Die Stadt Heidelberg, das Schloss Neuschwanstein und die Brücke von Remagen: Für Amerikaner zählt die Ruine der Rhein-Brücke zwischen Bonn und Koblenz zu den Sehenswürdigkeiten in Deutschland. Denn hier geschah vor 60 Jahren kurz vor Ende des Zweiten Weltkrieges etwas, womit keiner gerechnet hatte. Alliierte Truppen konnten erstmals den Rhein in Richtung Osten über eine noch stehende Brücke überqueren. Einige Historiker glauben, dass dadurch der Zweite Weltkrieg verkürzt wurde. Die Wehrmacht hatte vergeblich versucht, das Bauwerk zu zerstören. Heute erinnert ein Museum in den linksrheinischen Brückentürmen an die dramatischen Stunden.
Hitler witterte Verrat
Die Eisenbahnbrücke war im Ersten Weltkrieg gebaut worden, um mehr Truppen und Material an die Westfront bringen zu können. Das 325 Meter lange Bauwerk verband Remagen mit dem Ort Erpel auf der anderen Rheinseite. 1945 scheiterten die Deutschen an der Zerstörung und Verteidigung der Brücke. Am 7. März sichtete die überraschte 9. US-Panzerdivision das äußerlich intakte Bauwerk und erhielt den Befehl, es zu erobern. Die Wehrmacht versuchte, sie zurückzugewinnen und zu zerstören. Weil dies misslang, vermutete Adolf Hitler Verrat und ließ fünf Offiziere zum Tode verurteilen. Vier wurden erschossen.
US-Oberbefehlshaber Dwight D. Eisenhower soll ausgerufen haben: "Die Brücke ist ihr Gewicht in Gold wert." Die Eroberung ging als "Wunder von Remagen" vor allem auch in die amerikanische Geschichte ein. Doch die Zerstörungsversuche waren nicht ohne Wirkung geblieben. Die Stahlkonstruktion stürzte plötzlich am 17. März ein und riss 28 amerikanische Soldaten in den Tod. Auf den Rheinwiesen errichteten die Amerikaner Lager für deutsche Kriegsgefangene. Allein am 8. Mai waren in Remagen und Sinzig rund 252 000 Menschen interniert. Schätzungen zufolge starben etwa 1200.
1980 öffnete auf Initiative des damaligen Bürgermeisters von Remagen, Hans Peter Kürten, ein Friedensmuseum. Zur Finanzierung hatte der Politiker die Idee, kleine Brocken der Brückensteine mit Echtheitszertifikat als Souvenir anzubieten. Heute sind sie für 30 Euro zu haben. "Bislang wurden mehr als 4000 Steine verkauft", sagt Stadtarchivar Kurt Kleemann. 2004 zählte das Museum 21 000 Besucher, darunter viele Amerikaner - Kinder, Enkel oder Neffen von Soldaten, die damals dabei waren. "Ich überquerte die Brücke 1945 zu Fuß bevor sie einstürzte", schrieb ein 82-jähriger US-Amerikaner aus Kalifornien im vergangenen Dezember in das Internet-Gästebuch. "Wir verstanden nicht wirklich, was geschah, bis wir fast drüben waren."
Remagener enttäuscht von US-Spielfilm
Kleemann sagt: "Wir können uns gar nicht vorstellen, welchen Stellenwert die "bridge of Remagen" in den USA hat." Auch der US-Spielfilm "Die Brücke von Remagen" von 1968 hält das Thema lebendig. Die Remagener waren zunächst von dem Streifen enttäuscht, weil er wenig mit der Realität zu tun hatte. Heute sagt der Archivar: "Wir können mit dem Film gut leben, weil er den einen oder anderen dazu bringt, nachzusehen, wie es tatsächlich gewesen ist."
Weil es im März noch zu kalt ist, treffen sich erst am 8. Mai - dem Tag der deutschen Kapitulation - in Remagen Veteranen und ihre Angehörigen. Am 18. Juni folgt ein Treffen ehemaliger Kriegsgefangener. Kleemann betont, dass die Erinnerung nicht auf die Eroberung der Brücke und den 7. März beschränkt werden sollte. So habe es schwere Kämpfe in den Wäldern um Remagen gegeben, die Soldaten hätten Todesängste gehabt. Allein zwischen dem 7. und dem 24. März wurden 1700 tote Amerikaner nach Kämpfen an dem Ostufer gezählt. Zahlen über deutsche Verluste gibt es nicht.