Linkes Bündnis Halbzeit in Bremen: Ist die rot-rot-grüne Landesregierung Vorbild für den Bund?

Claudia Bernhard und Andreas Bovenschulte
Der Bremer Bürgermeister Andreas Bovenschulte (r.) und seine Gesundheitssenatorin Claudia Bernhard (Linke) wurden auch außerhalb Bremens für ihre entschiedene Coronapolitik gelobt
© Sina Schuldt / DPA
Seit zwei Jahren regiert in Bremen die Koalition aus SPD, Linken und Grünen. Nach dem Aufwind der Sozialdemokraten halten jüngste Umfragen ein solches Bündnis auch auf Bundesebene für möglich. In Bremen halten Sie die Konstellation jedoch für unwahrscheinlich.

Die Bremer Wahlnacht aus dem Jahr 2019, dürfte vielen Konservativen im Berliner Konrad-Adenauer-Haus noch frisch in Erinnerung liegen. Obwohl die Christdemokraten erstmals seit rund 70 Jahren vor der SPD lagen, einigten sich die Sozialdemokraten trotz herber Wahlverluste  mit den Grünen und den Linken und stellen seither mit Andreas Bovenschulte den Regierungschef. Ein ähnliches Szenario könnte nun auch auf Bundesebene eintreffen. Neueste Umfragen halten eine rot-rot-grüne Mehrheit für möglich.

Bremer Regierung erhält viel Lob für Coronapolitik

Das Bremer Rathaus ist seit Kriegsende ununterbrochen in sozialdemokratischer Hand. Eine rote Bastion. Die wollte die SPD 2019 nicht aufgeben. Berührungsängste mit den Linken gab es kaum und die Grünen kannte man aus langen gemeinsamen Regierungsjahren zuvor. Die neun Ressorts inklusive Bürgermeister sind mit sechs Frauen und drei Männern besetzt. Gut ein halbes Jahr nach dem Amtsantritt am 15. August 2019 veränderte die Corona-Pandemie im Frühjahr 2020 alles, auch in Bremen. Seite an Seite traten Gesundheitssenatorin, Wirtschaftssenatorin (beide Linke), Finanzsenator (Grüne) und SPD-Bürgermeister in zahllosen Pressekonferenzen vor die Kameras. Selbst die CDU hatte für das rot-grün-rote Krisenmanagement anfangs Lob.

Es war die Stunde der Exekutive. Vor allem Bovenschulte gelang es, sich zu profilieren. Allerdings taugt ein kleiner Stadtstaat mit rund 680.000 Einwohnern nur sehr bedingt als Blaupause für den Bund. Eigentlich ist Bremen vom Wesen her mehr eine große Kommune mit zwei Städten, denn ein Bundesland. Bovenschulte war von Beginn an nie ein Freund der immer wieder ins Gespräch gebrachten Vorbild- und Modellrolle für den Bund. "Das darf man, glaube ich, nicht ganz so hoch hängen", sagte er schon im Sommer 2019, als die Unterschriften unter dem Koalitionsvertrag gerade trocken waren.

Bovenschulte: SPD sollte keine Konstellation ausschließen

Der 56 Jahre alte Jurist, der SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz im laufenden Wahlkampf bei dessen Terminen in Bremen und Bremerhaven stets begleitet, wird oft auf die Frage angesprochen. Auch er hält nach der Bundestagswahl eine rot-grün-rote Koalition im Bund für denkbar. Sein Standpunkt: Außer ein Bündnis mit der AfD solle die SPD keine Konstellationen ausschließen.

Für den Politologen Lothar Probst dient das Bremer Farbenmodell kaum als Vorlage für den Bund. In den Bundesländern sei die Situation ganz anders als im Bund. "Es gibt drei rot-grün-rote Bündnisse: in Thüringen, in Berlin und in Bremen. Das sind alles keine Modellprojekte", sagte er kürzlich bei Radio Bremen. Ein Grund sei, dass Die Linke im Bund ganz anders ticke. "Der Parteitag der Linken hat Beschlüsse zur Außen- und zur Sicherheitspolitik getroffen, unter anderem zur Nato- Mitgliedschaft und zur Russland-Politik, die für die Grünen noch weniger akzeptabel sind als für die SPD."

Umfragen halten Rot-Rot-Grün für möglich

Zudem glaube er nicht, dass SPD, Grüne und Linke überhaupt auf genügend Stimmen für eine linke Koalition kämen. "Ich halte Spekulationen über ein rot-grün-rotes Bündnis im Bund daher für eine Luftnummer." Bei allen Unsicherheiten, mit der Umfragen behaftet sind, ist eine solche Konstellation den Zahlen zufolge im Bund aber möglich. Laut einer Forsa-Umfrage für das RTL/ntv-Trendbarometer von dieser Woche käme die Union nur noch auf 23 Prozent, die SPD auf 19 Prozent, die Grünen lägen bei 20 Prozent und die Linken bei 7 Prozent. Die FDP läge bei 12 und die AfD bei 10 Prozent. Unter vier Optionen wäre Grün-Rot-Rot eine.

SPD und Grüne haben im Bund bereits gemeinsame Regierungsjahre erlebt. Für Die Linke wäre es völliges Neuland, wie in auch Bremen, wo die Partei erstmals in einem westdeutschen Bundesland an der Regierung beteiligt ist. "Einfach war das nicht! Auch wenn wir bereits zuvor umsetzbare Vorschläge in die Debatten eingebracht haben, ist Regieren doch eine ganz neue Herausforderung", bilanzieren die Bremer Linken in ihrer 68 Seiten umfassenden Halbzeitbilanz.

Olaf Scholz, Kanzlerkandidatin der SPD, stellt sich den Fragen in der Gesprächsreihe "Brigitte Live".
Olaf Scholz, Kanzlerkandidatin der SPD, stellt sich den Fragen in der Gesprächsreihe "Brigitte Live".
© Brigitte / DPA
Ungewohnt privat: SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz im Interview

Sehen Sie im Video: Der Kampf ums Kanzleramt ist in vollem Gange. Für die Nachfolge von Angela Merkel schicken Grüne, SPD und CDU drei Kandidaten ins Rennen. Olaf Scholz von der SPD gab in der Gesprächsreihe "Brigitte Live" ungewohnt private Einblicke.

DPA
jus/ Helmut Reuter

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