Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) hält es für erwiesen, dass mindestens vier Spiele manipuliert worden sind. Außerdem hat DFB-Sprecher Harald Stenger erstmals den Verdacht eines Betrugs bei einem Spiel der ersten Bundesliga bestätigt.
Der Essener Schiedsrichter Jürgen Jansen stehe im Verdacht, die Begegnung Kaiserslautern gegen Freiburg im November manipuliert zu haben, sagte Stenger. Dies gehe aus der Aussage des zurück getretenen Schiedsrichters Robert Hoyzer hervor. Darüber hinaus habe Jansen angeblich die Zweitliga-Partie Dresden gegen Unterhaching verschoben. Der Berliner Schiedsrichter Dominik Marks werde beschuldigt, die Spiele Karlsruher SC gegen Duisburg (Zweite Liga) und Hertha Amateure gegen Bielefeld (Regionalliga) manipuliert zu haben. Der KSC wird gegen die Wertung der Begegnung Protest einlegen. Dies kündigte Manager Rolf Dohmen in einer Presseerklärung an.
Laut DFB-Präsident Theo Zwanziger, handelt es sich bei den weiteren manipulierten Spielen um die Regionalliga-Begegnungen Wuppertaler SV - Werder Bremen Amateure und Eintracht Braunschweig - FC St. Pauli aus der Saison 2003/2004, um das Zweitliga-Spiel LR Ahlen - Wacker Burghausen (22. Oktober 2004) und um das Erstrunden-DFB-Pokalspiel SC Paderborn - Hamburger SV (21. August 2004). Zwanziger bezog sich dabei auf die Akteneinsicht des DFB bei der Staatsanwaltschaft in Berlin.
In seiner ersten Verhandlung wird das DFB-Sportgericht am 11. Februar in Frankfurt/Main über eine mögliche Wiederholung des von Hoyzer manipulierten DFB-Pokalspiels SC Paderborn - Hamburger SV entscheiden. Diesen Termin bestätigte DFB-Mediendirektor Harald Stenger am Abend.
Weitere Spielmanipulationen versucht
Die erwiesene Manipulation stützt sich auf das Geständnis des Berliner Schiedsrichters Robert Hoyzer, der die vier Begegnungen geleitet hat. Hoyzer hat mit einer als Wettmafia bezeichneten Gruppierung zusammen gearbeitet. Drei kroatische Brüder sitzen wegen des Verdachts des Wettbetrugs bereits in Untersuchungshaft.
Wie Zwanziger weiter mitteilte, sei bei den Spielen SC Paderborn - Chemnitzer FC am 22. Mai 2004 (Regionalliga) und SpVgg Unterhaching - 1. FC Saarbrücken (28. November 2004/2. Bundesliga) der Manipulationsversuch von Hoyzer misslungen. Die Zweitliga-Partie MSV Duisburg - SpVgg Greuther Fürth (26. September 2004) habe das von Hoyzer gewünschte Ende gefunden, ohne dass er manipulieren musste. Zudem habe Hoyzer seine Schiedsrichterkollegen Jürgen Jansen und Dominik Marks belastet, jeweils zwei Spiele manipuliert zu haben. Außerdem belastet Hoyzer den Schiedsrichter Felix Zwayer und den Schiedsrichter-Betreuer Wieland Ziller.
Welche Konsequenzen aus den manipulierten Spielen gezogen werden, ist noch unklar. Die Ermittlungen im Wettskandal der Fußball-Bundesliga laufen weiter auf Hochtouren. Beinahe täglich kommen neue Namen von Verdächtigten ins Spiel - Spieler, Schiedsrichter und Funktionäre. Welche Ausmaße der Skandal am Ende annehmen wird ist nicht absehbar.
Kurzfristig hat der Deutsche Fußball-Bund (DFB) mit der Sperre der drei unter Manipulationsverdacht stehenden Schiedsrichter reagiert. Der davon betroffene Referee Jürgen Jansen hat in diesem Zusammenhang schwere Vorwürfe gegen den DFB erhoben. Er fühlt sich als "Bauernopfer" und beteuert nach wie vor seine Unschuld.
Jansen kritisierte das Krisenmanagement des DFB und den Umgang mit seiner Person scharf: "Ich fühle mich als Schiedsrichter vom DFB absolut allein gelassen", sagte der Unparteiische aus Essen. "Beim DFB zieht man sich zurück in ein Mauseloch und sieht zu, wie jemand geschlachtet wird." Jansen betonte: "Ich habe nicht getan, was man mir vorwirft. Und ich will tot umfallen, wenn es anders ist."
"Werde wieder aufstehen"
"Ich bin mit Leib und Seele Schiedsrichter, hab mit 15 Jahren meine Prüfung gemacht, bin jetzt 44, hab alle Klassen gepfiffen und meinen Buckel hingehalten. Ich hab sicherlich ein breites Kreuz, aber das ist mein schwerstes Spiel", sagte der Referee. "Hier geht es nicht mehr um Fußball, sondern auch darum, einen Menschen fertig zu machen." Er sieht sich als "Bauernopfer". "Ich werde auch in dieser schweren Zeit wieder aufstehen. Ob noch mal als DFB-Schiedsrichter, das wird man sehen." Im Moment empfinde er nur "absolute Leere und Traurigkeit".
Die Berliner Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Jansen im Zuge des Wettskandals um den Schiedsrichter-Kollegen Robert Hoyzer. Jansen ist von Hoyzer angeblich im Zusammenhang mit dem Bundesliga-Punktspiel 1. FC Kaiserslautern - SC Freiburg (3:0) am 27. November 2004 belastet worden.
Der Schiedsrichter-Lehrwart des DFB, Eugen Strigel, verteidigte dagegen die vorübergehende Nichtberücksichtigung der drei Schiedsrichter. Der DFB-Verantwortliche argumentierte, dass dieses Vorgehen auch im Interesse der betreffenden Schiedsrichter sei. Unter diesen Umständen sei ihnen der Druck in den Stadien und von den Medien nicht zuzumuten. Dies gelte, bis die Vorwürfe vollständig aufgeklärt seien.
Dies bedeute aber keineswegs, dass der Deutsche Fußball-Bund die Vorwürfe gegen sie für berechtigt halte. Sein Vertrauen sei zwar nach dem Fall Robert Hoyzer sehr erschüttert, sagte Strigel weiter. Er gehe aber nach wie vor von einem Einzelfall aus und erwarte, dass dieser aufgeklärt werde und so etwas nie wieder vorkomme.
Aber nicht nur beim DFB macht man sich derzeit Gedanken, wie man in der Zukunft Spielmanipulationen verhindern kann. Auch die Politik beschäftigt sich jetzt mit diesem Thema.
Beck fordert Frühwarnsystem
Aus der Politik kommt der Ruf nach einem Frühwarnsystem für ungewöhnliche Wetteinsätze. Der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck (SPD) fordert: "Wir müssen das Lotterie-Frühwarnsystem auf neue Gleise setzen." Die Ministerpräsidenten würden sich dem Thema annehmen, kündigte der Politiker an und warnte bei einem Einbrechen der Wetteinsätze vor finanziellen Einbußen für die Länderhaushalte.
Lotto-Wetten hätten "eine Bedeutung für unser Gemeinwesen", warnte Beck vor einem drastischen Rückgang der Sportwetten, deren Einsätze zum Teil in die Länderhaushalte fließen und dort für soziale und kulturelle Aufgaben eingesetzt werden. "Wir dürfen den Fans den Spaß am Wetten nicht nehmen." Der Ministerpräsident forderte eine detaillierte Aufklärung des Falls.
Becks Vorschlag stößt auch bei DFB-Präsident Theo Zwanziger auf Unterstützung. Der DFB müsse in Zukunft "wesentlich sensibler werden, was die Wettquoten angeht", forderte der Sportfunktionär. An dem staatlich anerkannten Wettbetreiber "Oddset" als Sponsor der Fußball-Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland wolle er aber nach wie vor festhalten: "Wenn die das genauso aufarbeiten wie wir, werden wir sogar gestärkt aus der Sache hervorgehen."
Zwanziger fügte hinzu, dass man nicht einfach zur Tagesordnung übergehen könne, bis der Fall aufgeklärt sei. "Wenn die Menschen das Gefühl haben, dass der Fußball käuflich ist, dann ist er kaputt", warnte der DFB-Funktionär.