushält - oder das Land es mit ihm.
Die Bank war auf dem Sprung. Im Konzern verschob sich die Macht - von Frankfurt nach London, wo die auftrumpfenden Investmentbanker saßen. Und ein britischer Pressesprecher, des Deutschen nicht mächtig. Die Privatkunden daheim, vor Ackermanns Zeit schon mal arrogant zu einer Filialtochter abgeschoben, wurden zweitklassig. Fusionieren um jeden Preis erschien als das Gebot der Stunde. Das hieß: ins Ausland gehen, denn nach Deutschland kommen wollte kein Partner, schon wegen der Mitbestimmung nicht. Und: den Namen wechseln, denn "deutsch", so wurde in London geflüstert, stand für hoffnungslos gestrig - global unbrauchbar. Massiv mischte sich dann auch noch Gerhard Schröder ein: Ackermann sollte das Flaggschiff der deutschen Wirtschaft an die amerikanische Citigroup des Kanzlerfreundes Sanford Weill verkaufen. Gegen das vage Versprechen, in Frankfurt deren Europazentrale einzurichten.
Die Macht sitzt wieder in Frankfurt, nicht mehr in London. Es wäre kein Wunder, wenn Ackermann auch noch einen deutschen Nachfolger durchsetzen würde
Ackermann widerstand. Er kämpfte sich frei - vor dem Kadi, im Kopf und im Konzern. Die Macht sitzt wieder in Frankfurt, im Juni tritt dort ein deutscher Pressechef an. Das Privatkundengeschäft wird durch den Kauf der Noris-Bank und der Berliner Bank mächtig ausgebaut. Die Bank hat sich an der Deutschen Börse beteiligt, um den heimischen Finanzplatz zu vertei-digen, sie hat mit der Kreditanstalt für Wiederaufbau ein Kreditprogramm über eine Milliarde Euro für den Mittelstand aufgelegt, sie sichert mit Millionen die Zukunft der Berliner Philharmoniker.
Wichtigste Entscheidung aber: Die Fusionspläne liegen ad acta. "Wir wollen Deutschland nicht verlassen", sagt Ackermann. "Und die Partner, die infrage kämen, sind nicht bereit nach Deutschland zu kommen." Vielleicht kauft er noch eine deutsche Großbank - aber wohl nicht die Commerzbank -, um sperriger zu werden gegen Übernahmeattacken aus dem Ausland. Angela Merkel sucht nun seinen Rat - und findet Hilfe. Durch den Kauf eines Anteils am Luftfahrtkonzern EADS etwa – gegen französische Dominanz. "Wir stehen zu unserer politischen Verantwortung gegenüber diesem Land", verkündet Ackermann - ein sensationeller Satz, so etwas wie patriotische Selbstverpflichtung inmitten der Globalisierung. Als Aufsichtsrat bei Siemens kippte er mit die alte Führung, um die Korruptionskrise des Konzerns zu stoppen und ihn vor der lauernden Börsenaufsicht in New York zu schützen. Der böse Bube, bis 2010 im Amt, wird Vorbild. In den Aufsichtsrat wechseln will er nicht - andere Bankchefs knurren deswegen. Es wäre am Ende der Ära Ackermann kein Wunder, setzte er auch noch einen deutschen Nachfolger durch. Sein Geld aber hat er längst verdient.