Mit Staatsgästen aus aller Welt hat Deutschland den Mauerfall vor 20 Jahren als Zeitenwende der Weltpolitik gefeiert. Bundespräsident Horst Köhler und Kanzlerin Angela Merkel (CDU) würdigten in Berlin den 9. November 1989 als einen der "glücklichsten Tage" in der jüngeren deutschen Geschichte.
Merkel überquerte am Nachmittag zusammen mit dem ehemaligen sowjetischen Staatschef Michail Gorbatschow, dem früheren polnischen Gewerkschafter und Staatspräsidenten Lech Walesa, ehemaligen DDR-Bürgerrechtlern sowie Berlins Regierendem Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) die Bornholmer Brücke von Ost- nach West-Berlin. Der einstige Grenz-Kontrollpunkt war am Abend des 9. November 1989 der erste, über den die Menschen aus dem Osten Berlins in den Westen strömten.
In einer kurzen Ansprache bedankte sich die Kanzlerin bei Walesa und Gorbatschow für deren Anteil am Mauerfall. "An diesen historischen Ort sollen sich auch die immer wieder erinnern können, die noch gar nicht geboren waren oder kleine Kinder waren", sagte Merkel. Es wachse eine neue Generation heran, die in die Europäische Union eingebettet sei. "Dafür hat es sich gelohnt zu kämpfen und einzutreten." Deswegen sei dies ein schöner Tag für Deutschland.
Höhepunkt der Feiern sollte am Abend das "Fest der Freiheit" am Brandenburger Tor sein. Am einstigen Symbol der deutschen Teilung werden die Staats- und Regierungschefs aller EU-Mitgliedsstaaten, US-Außenministerin Hillary Clinton und Russlands Präsident Dmitri Medwedew erwartet. 1000 bemalte große Domino-Steine sollen dort als Symbol für den Einsturz der Mauer der Reihe nach umfallen. Die 1961 errichtete Berliner Mauer trennte den Osten und Westen der Stadt mehr als 28 Jahre lang und war Symbol der deutschen Teilung. SED-Politbüromitglied Günter Schabowski hatte am Abend des 9. November 1989 überraschend und fast beiläufig die Öffnung der DDR-Grenzen verkündet.
"Es war die Erfüllung eines Traums"
Merkel warb vehement für eine neue globale Ordnung. "Diese Welt wird keine friedliche Welt sein, wenn wir nicht zu mehr globaler Ordnung und zu mehr multilateraler Zusammenarbeit finden", sagte die Kanzlerin bei einer Konferenz zu den internationalen Folgen des Mauerfalls. "Wir haben am 9. November 1989 das Unmögliche als möglich erlebt." Diese Erfahrung gelte es sich beim Blick auf den Friedensprozess im Nahen Osten oder bei der Bedrohung durch Terrorismus zu bewahren.
Der 9. November 1989 wäre ohne den Mut der Menschen in der ehemaligen DDR nicht möglich gewesen, betonte Merkel. Sie hätten für ihre Freiheit gekämpft. "Es war die Erfüllung eines Traums." Auch sie sei am Abend über die Bornholmer Brücke nach Westberlin gelaufen, erinnerte sich die Kanzlerin. Sie habe den Ausflug auf den Kurfürstendamm dann aber auf den nächsten Abend verschoben. Denn sie habe als Physikerin morgens wieder ordentlich und pünktlich am Schreibtisch in Berlin-Adlershof sitzen wollen.
Köhler erinnert an Progromnacht
Die Feierlichkeiten hatten am Montagmorgen mit einem ökumenischen Gottesdienst in die Gethsemanekirche im Berliner Stadtteil Prenzlauer Berg begonnen. Die Kirche gilt als ein Zentrum der friedlichen Revolution von 1989 in der DDR. An dem Gottedienst nahmen auch Köhler und Merkel teil. Köhler würdigte den 9. November 1989 als einen "Tag der Freude". Zugleich erinnerte er an die Pogromnacht von 1938. "Der 9. November 1938 und der 9. November 1989 sind miteinander verbunden", betonte der Bundespräsident. Die Teilung konnte auch deshalb überwunden werden, "weil wir Deutsche die nötigen Lehren aus unserer Geschichte zwischen 1933 und 1945 gezogen haben". Darum habe die Welt Deutschland 1989 vertraut.
In der Pogromnacht hatten Nazis in ganz Deutschland Geschäfte und jüdische Gotteshäuser in Brand gesetzt. Es war der Auftakt zur völligen Entrechtung und systematischen Verfolgung der Juden in Deutschland.
Auch London, Paris und Rom feiern
US-Außenministerin Clinton bezeichnete den Fall der Mauer bei ihrem ersten Deutschland-Besuch als Ministerin als eines der wichtigsten Ereignisse des 20. Jahrhunderts. Dieses Ereignis habe "die Landschaft eines Kontinents verändert", sagte sie. Außenminister Guido Westerwelle (FDP) erklärte, Deutschland sei dem amerikanischen Volk heute noch "sehr dankbar" für die damalige Hilfe. "(...) die Mauer wurde eingedrückt. Von Menschen, und zwar von Osten nach Westen. Sie wurde umgestürzt, abgetragen, niedergerissen, in einer friedlichen Revolution."
Auch in vielen anderen Ländern wurde an das historische Ereignis erinnert. In London schmolz symbolisch eine Mauer aus Eis. Auf der Pariser Place de la Concorde wurden am Abend Tausende zu einer Licht- und Tonschau erwartet, die per Live-Schaltung mit dem Festakt in Berlin verknüpft wird. In Rom wurde mit einem Mauerteil und einer multimedialen Show auf der weltbekannten Spanischen Treppe gefeiert.
Auch in vielen Bundesländern, vor allem entlang der einstigen deutsch-deutschen Grenze, erinnerten die Menschen an den Mauerfall. Im einst getrennten Dorf Mödlareuth erinnerte Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) an die unvergessenen Bilder der Freude, des Jubels und der ungeheuren Erleichterung.