"Erdoğan bringt sich im Moment für die Wahlen in Stellung und greift auf ein Rezept zurück, das ihm schon häufiger in seiner Karriere geholfen hat: Unruhe stiften auf internationaler Bühne, um eine nationalistische Stimmung im Land zu kreieren und so seine Wähler hinter sich zu vereinigen", sagt der Nahost-Korrespondent des "stern", Jonas Breng, in der 454. Folge "heute wichtig".
"Er schürt das Feuer, wie es ihm nutzt"
Er verhandelt mit Russland und der Ukraine, führt Krieg in Syrien, droht Griechenland und blockiert seit Monaten die Aufnahme von Schweden und Finnland in die Nato – "Er schürt das Feuer, wie es ihm nutzt – in den Kurdengebieten der Türkei, in Syrien, auch in Deutschland", schreibt Jonas Breng in seiner Titelgeschichte "Der Brandstifter". In der türkischen Presse hat sein Portrait über den Präsidenten zu einem Eklat geführt. "Skandalös" sei die Titelzeile, dem "stern" wurde ein "internationales Komplott" vorgeworfen – man wolle die Wahlen beeinflussen. Und da ist auch schon des Pudels Kern: Während Erdoğan in der Weltpolitik erfolgreich vor sich hin zündelt, hat er im eigenen Land zum ersten Mal wirklich etwas zu verlieren. "Im Moment geht es ihm darum, mit allen Mitteln wiedergewählt zu werden. Er hat alle Hände voll zu tun", sagt Jonas Breng im Podcast.
Die Opposition formiert sich: "Erdoğan stell politische Kontrahenten kalt"
"Erdoğan stellt politische Kontrahenten kalt." Mit einem Gerichtsverfahren hat er den Istanbuler Bürgermeister Ekrem Imamoğlu als aussichtsreichen Gegenkandidaten aus dem Rennen genommen, sagt Jonas Breng, weiterhin werden Journalist:innen verfolgt, Oppositionelle leben gefährlich. Und trotzdem werden die Wahlen im Mai für Erdoğan nicht leicht: Die Wirtschaftskrise, die Inflation und der Widerstand gegen mehr als vier Millionen syrische Flüchtlinge im Land, der sich inzwischen aus nationalistischen Kreisen regt, gefährden seine Wiederwahl. Außerdem hat sich in der Opposition ein Sechserbündnis formiert, bestehend aus völlig heterogenen Parteien", die von "stramm rechts" bis zu den Sozialdemokraten reichen, erklärt Jonas Breng. "Im Prinzip wird dieses Bündnis nur von der Idee zusammengehalten, dass man den ewigen Sultan stürzen kann."
Für seine Anhänger:innen bleibt Erdoğan eine "Identifikationsfigur". Seine Aufsteigergeschichte, vom Jungen aus einfachen Verhältnissen zu dieser wahnsinnigen politischen Karriere, beeindrucke besonders die, die es schwerer haben. "Und Erdoğan hat in seinen ersten Jahren ganz schön was gerissen in der Türkei", sagt Jonas Breng. Er habe das Bruttoinlandsprodukt zwischen 2001 und 2013 verdreifacht, das Gesundheitssystem und die Infrastruktur verbessert, vor allem aber hat er die Türkei außenpolitisch auf die Landkarte gesetzt. "Das hat viele Türken in den vergangenen Jahren sehr stolz gemacht."
Die türkische Humorkanone

"Der starke Staatsmann": Erdoğan forciert eine nationalistische Stimmung in der Türkei
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