Großer Preis von Spanien Horror-Crash überschattet Ferrari-Triumph

Von Elmar Brümmer, Barcelona
Es war ein Schock für McLaren-Mercedes: Heikki Kovalainen raste ungebremst in einen Reifenstapel. Sein Bolide wurde komplett zerstört, aber der Finne blieb nahezu unverletzt. Der Horror-Crash überschattete die Machtdemonstration von Ferrari und das Debakel der deutschen Fahrer.

Wenn etwas schlimmer aussieht, als es ist, gehört das zu den besten Nachrichten des Motorsports. Der aktuellste Beleg dafür ist das riesige Loch, das dort im Silberpfeil von Heikki Kovalainen klafft, wo sich normalerweise die Fahrzeugnase befindet. Mehr als diese Kohlefaserfetzen blieb nach der Schussfahrt des Finnen in die Reifenstapel der Campsa-Kurve von der Spitze des so genannten Monocoques nicht übrig.

Der Mega-Crash des Finnen in Barcelona lässt die eindrucksvolle Machtdemonstration Ferraris ebenso verblassen wie das Debakel der deutschen Piloten – erstmals in dieser Saison befand sich beim Großen Preis von Spanien kein Renn-Teutone in den Punkterängen. Kimi Räikkönen und Felipe Massa wiederholen dafür den Doppelerfolg von Ferrari aus dem letzten Rennen, diesmal in umgekehrter Reihenfolge – mit dem Weltmeister voran. Lewis Hamilton im McLaren-Mercedes meldet sich als Dritter wieder auf dem Podium zurück, gnadenlos ausgepfiffen vom spanischen Publikum, das vor allem aber unter dem Ausfall von Fernando Alonso in Runde 35 mit einem Motorschaden am Renault leidet. BMW-Pilot Robert Kubica landet auf Rang vier.

Kovalainen rast mit 230 in Reifenstapel

Statistische Daten zum Einschlag Kovalainens gibt es noch nicht, aber bei der Anfahrt auf die Kurve Nummer neun des Circuit de Catalunya sind die Boliden im sechsten Gang normalerweise 230 km/h schnell. Entsprechend heftig bohrt sich das Auto des 26-Jährigen in stumpfem Winkel in die Reifenstapel und bleibt unter der Barriere stecken. Der Zwischenfall überrascht auch die Live-Kameraleute Die ersten Bilder zeigen nur das Heck eines McLaren-Mercedes, der Rennwagen selbst ist bis zur Fahrzeugmitte in den Reifenstapeln versenkt. Die Hektik der Streckenposten, die verzweifelt und vergeblich versuchen, den harvarierten Silberpfeil aus der Sicherheitsbarriere zu ziehen, verheißt zunächst nichts Gutes. Als der Bergekran anrückt, ist der amerikanische Renn-Notarzt Gary Hartstein schon da, das Rennen geht in eine Saftey-Car-Phase. Seit dem tödlichen Unfall von Ayrton Senna 1994 nähern sich die Fernsehkameras nur dann der Szenerie, wenn sich abzeichnet, dass es dem Piloten gut geht. Einstweilen beginnt bei der Zeitlupenanalyse das Rätselraten, warum der linke Vorderreifen so jäh explodiert ist. Mercedes vermutet, dass sich zwischen Reifen und Felge ein Steinchen oder Fahrzeugteilchen gemogelt hat, der zum Felgenbruch und dem anschließenden Reifenplatzer führte. Auf den Wiederholungsbildern ist aber auch ein Teil der Vorderradaufhängung zu sehen, das wegfliegt, bevor es zum großen Knall kommt. Ursache oder Folge – das ist noch ungeklärt. Endlich zeigt die Hubschrauberperspektive die Bergeszenerie, und Helfer, die mit einer Luftkissentrage anrücken.

Kovalainen zeigte den erhobenen Daumen

Ferraris Edeltester Michael Schumacher, der sich während seiner aktiven Zeit wie kein anderer Pilot für die Sicherheit der Autos und der Fahrer eingesetzt hat, beobachtet die Szene vom Ferrari-Kommandostand aus. Und zeigt sich erlöst, als endlich eine Nahaufnahme von Kovalainen zu sehen ist, der auf der Trage liegt: "Ich bin froh, dass uns Heikki seinen Daumen gezeigt hat." "Das ist das wichtigste Ergebnis heute", wird später Mercedes-Sportchef Norbert Haug seufzen. Das erstes offizielle Bulletin kommt nach einer Untersuchung im Medical Center von einer Sprecherin der Strecke: Der Patient sei stabil, habe keine sichtbaren Verletzungen, werde sicherheitshalber aber zur Beobachtung in ein Krankenhaus geflogen. Später wird ergänzt: Kovalainen spricht, hat keine Blessuren an den Beinen. Der linke Ellbogen soll den Piloten schmerzen, vielleicht kam beim Aufprall auch eine Gehirnerschütterung zu. McLaren-Geschäftsführer Martin Whitmarsh geht aber davon aus, dass der Finne bald gesundgeschrieben zurück kehrt und in zwei Wochen in der Türkei starten kann. Ähnlich glimpflich war im Vorjahr der spektakuläre Überschlag von Robert Kubica in Montreal verlaufen, auf dem Nürburgring war Kovalainens heutiger Teamkollege Lewis Hamilton sogar mit Tempo 240 in die Reifenstapel gekracht und blieb unverletzt. Die Rennfahrergeneration von heute wird nicht nur von Schutzengeln, sondern auch Schutzhüllen begleitet.

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