Seit drei Jahren dient Alexej Pawlowsky als außerordentlicher und bevollmächtigter Botschafter der Russischen Föderation in Australien. Als er am vergangenen Montag das Studio der Morgensendung "7.30" des Senders ABC betrat, rechnete er fest damit, die propagandistischen Parolen seines Dienstherrn im Kreml zum Besten geben zu können. Doch diese Rechnung hatte der 60-Jährige ohne die Moderatorin Sarah Ferguson gemacht.
Sie eröffnete das Interview mit einer Frage, die den Botschafter völlig aus der Bahn warf. "Sie sind hier in Australien und genießen die Vorteile einer freien und offenen Gesellschaft. Wie können Sie ein reines Gewissen haben, wenn Sie das repressive, diktatorische Putin-Regime repräsentieren?", wollte Ferguson wissen.
Bei den Worten "repressives, diktatorisches Putin-Regime" brach Pawlowsky in nervöses Kichern aus. Seine Körperhaltung veränderte sich schlagartig. Saß er vorher entspannt auf seinem Stuhl, verschränkte er nun die Arme vor seinem Körper – in Abwehrhaltung.
"Sie finden es lustig?", bohrte die Moderatorin unterdessen nach. "Was ich lustig finde, ist Ihre Art, ein Interview zu beginnen", antwortete Pawlowsky offenbar in dem Versuch, Zeit zu gewinnen. "Das war eine ziemlich direkte Frage", gestand Ferguson ein.
Ausflüchte statt Antworten
"Zu direkt", rutschte es dem Botschafter daraufhin durch. "Lassen Sie mich Ihnen zunächst sagen, dass ich nie Probleme hatte, in meinem Land zu leben. Dort habe ich nach meiner vorherigen Berufung 13 Jahre lang gelebt, bevor ich nach Australien kam. Ich hatte nie den Eindruck, dass ich in einem autoritären Land lebe, oder wie Sie es ausgedrückt haben."
Repressiv und diktatorisch habe sie es genannt, gab Ferguson zurück und konkretisierte, wie sie zu dieser Beurteilung kommt. "Es ist ein Regime, das seinen Nachbarn angegriffen hat. Es ist ein Regime, in dem Proteste unterdrückt werden, in dem Ihre freien Medien mundtot gemacht werden, in dem Andersdenkende ermordet oder inhaftiert werden, in dem das Ausmaß Ihrer Kriegsopfer vor der Öffentlichkeit verborgen wird", zählte sie an den Fingern auf, während Pawlowsky unwillkürlich nickte.
"Wie würden Sie diese Staatsform beschreiben, wenn nicht als Diktatur?", fragte Ferguson schließlich. Eine Antwort bekam sie nicht. Pawlowsky wich aus und stotterte: "Ich glaube nicht, dass ich die Form unserer Regierung mit Ihnen diskutieren muss. Ich habe mich auf substantielle Fragen zu Russlands Politik, Russlands Positionen zu bestimmten Themen und Russlands Rolle in der Welt vorbereitet", erklärte der Botschafter und gab damit deutlich zu erkennen, dass er das Interview als eine Gelegenheit, Propaganda zu verbreiten, betrachtete.
Die Propaganda-Taktiken des Botschafters
Ferguson tut ihm den Gefallen und wechselt das Thema – aber nicht in eine Richtung, die Pawlowsky gefallen hat. Vor einiger Zeit hätte er behauptet, die Australier seien einer "Gehirnwäsche" unterzogen worden, mit dem Resultat, dass sie die Ukraine im Kampf gegen Russland unterstützen. "Die russische Invasion in der Ukraine war eine kriminelle Handlung, und das russische Militär hat die Menschen in der Ukraine terrorisiert. Verstehen Sie, dass man keiner Gehirnwäsche unterzogen werden muss, um das zu verstehen?", fragte die Moderatorin.
Doch auch auf diese Frage bekam sie keine Antwort. Stattdessen griff Pawlowsky auf eine beliebte Taktik von Propagandisten zurück: Anderen ihre Fehler aus der Vergangenheit vorhalten. "Was in Wirklichkeit ein krimineller Akt war, eine brutale Invasion eines souveränen Landes, eine illegale und unmoralische Aggression, war das, war vor 20 Jahren geschah", behauptete der Diplomat und meinte damit den Irak-Krieg.
Dieselbe Taktik wandte Pawlowsky auch bei der folgenden Frage nach den russischen Kriegsverbrechen in der Ukraine an. Ebenso bei der Frage, warum Russland ukrainische Zivilisten tötet, während Wladimir Putin davon spricht, keinen Krieg gegen die ukrainische Bevölkerung zu führen. Mehrmals stellte Ferguson diese Frage, bis Pawlowsky sich nicht anders zu helfen wusste, als auf ein zentrales Narrativ der Kreml-Propaganda zurückzugreifen: Die "ukrainische Tragödie" habe angefangen, als man in Kiew ein Nazi-Regime installiert habe, wiederholte er das absolut haltlose Mantra des Kremls.
"Es ist ein Krieg"
Spätestens an dieser Stelle musste Pawlowsky am eigenen Leib erfahren, dass er mit solchen Parolen nur in den Studios der russischen Staatssender glänzen kann. Ferguson machte es deutlich: "Ich werde Sie unterbrechen, wenn sie nur alte Propaganda-Parolen wiederholen", sagte sie und tat es auch.
Auch als der Botschafter zum wiederholten Mal den Krieg in der Ukraine als "Sonderoperation" bezeichnete, fuhr die Journalistin dazwischen und korrigierte ihn: "Es ist ein Krieg." Ein Einwand, der Pawlowsky zum Aufbrausen brachte. "Sie müssen das nicht jedes Mal wiederholen", sagte er aufgebracht. "Doch. Ich denke, ich muss", stellte Ferguson deutlich.
So hatte sich Pawlowsky seinen Auftritt wohl nicht vorgestellt.