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Bundesliga 2016/2017 Warum RB Leipzig der Bundesliga gut tut

RB Leipzig spielt ab diesem Wochenende in der Bundesliga. Für viele verliert die Liga damit im zarten Alter von 54 Jahren ihre Unschuld. Proteste und Boykotte sind angekündigt. Und doch werden die Leipziger der Liga gut tun.

Ein abgetrennter Bullenkopf. Im Innenraum des Stadions. Was für eine widerliche Form des Protestes! Es ging mal wieder gegen RB Leipzig, den von Red-Bull-Geldern aufgepumpten Bundesliga-Aufsteiger. Geschehen am vergangenen Wochenende während des Pokalspiels Dynamo Dresden gegen die "Roten Bullen" (3:2). Wohlgemerkt: Sogar diese Art des Protestes hielt jemand für moralisch höher stehend als das umstrittene Bundesliga-Projekt des milliardenschweren Klebebrause-Herstellers Dietrich Mateschitz. Eigentlich unglaublich.

Von Anfang an war klar: RB Leipzig wird Unruhe in die Liga bringen. Man könnte auch Bewegung sagen; vielleicht wird der 2009 aus dem SSV Markranstädt transformierte Retortenclub die Liga sogar aufmischen. Ganz klar, der 55. Club in der Bundesliga-Geschichte ist gekommen, um zu bleiben. Dank der nie versiegenden Finanzspritze aus Österreich haben die Leipziger Emporkömmlinge dabei einen Wettbewerbsvorteil. Und die faktische Kontrolle des Vereins "RasenBallsport" durch die Red Bull GmbH reizt die Voraussetzungen für die Teilnahme am ordentlichen Spielbetrieb der Deutschen Fußball-Liga weit über Gebühr aus. Und doch wird dieses Sport-Projekt aus der Retorte der Bundesliga gut tun - und zwar aus folgenden Gründen:

1. Ein Rivale für den FC Bayern

Die Aussicht, dass ausgerechnet RB Leipzig die Meisterschaft wieder spannend machen könnte, wird den vielen Fans der Traditionsclubs nicht schmecken. Da treibt man den Teufel mit dem Belzebub aus. Mag sein. Doch eines ist nicht von der Hand zu weisen: Die Bundesliga erstarrt zunehmend unter der Dominanz des Krösus FC Bayern. Borussia Dortmund gelingt es immer weniger, Schritt zu halten, den finanzstarken Clubs wie Wolfsburg und Leverkusen fehlt es bisher offenbar am Konzept, Schalke steht sich meist selbst im Weg und Gladbach holt aus seinen Möglichkeiten schon das Maximum raus. Die Liga kann es sich auf Dauer nicht leisten, auf eine - zudem unwahrscheinliche - Bayern-Schwäche zu warten. RB hat nicht nur finanziell, sondern auch vom Konzept her das Zeug zu einem echten Bayern-Konkurrenten. Nicht sofort, aber: "Am Ende des Weges ist das vielleicht möglich", sagt Sportdirektor Ralf Rangnick dem Fachmagazin "kicker". Schon ab dem dritten Bundesligajahr sei "Europa nicht utopisch". Die Ambitionen sind also da. Und ist die Erstarrung erst einmal aufgebrochen, kommt hoffentlich insgesamt mehr Bewegung in die Konkurrenz. 

2. Der Osten ist dabei - gut so

Seit Jahren sind die "neuen Bundesländer" in der Beletage des deutschen Fußballs nicht vertreten. Für die Liga kann es nicht gut sein, dass eine so große Region ohne lokalen Club dasteht, mit dem sich die Fans identifizieren können. Ob als Retorte gestartet oder nicht: RB kommt in Leipzig und Umgebung inzwischen an, die 43.000-Zuschauer-Arena ist erstligareif, die Begeisterung für Bundesliga-Fußball groß. "In Mitteldeutschland sind wir nach Bayern und Dortmund der drittbeliebteste Verein", sagt Rangnick. Diese Fußball-Fans kann die Liga mit RB nun noch mehr an sich binden.

3. Geld-Club? Das sind letztlich alle

Mal ehrlich: Dass BVB-Fans das Auswärtsspiel von Borussia Dortmund beim verhassten Geld- und Retortenclub boykottieren wollen, ist doch sehr skurril. Macht da "Echte Liebe" nicht ein bisschen blind? Sicher: Der BVB hat anders als RB eine lange und ruhmreiche Geschichte, doch die Zeiten, dass da elf Dortmunder Jungs vom Borsigplatz tollen Fußball spielen, sind doch lange vorbei - wenn es sie denn je gegeben hat. Nicht zu vergessen: Borussia Dortmund ist der einzige deutsche Club an der Börse. Die Schwarz-Gelben setzen Hunderte Millionen Euro im Jahr um. Wenn der BVB bei RB spielt, treten da 339 Millionen gegen 62 Millionen Euro Marktwert an - nicht umgekehrt. Der Profi-Fußball, jeder weiß das, ist nunmal ein Riesengeschäft; die Bundesliga eine Geld-Liga. Selbst Zweitligist FC St. Pauli weiß sein alternatives Kiez-Club-Image bestens zu vermarkten. Wer entscheidet, welcher Geschäftsweg im Fußball der richtige, der wahre ist? 

4. RB Leipzig - Vorbild durch Nachhaltigkeit

In einer Hinsicht sind die Leipziger sogar vorbildlich: Trotz aller Möglichkeiten haben sie keinesfalls eine Mannschaft aus Top-Stars für den sofortigen Erfolg zusammengekauft. Die vielen wechselwilligen Spieler wie Hummels, Lewandowski, Götze, Schürrle, Draxler oder Gomez sind jedenfalls nicht in Leipzig gelandet. RB setzt auf eine nachhaltige Entwicklung; vielleicht würde Unternehmer Mateschitz auch von organischem Wachstum sprechen. Sieben Jahre hat es von der fünften bis in die erste Liga gedauert. Dabei hat man immer wieder auf junge, entwicklungsfähige Spieler gesetzt, die den nächsten Schritt machen können und wollen. Mit einer ganz ähnlichen Philosophie hat sich übrigens ein Traditionsclub in den vergangenen Jahren in der Bundesligaspitze zurückgemeldet: Borussia Mönchengladbach.

5. Ein A...tritt für die Traditionsvereine

Von Gladbacher Seite hört man bisher wenig über RB Leipzig. Am Niederrhein ist man offenbar gewillt, den Konkurrenzkampf anzunehmen. Eine Einstellung, die man vielen der anderen Traditionsclubs wünschen würde. Mit dem ewigen Blick zurück und dem allein aus der Dauer der Zugehörigkeit zur Liga abgeleiteten Anspruchsdenken werden Vereine wie der HSV oder Eintracht Frankfurt kaum besseren Zeiten entgegengehen. Zuletzt musste das Absteiger VfB Stuttgart leidvoll erfahren. Es wäre schön, wenn aus der grundsätzlichen Ablehnung eines "Projekt-Vereins" wie RB Leipzig ein Ansporn würde, sich der Herausforderung noch mehr als bisher zu stellen - auch von Seiten der Fans. Denn natürlich würde die Liga leiden, wenn es die elektrisierenden Traditionsderbys wie Bayern - Dortmund, Dortmund - Schalke, HSV - Werder oder Gladbach - Köln irgendwann kaum noch geben sollte.

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