Merz-Kabinett Wurstrekordhalter, Fachfremde, Saturn-Chef – die neuen Minister im Check

CDU vergibt erste Ministerposten – Eine Personalie überrascht besonders (Video)
Die CDU hat die ersten Minister und Ministerinnen der künftigen schwarz-roten Bundesregierung bekannt gegeben. Besonders eine Personalentscheidung sorgt für Überraschung.
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rtl.de
Die Union hatte Überraschungen fürs Kabinett angekündigt – und ihr Wort gehalten. Am Montag wurden die neuen Ministerinnen und Minister vorgestellt.

Friedrich Merz hat die künftigen Minister der CDU vorgestellt, auch die Namen der CSU stehen fest. Ein Manager wird Digitalminister, ein gelernter Metzgermeister leitet künftig das Agrarressort – es sind einige Überraschungen dabei. Wer für die SPD ins Kabinett einziehen soll, ist noch nicht bekannt: Das will die Partei nach stern-Informationen erst in einer Woche verkünden. Zeit genug, schon einmal einen Blick auf die Unionsmänner und -frauen zu werfen:

Innen: Alexander Dobrindt

Alexander Dobrindt
Alexander Dobrindt: ein gescheitertes Maut-Gesetz, jetzt große Hoffnungen
© Bernd Elmenthaler / Imago Images

Die Erwartungen sind groß an Alexander Dobrindt. Als Innenminister muss der CSU-Mann jene Wende in der Migrationspolitik umsetzen, die CDU und CSU so vehement gefordert haben: Zurückweisungen an den Grenzen, weniger Sozialleistungen für Asylbewerber, mehr Abschiebungen, auch nach Afghanistan und Syrien. Dobrindt, 54 Jahre alt und seit 23 Jahren in der Bundespolitik, hat mit solchen Spezialaufträgen zur Hebung des christsozialen Ansehens schon unliebsame Erfahrungen gemacht. 2013 entsandte ihn Horst Seehofer ins Kabinett von Angela Merkel, um den CSU-Wahlkampfschlager einer Pkw-Maut für Ausländer Wirklichkeit werden zu lassen. Dabei gab der damalige CSU-Chef dem neuen Verkehrsminister noch ein vergiftetes Lob mit auf den Weg: "Ein Alexander Dobrindt scheitert nicht." Doch sein Maut-Gesetz scheiterte an europäischem Recht und wurde unter Dobrindts Nachfolger Andreas Scheuer auch noch zu einem finanziellen Debakel.  

Trotzdem ruhen nun große Hoffnungen auf Dobrindt – nicht nur in der CSU, sondern auch bei Friedrich Merz. In der neuen Bundesregierung kommt Dobrindt, der unter den Unions-Ministern mit Abstand der politisch erfahrenste ist, eine Schlüsselrolle zu: Der Oberbayer, der es im öffentlichen Auftritt bisweilen an plumper Ruppigkeit nicht fehlen lässt, gilt im kleinen Kreis als umgänglicher und fairer Gesprächspartner. Sowohl nach den Verhandlungen mit den Grünen über die Grundgesetzänderung zur Lockerung der Schuldenbremse wie auch nach den Koalitionsverhandlungen von Union und SPD war immer wieder zu hören, dass die Gespräche ohne Dobrindt womöglich gescheitert wären. 

Auch wenn CSU-Chef Markus Söder schon angekündigt hat, regelmäßig zu den Koalitionsausschüssen von Union und SPD zu erscheinen, hat sich Dobrindt über die Jahre genug Eigenständigkeit erarbeitet, um mit Friedrich Merz und dem mutmaßlichen SPD-Vizekanzler Lars Klingbeil ein strategisches Zentrum im Kabinett zu bilden. Mit dem SPD-Chef duzt sich Dobrindt seit den Verhandlungen über eine Große Koalition Anfang 2018. Und Friedrich Merz wird schon aus Gründen der Abgrenzung zu Söder gerne so oft wie möglich wiederholen, was er nach den Verhandlungen über das Eine-Billion-Schuldenpaket gesagt hat: Es habe "Freude gemacht", die Gespräche mit Dobrindt zu führen. Man sei "ein gutes Team".

Wirtschaft: Katherina Reiche

Katherina Reiche
Katherina Reiche, Energiemanagerin: Wegducken ist nicht ihr Stil
© Manngold / Imago Images

Sie ist keine Unbekannte, und doch ist ihre Nominierung zur Wirtschaftsministerin eine Überraschung: Katherina Reiche ist bislang Leiterin der Westenergie AG und damit eine der Top-Managerinnen des Eon-Konzerns. Das Wirtschaftsministerium wird künftig vor allem ein Energieministerium sein, zumal der Klimaschutz wieder ins Umweltministerium verlegt wird. Dafür ist die 51-Jährige also top qualifiziert. Die studierte Chemikerin war unter anderem bereits CDU-Staatssekretärin im Umweltministerium. 

Merz hat Reiche, geboren im brandenburgischen Luckenwalde, wohl auch deshalb ins Kabinett berufen, weil sie auf dem Ticket Ostdeutschland fährt. Befragt man Mitarbeiter, beschreiben sie Reiche als ungewöhnlich fleißig und strukturiert. Wegducken ist nicht ihr Stil. Branchenmitglieder trauen ihr zu, dass sie "die Energiewende transparent, planbar und pragmatisch zum Erfolg macht", so wie das Versprechen im Koalitionsvertrag lautet. Doch ihr grüner Kurs könnte manchen konservativen Unionspolitiker noch irritieren. Mehr zu der Personalie lesen Sie hier.

Außen: Johann Wadephul

Johann Wadephul
Johann Wadephul fiel im Februar auf einen Telefonstreich zweier russischer Komiker rein
© Kira Hofmann / Imago Images

Nun ziehen also weder Armin Laschet noch David McAllister ins Auswärtige Amt ein, sondern Johann Wadephul. Der 62-Jährige aus Schleswig-Holstein wird der erste CDU-Außenminister sein, seit Gerhard Schröder vor fast 60 Jahren das Amt an Willy Brandt übergeben musste.

In der Fraktion hat sich der Anwalt und Reservist einen Namen als Außen- und Sicherheitsexperte gemacht. Sein Name wurde seit Wochen gehandelt. "Außen- und Sicherheitspolitik aus einem Guss", verspricht Wadephul. Tatsächlich waren die Ressorts Innen, Außen und das Kanzleramt bisher nicht in einer Parteifarbe vereint.

Wird jetzt unter Wadephul alles anders? Nein, Außenpolitik ändert sich nicht disruptiv. In der Ukraine-Politik bleibt es beim bisherigen Kurs, dem störrischen Ungarn Viktor Orbán will er jedoch die Hand reichen. Wadephul hat dieser Tage erste baldige Amtskollegen getroffen (UK, Italien), auch an der Papst-Beerdigung in Rom nahm er teil. Allerdings wird auch er rasch den Trend spüren, unter dem schon seine Vorgänger leiden mussten: Außenpolitik wird immer weniger im Auswärtigen Amt und immer mehr im Kanzleramt gemacht.

Ein Lapsus wie im Februar darf ihm trotzdem nicht mehr unterlaufen: Wadephul fiel auf einen Telefonstreich zweier russischer Komiker rein, die sich als Mitarbeiter des ukrainischen Präsidenten Selenskyj ausgaben, und plauderte 20 Minuten lang freundlich auch über mögliche Taurus-Lieferungen.

Kanzleramtschef: Thorsten Frei

Thorsten Frei
Thorsten Frei: Bodyguard mit guten Kontakten zur SPD
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Merz setzt seinen Bodyguard Thorsten Frei als Chef des Kanzleramtes ein. Er ist damit der Top-Manager der neuen Regierung. Der 51 Jahre alte Baden-Württemberger arbeitete bisher als Erster Parlamentarischer Geschäftsführer der Unionsfraktion – und organisierte für Merz federführend die Koalitionsgespräche. Frei wurde dort als verlässlicher Verhandler und Organisator wahrgenommen und hat – wichtig für seine neue Rolle – auch zur SPD gute Kontakte. Als Kanzleramtschef muss er Konflikte vorhersehen und moderieren, bestenfalls lange, bevor sie nach außen dringen. Von seiner Arbeit wird abhängen, ob ruhig regiert wird oder der Ampel-Streit fortdauert.

Politisch gehört Frei zum konservativen Lager der Partei, vor allem in der Asylpolitik vertritt er harte Positionen. Gleichzeitig gilt der Jurist als kompromissfähig und sehr loyal zu Merz. Andersherum informiert der Parteichef ihn als eine von wenigen Personen über seine Pläne, heißt es. In der CDU wird in diesen Tagen oft gesagt: Merz bräuchte Thorsten Frei eigentlich dreimal. Was auch daran liegt, dass es dem designierten Bundeskanzler sonst an einer echten eingeschworenen Truppe fehlt. Da Merz das Kanzleramt mit weiteren Kompetenzen – etwa in der Sicherheits- und Europapolitik – ausstattet, dürfte der Job als Amtschef noch wichtiger werden als bisher. Zumal Frei häufiger öffentlich auftritt als sein Vorgänger Wolfgang Schmidt (SPD). Die Frei-Formel: Arbeitet er gut, tut es auch die Regierung. Mehr Druck geht kaum. 

Bildung und Familie: Karin Prien

Karin Prien
Karin Prien: erfahrene Landespolitikerin, die seit dem 7. Oktober 2023 eine Davidstern-Kette trägt
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Seit dem 7. Oktober 2023 trägt Karin Prien eine Davidstern-Kette. Das Tragen des jüdischen Symbols sei für sie zu einem Bekenntnis gegen Hass und Angst geworden, wie sie dem stern erzählte. Neuland für Prien – ihre jüdische Identität hatte sie erst 2016 öffentlich gemacht. Beide Großväter waren Juden, die vor den Nationalsozialisten fliehen mussten. Prien wurde in den Niederlanden geboren und zog in jungen Jahren mit ihrer Familie nach Neuwied, wo sie später ihr Abitur ablegte. Bis zu ihrem Einstieg in die Politik arbeitet Prien als Rechtsanwältin mit dem Schwerpunkt Wirtschaftsrecht. Sie ist verheiratet und hat drei Kinder. 

Als Bildungsministerin in Schleswig-Holstein bringt Prien umfassende Regierungserfahrung mit – zugleich aber auch reichlich Stoff für Kritik. Noch bevor sie ihr neues Amt offiziell antritt, sieht sie sich scharfen Angriffen ausgesetzt, auch von künftigen Koalitionspartnern. Martin Habersaat, Bildungsexperte der oppositionellen SPD-Landtagsfraktion in Schleswig-Holstein, stellte ihr laut "taz" ein denkbar schlechtes Zeugnis aus: Er bewertete Priens Arbeit mit der Note "Vier minus" und erklärte: "Schleswig-Holstein ist in den vergangenen Jahren in allen Bereichen abgerutscht."

Gesundheit: Nina Warken 

Nina Warken
Nina Warken, Rechtsanwältin, Hobby-Tennisspielerin, im Wahlkreis beliebt: In die Gesundheitspolitik muss sie sich erst noch einarbeiten
© IMAGO/dts Nachrichtenagentur / Imago Images

Kontrastprogramm im Gesundheitsministerium: Saß dort in den letzten Jahren mit dem ausgebildeten Arzt Karl Lauterbach einer auf dem Chefsessel, der es sichtlich genoss, bis in die tiefsten Tiefen medizinisch zu fachsimpeln, folgt auf den SPD-Politiker nun eine Fachfremde nach: Die langjährige CDU-Bundestagsabgeordnete Nina Warken ist Rechtsanwältin und bislang vor allem auf dem Feld der Innenpolitik unterwegs. 

Die 45-Jährige war Obfrau im NSU-Untersuchungsausschuss und hat in den Koalitionsverhandlungen die Innenpolitik mitverhandelt. Seit 2021 ist sie eine der Parlamentarischen Geschäftsführer ihrer Fraktion. Die selbst ernannte "Hobby-Tennisspielerin" ist in ihrem baden-württembergischen Wahlkreis Odenwald-Tauber außerordentlich beliebt, dort holte sie bei der vergangenen Bundestagswahl 43 Prozent der Erststimmen.

Für sie wird es nun darauf ankommen, sich rasch in das neue Themengebiet einzuarbeiten. Sie wird zwei fachlich versierte Politiker als Staatssekretäre an ihrer Seite haben: den bisherigen gesundheitspolitischen Sprecher Tino Sorge, der ebenfalls für den Ministerposten gehandelt worden war, und den bisherigen Obmann der Unionsfraktion im Gesundheitsausschuss, Georg Kippels. 

Verkehr und Infrastruktur: Patrick Schnieder

Patrick Schnieder
Patrick Schnieder: 2,02 Meter groß, wird reichlich Geld ausgeben können
© dts Nachrichtenagentur / Imago Images

Eine der größten Überraschungen im neuen Kabinett dürfte Patrick Schnieder sein. Mit dem 2,02 Meter großen Rheinland-Pfälzer hatte wirklich kaum jemand für das Amt des Verkehrs- und Infrastrukturministers gerechnet – als Favoritin hatte zuvor die NRW-Landesministerin Ina Scharrenbach gegolten. Der 56-jährige Rechtsanwalt Schnieder war bisher einer der Parlamentarischen Geschäftsführer der Unionsfraktion, gilt als seriös und absolut verlässlich. Außerdem arbeitete er davor mehr als ein Jahrzehnt im Verkehrsausschuss. Fachlich kennt sich der Jurist also bestens aus.

Schnieder übernimmt ein schwieriges Ministerium, ein Krisenhaus: Die Deutsche Bahn wird auf absehbare Zeit ein Sanierungsfall bleiben und für Dauerärger sorgen. Die deutsche Autoindustrie droht in eine existenzielle Krise zu rutschen. Dazu bröckeln Brücken und Straßen im Land. Doch Schnieder wird, anders als sein Vorgänger Volker Wissing (ehemals FDP), zumindest reichlich Geld ausgeben können: Dafür soll das 500 Milliarden Euro schwere Sondervermögen Infrastruktur sorgen, das sich CDU/CSU und SPD besorgt haben. Womöglich zahlt es sich in so einem Haus sogar aus, dass Schnieder kein Lautsprecher ist, der sich in jeder Talkshow präsentieren muss – und so schlechte Presse auch mal abkann.

Digitales: Karsten Wildberger

Karsten Wildberger
Karsten Wildberger hat als Manager die Media-Markt-Saturn-Kette saniert
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Als Manager ist er bekannt, nun soll er Minister für Digitalisierung und Staatsmodernisierung werden: Karsten Wildberger, 1969 geboren, hat einen Ruf als erfolgreicher Macher: Seitdem er 2021 das Management der Media-Markt-Saturn-Gruppe übernahm, geht es bei dem Elektronikhändler wieder steil bergauf. 

Gleichzeitig engagiert sich der promovierte Physiker schon seit acht Jahren im sogenannten Wirtschaftsrat der CDU – vor allem in Merz' Heimatbundesland Nordrhein-Westfalen. Und Merz war bis 2021 Vizepräsident ebendieses Wirtschaftsrates, dem CDU-nahen Gremium, das er auch nach seinem langjährigen Rückzug aus der Bundespolitik nicht verließ. Sein Nachfolger: Karsten Wildberger. Merz setzt also auch in der Digitalisierung offenbar auf einen, den er gut kennt. 

Doch was in der Privatwirtschaft funktioniert, ist in der Politik noch lange nicht garantiert. Das neue Amt wird für Wildberger die größte Aufgabe seines Berufslebens. Denn die Herausforderung, endlich den gordischen Knoten bei der Verwaltungsdigitalisierung zu durchschlagen, ist gewaltig. Mehr dazu lesen Sie hier.

Landwirtschaft: Alois Rainer

Alois Rainer
Alois Rainer: Auch die große Schwester des CSU-Politikers war schon Ministerin
© Thomas Trutschel/photothek.de via www.imago-images.de

Als Alois Rainer im Januar seinen 60. Geburtstag feierte, kam Markus Söder als Überraschungsgast vorbei. Das allein zeigt schon, dass die Bedeutung Rainers in der CSU größer ist als seine überregionale Bekanntheit. Mit etwas Verspätung reicht der Parteichef dem Jubilar jetzt ein besonderes Geschenk nach: Rainer, seit elf Jahren stets direkt gewählter Bundestagsabgeordneter für den Wahlkreis Straubing, wird Bundeslandwirtschaftsminister. Seine Berufung ist eine Überraschung, weil allenthalben fest damit gerechnet worden war, dass die bayerische Agrarministerin Michaela Kaniber das entsprechende Ressort in Berlin übernehmen würde. 

Der Metzgermeister und Gastwirt Rainer kommt aus einer Familie, in der Politik dazugehört wie der Knödel zum Schweinsbraten. Schon sein Vater saß für die CSU im Bundestag und seine große Schwester auch: Gerda Hasselfeldt war unter Helmut Kohl Bundesbauministerin und zu Zeiten Angela Merkels CSU-Landesgruppenchefin. Mit der Berufung ihres Bruders ist der Rainer-Clan damit die erste Familie, aus der es zwei Geschwister bis in die Bundesregierung geschafft haben. 

Allerdings ist Rainer nicht nur als kleiner Bruder (seine Schwester ist 13 Jahre älter), sondern auch politisch ein Nachzügler. Mit 22 übernahm er zunächst den elterlichen Betrieb. Erst später trat er auch in die CSU ein. 1996 wurde er zum Bürgermeister der Gemeinde Haibach gewählt, 2013 zog er erstmals in den Bundestag ein, wo er zuletzt den Finanzausschuss leitete. Parallel dazu führte Rainer weiter seinen heimischen Betrieb mit mehreren Dutzend Mitarbeitern. 2003 produzierte er mit Kollegen die mit 825 Metern längste Weißwurst der Welt und machte entsprechende Schlagzeilen ("Das große Zuzeln").  

Als Landwirtschaftspolitiker ist Rainer bislang nicht aufgefallen, wohl aber zeigt er sich gerne naturverbunden, arbeitet bis heute im familieneigenen Forst und geht gerne mit seinem Hund spazieren. Schon als Kind hatte er einen Dackel namens Wastl, der ihn selbstständig zur Schule begleitete und am Mittag wieder abholte.  

Forschung: Dorothee Bär

Dorothee Bär musste sich bislang immer mit dem zweiten Platz hinter irgendeinem Mann begnügen
Dorothee Bär musste sich bislang immer mit dem zweiten Platz hinter irgendeinem Mann begnügen
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Dorothee Bär ist schwer zu fassen. Sie ist in Franken geboren, aber fanatische Anhängerin des FC Bayern, wo sie gemeinsam mit SPD-Chef Lars Klingbeil sogar dem Verwaltungsbeirat angehört. Seit 2002 sitzt Dorothee Bär, von Kollegen wie Journalisten meist nur "Doro" genannt, im Bundestag, und lebt als berufstätige Mutter von drei Kindern ein modernes Familienbild, das man nicht als Erstes mit ihrer CSU verbindet. In anderen gesellschaftspolitischen Fragen gilt Bär hingegen als stramm konservativ: Das Gesetz zur Selbstbestimmung des Geschlechts lehnt sie ebenso ab wie eine Abschaffung des Paragrafen 218 zum Schwangerschaftsabbruch. Im Frühjahr 2023 sorgte Bär für Aufsehen, als sie gemeinsam mit ihren CSU-Kollegen Florian Hahn und Andreas Scheuer den erzkonservativen republikanischen Gouverneur Ron DeSantis in Florida besuchte. 

Jetzt soll Dorothee Bär, 47, Bundesministerin für Forschung und Raumfahrt werden – ein Posten, den die CSU nicht zuletzt wegen potenzieller Fördergelder für den Hightech-Standort Bayern beansprucht haben dürfte. Die Diplom-Politologin, verheiratet mit dem Landrat im Kreis Hof, gehört seit Jahren zu den wichtigsten Frauen der CSU und musste sich doch bislang immer mit dem zweiten Platz hinter irgendeinem Mann begnügen: 2009 wurde sie stellvertretende CSU-Generalsekretärin hinter Markus Söder, ein Amt, in dem sie auch wegen der Breitbeinigkeit des Vordermannes wenig auffiel. 2013 wurde sie parlamentarische Staatssekretärin hinter Ressortchef Alexander Dobrindt im Verkehrsministerium, wo sie das alte CSU-Motto von Laptop und Lederhose in Flugtaxis und Dirndl variierte. 2021 wurde sie stellvertretende Parteivorsitzende, wieder hinter Söder. 

Doch Bär ist vielseitig. In ihrer Abgeordnetentätigkeit hat sie sich, nicht zuletzt als stellvertretende (!) Fraktionsvorsitzende hinter Friedrich Merz, um die Themen Familie, Frauen und Senioren, aber auch um Kultur und Medien gekümmert. In der letzten Legislaturperiode von Angela Merkel war sie Staatsministerin im Kanzleramt und Beauftragte für Digitales, ohne allzu große Spuren zu hinterlassen. Trotzdem war sie jetzt einfach mal dran, von der CSU in die erste Reihe entsandt zu werden. Bär ist als resolut bekannt: Die Ludwig-Erhard-Stiftung verließ sie, nachdem der damalige Vorsitzende Roland Tichy einen sexistischen Text über die SPD-Politikerin Sawsan Chebli verfasst hatte. Seit einiger Zeit kämpft sie mit Vehemenz und deutlichen Worten für ein Sexkauf-Verbot in Deutschland, das sich unter anderem durch das rot-grüne Prostitutionsgesetz zum "Bordell Europas" entwickelt habe. 

Staatsminister für Kultur: Wolfram Weimer

Wolfram Weimer
Wolfram Weimer: war mal Chefredakteur der "Welt" und fährt hin und wieder mit Merz Moutainbike
© Sven Simon / Imago Images

In der Szene trauten manche ihren Ohren kaum, als sie den Namen hörten: Wolfram Weimer soll Staatsminister für Kultur und Medien werden? Mit dem konservativen Verleger hole Merz sich einen Mann ins Kanzleramt, der bislang keinerlei Interesse an "irgendeiner Kunst oder Geist" gezeigt habe, schäumt schon das Feuilleton der "FAZ". 

Wohl wahr: Weimer ist ein ungewöhnlicher, streitbarer Vorschlag – falsch muss er deshalb nicht sein. Der 60-jährige Opern-Fan (Fun Fact: Er ist mit 1,98 Metern genauso groß wie Merz) war mal Chefredakteur der "Welt" und des "Focus", gründete einst das Magazin "Cicero", bevor er sich mit seinem eigenen Verlag selbstständig machte und in die Rolle des bürgerlichen Intellektuellen schlüpfte, der nach eigenem Bekunden "Goethe noch mehr als Schiller" schätzt, "Thomas Mann noch mehr als Bertold Brecht und Martin Walser noch mehr als Günter Grass“. 

Weimer mag einen Hang zu schmerzhaften Thesen haben, und weil er vor Jahren mal ein "konservatives Manifest" veröffentlichte, fürchten manche jetzt einen Kulturkampf aus dem Kanzleramt heraus. Aber er ist kein Ideologe. Und den subventionierten Kulturbetrieb mal mit einem unternehmerischen Blick anzuschauen, kann auch nicht schaden. Mal anders gefragt: Was genau bleibt eigentlich von Claudia Roth, der letzten Kulturstaatsministerin? 

Weimer ist übrigens parteilos, kennt Merz aber sehr gut: Am Tegernsee fahren sie hin und wieder zusammen Mountainbike. Ist das eine fragwürdige Vermischung privater und politischer Interessen? Mag sein. Aber jemanden im Kanzleramt zu haben, auf den man sich voll verlassen kann, ist in diesen wilden Zeiten womöglich ein Vorteil.