Lindners Etat-Entwurf Die größten Verlierer im Haushaltsstreit

Bundesfinanzminister Christian Lindner sitzt angespannt im Plenarsaal
Finanzminister Lindner (FDP): Manche Kollegen sind nicht sehr gut auf ihn zu sprechen
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Wegen der Schuldenbremse sind die Spielräume klein, im Haushalt von Finanzminister Christian Lindner muss kräftig gespart werden. Aber wen trifft es eigentlich besonders?

Jetzt liegt er auf dem Tisch: Der etwas unfertige Sparplan der Bundesregierung. Christian Lindner, der Bundesfinanzminister von der FDP, hat seinen Haushaltsentwurf für das Jahr 2024 diese Woche in den Bundestag eingebracht.

445,7 Milliarden Euro soll die Regierung im kommenden Jahr ausgeben dürfen – gut 30 Milliarden weniger als 2023. Beinahe alle Ministerien müssen schmerzhafte Einschnitte hinnehmen, denn Lindner stellt klar: Die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse soll eingehalten werden. 

Noch ist das Haushaltsgesetz nur ein Entwurf, über den im Parlament noch ausführlich diskutiert werden wird. Bevor der Etat endgültig beschlossen wird, kann sich also noch einiges ändern. Trotzdem: Die Kritik an dem Plan, wie er jetzt ist, ist immens. Besonders Sozialverbände sind entsetzt.

Wer verliert, wer gewinnt? 

Das Gesundheitsministerium: Weniger Geld in Pflegevorsorgefonds 

Das Gesundheitsministerium unter Karl Lauterbach (SPD) muss von allen Ministerien die größten Einsparungen hinnehmen. Statt 24,48 Milliarden Euro sind für Lauterbach nur noch 16,22 Milliarden Euro vorgesehen. Das liegt vor allem daran, dass die Corona-Krise vorbei ist. Während der Pandemiejahre war dem Ministerium viel mehr Geld zugeteilt worden als in einem normalen Haushalt üblich. 

Um noch mehr einzusparen, soll außerdem der Bundeszuschuss für die gesetzliche Pflegeversicherung entfallen. Jetzt wird es etwas technisch: Der Bund hat bislang die Pflegeversicherung bezuschusst, damit die Beiträge für die Bürgerinnen und Bürger nicht immer weiter steigen. Das sollen sie auch weiterhin nicht. Um den fehlenden Zuschuss auszugleichen, will der Bund ab 2024 deswegen einen kleineren Teil der Beiträge in Vorsorgefonds einzahlen. Die wurden 2015 eingerichtet, um den demografischen Wandel auszugleichen.

Die Kassen kritisieren diese Idee scharf. Die Bundesregierung verschiebe damit die Finanzierungsprobleme der Sozialen Pflegeversicherung nur in die Zukunft, erklärt der Verband der Ersatzkassen.  

Freiwilligendienste: Jede vierte Stelle in Gefahr 

Rund 100.000 junge Menschen absolvieren jedes Jahr einen Freiwilligendienst: In der Pflege, in Vereinen, in der Schule. Finanziell unterstützt werden die Einsatzstellen bislang vom Bundesfamilienministerium, aber auch hier soll ordentlich gespart werden.  

Etwa 78 Millionen Euro weniger soll für das Freiwillige Soziale Jahr und den Bundesfreiwilligendienst im nächsten Jahr zur Verfügung stehen. Das sind etwa 35 Prozent weniger als im laufenden Jahr. Dadurch wäre laut Schätzungen der AWO jede vierte Stelle in Gefahr: Das entspricht etwa 35.000 Einsatzplätzen. Kritik kommt zum Beispiel von der Diakonie Deutschland. Dort heißt es, ein Freiwilligendienst sei für viele junge Menschen der Einstieg in einen sozialen Beruf. "Wer hier spart, nimmt der Jugend nicht nur eine wichtige Orientierungsperspektive, sondern gefährdet auch die Zukunft unserer sozialen Infrastruktur." 

Elterngeld: Wer viel verdient, bekommt weniger Elterngeld 

Das Familienministerium unter Lisa Paus (Grüne) soll 2024 mit 13,35 Milliarden Euro auskommen, also rund 218 Millionen Euro weniger als im laufenden Jahr. Damit das klappt, ist mehr nötig, als bei den Freiwilligendiensten zu sparen. Die Idee: Beim Elterngeld soll die Einkommensgrenze, bis zu der die Leistung gezahlt wird, auf 150.000 Euro halbiert werden. Der Wert für Alleinerziehende bleibt auf dieser Höhe. Das Finanzressort hatte stattdessen Leistungskürzungen ins Gespräch gebracht, die so aber vermieden werden. 

Verlierer des Haushaltsentwurfes sind also Eltern mit einem Einkommen über 150.000 Euro im Jahr. "Das ist in dieser Einkommensklasse, und erst recht unter dem Aspekt sozialer Gerechtigkeit, aus meiner Sicht eher verkraftbar als bei Paaren, die deutlich weniger verdienen." So verteidigte Paus den Plan am Dienstag im Bundestag. Durch die Maßnahme könnten rund 290 Millionen Euro im Vergleich zu diesem Jahr eingespart werden. 

Und wer ist um den Sparkurs herumgekommen? 

Der Verteidigungshaushalt ist angesichts der angespannten Sicherheitslage von den Sparvorgaben ausgenommen. Gleichwohl reicht das Geld im Wehretat nicht aus, um den von Ressortchef Boris Pistorius (SPD) angemeldeten Bedarf zu decken. Zwar werden Lücken teilweise mit Geld aus dem Bundeswehr-Sondervermögen geschlossen, dieses war jedoch eigentlich für größere, zusätzliche Investitionen vorgesehen. Auch die dauerhafte Umsetzung der Zwei-Prozent-Quote der Nato ist finanziell bislang nicht gesichert. 

Formal stabil bleibt auch die Bafög-Ausbildungsförderung. Eigentlich geplante Reformen sind damit jedoch ebenso zunächst vom Tisch wie ein Ausgleich der hohen Inflation. 

Festhalten will Lindner auch am Aufbau eines Kapitalstocks für die von ihm geplante Aktienrente. Nach zehn Milliarden Euro im laufenden Jahr will der Finanzminister die Einzahlungen in den kommenden Jahren steigern. Die dafür vorgesehenen Kredite werden nicht auf die Schuldenbremse angerechnet, weil den Schulden ein Kapitalaufbau gegenübersteht.