Es ist noch gar nicht so lange her, da strotzte der deutsche Fußball vor Kraft. In der Bundesliga setzten der FC Bayern und Borussia Dortmund die lange und spannungsreiche Tradition der großen Liga-Duelle fort. Beide Clubs fanden sich gar im bisher einzigen rein deutschen Champions-League-Finale wieder und etwas später folgte der Triumph in Brasilien: Weltmeister! Der vierte Stern! Und die Bundesliga fast jeden Samstag ein Fest.
Und jetzt? Alles weg. Die Bayern Dauermeister, im Europacup tote Hose, viel Verhinderungsfußball. Und die Weltmeister? Blamiert. Geschichte. Wir wünschen uns natürlich etwas anderes vom deutschen Fußball und von der Bundesliga. Unsere Wünsche haben wir zu Beginn der neuen Saison, die an diesem Freitag mit dem Spiel des FC Bayern gegen die TSG Hoffenheim beginnt (20.30 Uhr/live im stern-Ticker), formuliert.
Mehr Mut! Auch und gerade gegen die Bayern
Hoffenheim kann im Eröffnungsspiel gleich damit anfangen: Schluss mit der Kaninchen-Haltung vor der Schlange FC Bayern! Dass fast alle Erstligisten Duelle mit dem Dauermeister mehr oder weniger abschenken und eine Niederlage gegen die Münchner mit einem Schulterzucken abtun, das kann doch nicht der Ernst von Profi-Fußballern sein. Hören wir nicht sonst immer den Spruch "In einem einzelnen Spiel ist immer was möglich"? Also bitte: Sucht Eure Chance! Mehr Mut! Dass man die Bayern überraschen und schlagen kann, hat doch zum Beispiel die Frankfurter Eintracht im Pokal-Endspiel eindrucksvoll bewiesen.
In ihren besten Jahren galt als Stärke der Bundesliga stets, dass jeder jeden schlagen kann. Das muss wieder der Anspruch der 18 Erstligisten sein; vor allem aber der Anspruch von Dortmund, Schalke, Leverkusen, Leipzig und Hoffenheim, auch Gladbach und Werder Bremen. Das wäre gut für uns Zuschauer, für die Liga, den deutschen Fußball und sogar für den FC Bayern. Den Münchnern hilft es jedenfalls nicht, wenn erst im Viertelfinale der Champions League ein Gegner kommt, der sie wirklich fordert.
Weg mit dem Verhinderungsfußball
Das Problem der Bayern war und ist gleichzeitig eines der größten in der Liga: das sportlich zum Teil schwache Niveau. Das Thema wurde in der abgelaufenen Saison nicht umsonst am heißesten diskutiert. Der gemeine Fan musste einfach zu viel ödes Gekicke ertragen. Zu deutlich traten die Unterschiede zur spanischen Primera Division oder zur englischen Premier League zu Tage. Dort gab es oft hinreiße Fußball-Schlachten (besonders auf der Insel), während die Bundesliga zu häufig im Dauerpressing erstickte. Diese moderne Form des Betonfußballs ist als Dauererscheinung nervtötend, die Attraktivität des Spiels leidet. In der Fachsprache ist dann vom "gegenseitigen Neutralisieren" die Rede - für den Zuschauer ist es eine Qual. Dazu gesellt sich ein weiteres Problem: die Qualität der Spieler. Sie scheint sich in der Gegenwart in erster Linie an taktischer Disziplin zu messen, und nicht so sehr an individueller Klasse. Der Qualitätsmangel ist aber auch in den stärkeren Mannschaften zu beobachten. Das schwache Abschneiden in den internationalen Wettbewerben war ein Beleg dafür. Bitte, liebe Trainer, lasst die Spieler öfter mal von der Leine und seid nicht nur an der Verhinderung des gegnerischen Angriffs interessiert.
Mehr Spannung, mehr Unterhaltung
Das führt zum nächsten Problem. Die Langeweile in der Liga zeigt sich ja nicht nur beim Titelkampf (siehe unten), sondern ebenfalls in den anderen Entscheidungen. Nach dem 30. Spieltag der vergangenen Saison gab es exakt noch zwei wichtige Verschiebungen. Hoffenheim kletterte vom sechsten auf den dritten Rang, statt Europa League spielt das Nagelsmann-Team in der aktuellen Spielzeit in der Champions League. Leverkusen fiel dafür auf den fünften Platz zurück. Und Wolfsburg rutschte auf den Relegationsplatz ab (am 32. Spieltag). Das war's. Ein spannendes Saisonfinale sieht anders aus. Auch das hat viel mit sportlicher Qualität und taktischer Erstarrung zu tun.
Ein Ohr für die Fans - keine Montagsspiele
Schon seit einiger Zeit ist es ein Tabu-Thema in der Bundesliga, aber der Strom der Zuschauer ebbt ab. Reden wollen die Bosse darüber nicht; so wie sie offenbar auch sonst nicht wahrhaben wollen, dass das "Premienprodukt Bundesliga" (Leverkusen-Ikone Reiner Calmund) kein Selbstläufer mehr ist. Ein Grund dafür liegt auf der Hand: "Dass die Zuschauer zum Fußball gehen, weil sie nicht wissen, wie das Spiel ausgeht, stimmt eben auch in der Umkehrung. Sie bleiben weg, wenn immer nur der FC Bayern Meister wird", schrieb stern-Stimme Philipp Köster schon im Frühjahr.
Aber auch sonst vermitteln die Deutsche Fußball-Liga (DFL) als Träger der Bundesliga und der DFB nicht gerade den Eindruck, noch allzu sehr auf die zu hören, die der ganzen Veranstaltung letztlich die Atmosphäre verleihen: die Fans und Zuschauer. Protest hin oder her: Montagsspiele sind eingeführt, sieben verschiedene Anfangszeiten gibt es damit in der Bundesliga, immer noch ein Bezahlsender mehr, der Übertragungsrechte bekommt. Fan-Organisationen haben oft mehr als deutlich gemacht, dass die Kommerzialisierung der Liga an seine Grenze gestoßen ist. Viele Fans bekennen, lieber zum Amateur-Fußball zu gehen. Und doch wurden zur neuen Saison Montagsspiele auch in der 3. Liga eingeführt. Die beinharte Fanszene hat jüngst Gespräche mit DFL und DFB beendet und Proteste angekündigt. Dieses Gegeneinander macht überhaupt keinen Sinn. Wer gegen sein Publikum arbeitet, wird es irgendwann verlieren. Wir plädieren für mehr Miteinander, einen fanfreundlichen Spieltag, wozu der Verzicht auf Montagsspiele zählt.

Sportsgeist, bitte! Die Reklamiererei nervt nur noch
Schluss mit dieser elenden Reklamiererei. Ehrlich, ich kann's nicht mehr sehen. Dieses Hinfallen beim kleinsten Kontakt, dieses Jaulen und Jammern beim Referee von Menschen, die just ein wenig am Trikot gezupft worden sind, die aber so tun, als ob sie vom Bus überfahren worden wären. Genauso ärgerlich: das rituelle Armheben, wenn ein Ball ins Aus gesprungen ist - selbst dann noch, wenn jeder, aber auch wirklich jeder, im Stadion gesehen hat, dass der Spieler mit dem roten Trikot den Ball auf die Tribüne gekloppt hat. Auch lästig: Trainerteams, die wie eine wild gewordene Büffelherde von der Bank aufspringen, wenn ein Foul an der Seitenlinie stattfindet. Und am nervigsten: Dem Schiedsrichter mit der Geste einer imaginären Karte vorm Gesicht rumwedeln und die Bestrafung des gegnerischen Sünders fordern.
Leute, Fußball ist Sport. Im Englischen gibt es diesen wunderbaren Begriff "sportsmanship" - Sportsgeist - wie wäre es, wenn Ihr Euch alle da unten auf dem Platz mal wieder daran erinnern würdet.
Und wo wir schon bei der Sportlichkeit sind: Keinesfalls dazu gehören diese hinterhältigen Profi-Fouls, diese lästige Eigenart, dem Gegenspieler wirklich bei jedem Zweikampf mit Absicht auf den Fuß zu steigen. Was der Schiri zwar nie sieht, der Gegner aber stets schmerzhaft spürt. "Sich Respekt verschaffen", sagt man wohl dazu. Vielleicht würden die Trainer ja mal ganz gut daran tun, ihren Jungs zu erklären, auf welche Weise man sich Respekt verdient. Jedenfalls nicht mit vorsätzlicher Körperverletzung.
Auch das: Ein anderer Meister, wenigstens ein Duell
Nur, damit wir es mal gesagt haben: Natürlich wäre es schön, wenn der FC Bayern diesmal nicht die Schale gewinnen würde. Unwahrscheinlich natürlich, aber man darf es sich ja zumindest wünschen. Vielleicht schafft es Lucien Favre, den BVB wenigstens zu einem Konkurrenten zu formen - zumal Niko Kovac und die Bayern sich ja noch finden müssen. Oder ein anderes Team hat einen Lauf wie einst Stuttgart oder Wolfsburg - die Einmal-Meister des vergangenen Jahrzehnts.
Ein frommer Wunsch sicherlich. Der Saison täte es aber gut, und für die Liga wäre es eine Frischzellenkur.