Neben dem Papst ist Lech Walesa weltweit wohl der bekannteste Pole. Er, so glauben viele, war der Anfang vom Ende des Kommunismus in Europa, das Gesicht einer neuen Zeit. Er war Elektromonteur, Gewerkschaftsführer, Staatspräsident, Friedensnobelpreisträger, aber er wird immer mehr zur tragischen Figur.
Geboren wurde Leszek Walesa 1943 in Popowo in Nordpolen. Sein Vater, ein Bauer und Bauarbeiter, starb 1946 an den Folgen deutscher Lagerhaft. Walesa besuchte die Grund- und Berufsschule und begann 1959 mit 16 Jahren seine Lehre. Ab 1967 arbeitete er mit verschiedenen Unterbrechungen in der Danziger Lenin-Werft. Als gewählter Betriebsrat engagierte er sich schon früh für die Interessen seiner Kollegen und mischte bereits bei den Streiks im Jahr 1970 mit, die zu blutigen Unruhen führten. 1976 wurde er nach einem Streik fristlos entlassen. 1980 wurde er auf Druck der Arbeiter der Lenin-Werft wieder eingestellt und setzte sich an die Spitze eines überbetrieblichen Streikkomitees, der späteren Gewerkschaft Solidarnosc.
Kriegsrecht auf Druck Moskaus verhängt
Hinter den Toren der Lenin-Werft mussten die kommunistischen Machthaber 1980 vor der Vertretung der Arbeiter kapitulieren und unterschrieben das Danziger Abkommen, in dem unter anderem das Recht auf freie Gewerkschaften vereinbart wurde. Anfang der achtziger Jahre zählte die Solidarnosc über zehn Millionen Mitglieder.
Zeittafel
1000 v. Chr.: Erste slawische Siedlungen 966: Herzog Mieszko I. tritt zum katholischen Glauben über
1025: Boleslaw I. wird erster König von Polen
1386: Der Litauerfürst Jagiello heiratet die polnische Königstochter Jadwiga. Beginn der Personalunion Polen-Litauen
1410: Sieg über den Deutschen Orden bei Tannenberg
1466: Anschluss Ostpreußens an Polen
ab 1550: Goldenes Zeitalter: Blütezeit Polens in Kunst, Wissenschaft, Literatur
1772: Erste Teilung Polens zwischen Russland, Preußen und Österreich
1791: Polen bekommt die modernste Verfassung Europas
1793: Zweite Teilung Polens
1795: Dritte Teilung Polens
1815: Wiener Kongress: Aus dem Herzogtum Warschau wird das "auf ewig mit Russland verbundene" Königreich Polen
1918: Jozef Pilsudski wird Staatschef des wiedererstandenen Polens
1939: Deutscher Überfall auf Polen, Teilung gemäß Hitler-Stalin-Pakt
1943: Aufstand im Warschauer Ghetto
1944: Warschauer Aufstand
1945: Potsdamer Abkommen: Oder-Neiße Linie wird Polens neue Westgrenze
1980: Gewerkschaft Solidarnosc gegründet
1990: Lech Walesa wird Staatspräsident
Auf Druck Moskaus verhängte General Wojciech Jaruzelski am 13. Dezember 1981 in einer Nacht-und-Nebel-Aktion das Kriegsrecht über Polen, Tausende Regimegegner wurden verhaftet, die Solidarnosc verboten, Walesa in einer Villa außerhalb Warschaus unter Hausarrest gestellt. 1983 erhielt er den Friedensnobelpreis als "Exponent der aktiven Sehnsucht nach Frieden und Freiheit". Da er fürchtete, bei einer Ausreise an der Heimkehr gehindert zu werden, nahm seine Frau die Auszeichnung in Oslo entgegen.
Nach dem Zusammenbruch des Kommunismus wurde Walesa 1990 polnischer Staatspräsident. Als mutiger Kämpfer gegen den Kommunismus war er eine hohe moralische Instanz gewesen, als Politiker verlor er rasch an Popularität. Kritiker warfen ihm seine Neigung zur Selbstherrlichkeit und seine Schlitzohrigkeit vor.
1995 verlor Walesa das Präsidentenamt und blieb der Amtseinführung seines Nachfolgers fern. Nachdem er mehrmals seinen Ausstieg aus der Politik verkündet hatte, will er zu den nächsten Wahlen wieder antreten. Viele befürchten, dass sich Walesa damit endgültig selbst demontiert, wenn er nur auf wenige Prozentpunkte kommt.