Zugegeben, es ist eine ziemlich abgenutzte Floskel, wenn Politiker den Rücktritt eines Amtsträgers mit den Worten quittieren: "Wir zollen der Entscheidung Respekt." So ganz inhaltsleer ist der Satz aber doch nicht. Das hat Rudi Völler am vergangenen Wochenende sehr deutlich gemacht. Da verkündet mit Marcell Jansen ein Fußballprofi in vergleichsweise jungen Jahren sein Karriere-Ende, und der Manager von Bayer Leverkusen hat nichts anderes zu tun, als den 29-Jährigen öffentlich abzukanzeln: "Wer sowas macht, der hat den Fußball nie geliebt."
"Was erlaube Völler?!", möchte man frei nach der legendären Wutrede von Ex-Bayern-Coach Giovanni Trapattoni fragen. Von allem Fußballerischen abgesehen, steht Völler ein solches Urteil schlicht nicht zu. Marcell Jansen hat selbstverständlich das Recht, frei über seinen Lebensweg zu entscheiden - so wie wir alle. Er hat eine absolut respektable Karriere als Bundesligaprofi bei namhaften Vereinen und als Nationalspieler, der aktiv an Welt- und Europameisterschaften teilgenommen hat, hinter sich. Nun einen neuen Lebensabschnitt zu beginnen, ist eine nachvollziehbare und vor allem persönliche Entscheidung. Was, bitte schön, gibt es daran zu kritisieren?
Fußball ist toll, aber nicht alles im Leben
Völler hält Jansens Schritt für einen "Schlag ins Gesicht für jeden Jugendlichen, der Fußballprofi werden will". Das Gegenteil ist richtig. Tagaus, tagein wird den Bundesligaprofis - wohlgemerkt: allesamt sehr junge Männer, deren Lebenserfahrung im wesentlichen vom Fußball geprägt ist - verantwortliches und vorbildhaftes Verhalten abverlangt. Genau das zeigt Marcell Jansen. Er hat seinen Traum vom Fußballprofi gelebt. Alles, was jetzt noch kommt, wäre voraussichtlich mehr vom Selben. Stattdessen stellt sich der gebürtige Gladbacher einer neuen Herausforderung und arbeitet an seiner beruflichen Zukunft. Zudem betont er, dass "mein Leben schon vor meiner Karriere als Profi mindestens genau so lebenswert war." Fußball ist toll, aber er ist nicht alles im Leben. Vorbildlicher kann ein Profi in der Öffentlichkeit kaum auftreten.
Dass Rudi Völler, immerhin Weltmeister von 1990 und Ex-Nationalcoach, Jansens Verhalten derart scharf kritisiert, ja "für einen Schlag ins Gesicht für jeden Sportinvaliden" hält, ist entlarvend für den Profifußball hierzulande. Wer sich nicht bis ins Letzte ins System fügt, dem Götzen unverhohlen huldigt, allen Konventionen widerspruchslos genügt, ja gar ein Leben außerhalb der Fußball-Maschinerie für erstrebenswert hält, erlebt Ausgrenzung und Verachtung. Völlers Signal sei falsch, hat Marcell Jansen gesagt. Man dürfe Spielern nicht zu etwas raten, wovon sie nicht überzeugt seien. Das gilt übrigens auch außerhalb des Fußball-Geschäfts. Rudi Völler, obwohl der deutlich Ältere, hat das allem Anschein nach noch nicht verstanden. Marcell Jansen sehr wohl. Seine Entscheidung verdient Respekt.