Ölimport Deutschland emanzipiert sich von der Opec

Die Erschließung von Ölreserven in der Nordsee und die Ausweitung der Importe aus Russland haben die deutsche Abhängigkeit von Opec-Importen verringert. Preislich hat sich die neue Unabhängigkeit jedoch nicht ausgezahlt.

Für Deutschland, das 97 Prozent seines gesamten Ölbedarfs durch Importe decken muss, haben die Einfuhren aus den Opec-Staaten in den letzten Jahrzehnten an Bedeutung verloren. So stammten Anfang der 70er Jahre noch mehr als 90 Prozent der Öleinfuhren aus einem Mitgliedsland der Organisation erdölexportierender Länder (Opec). Mittlerweile beträgt der Anteil aber nur noch 20 Prozent. Leider hat sich diese Unabhängigkeit preislich nicht ausgezahl: zwar stieg der Preis für Opec-Rohöl in den letzten zwei Jahren um 87,6 Prozent. Die Ölimporte insgesamt verteuer sich aber noch stärker - um 90,8 Prozent.

Wichtigstes Lieferland ist Russland

Grund für die sinkende Abhängigkeit ist die Erschließung von Ölreserven in der Nordsee und die Ausweitung russischer Importe. 2004 importierte Deutschland insgesamt rund 110 Millionen Tonnen Rohöl. Mit 37,1 Millionen Tonnen war Russland das wichtigste Lieferland, gefolgt von Norwegen und Großbritannien. Erst auf dem vierten Platz folgt mit Libyen ein Opec-Mitglied.

Dennoch lässt die Opec wegen der weltweit anhaltenden Nachfrage - vor allem aus den USA und Asien - ihre Fördermengen unverändert: Ihre Ölproduktionsmenge bleibt knapp unter ihrer maximalen Kapazität von 28 Millionen Barrel pro Tag, teilte der algerische Energieminister Chakib Khelil mit. Auch der Iran habe trotz des internationalen Streits um sein Atomprogramm zugestimmt. Mit der Entscheidung für eine unveränderte Menge wollen die in Wien versammelten Vertreter des Ölkartells offenbar dazu beitragen, den jüngsten Preisanstieg bei Öl einzudämmen und die Sorgen der Verbraucher zu zerstreuen. Der Preis für ein Barrel US-Leichtöl ging etwas zurück, blieb aber über der 68-Dollar-Marke.

Heizöl wurde fast zwei Drittel teurer

Mit den Preiserhöhungen bei Rohöl verteuerten sich in den vergangenen beiden Jahren auch sämtliche Mineralölprodukte. Sostiegen die Tankstellenpreise für Normalbenzin und Super jeweils um knapp 16 Prozent, Diesel verteuerte sich sogar um mehr als ein Viertel, leichtes Heizöl um fast zwei Drittel.

Gegenwärtig fördern die elf Opec-Mitglieder, einschließlich des Iraks, knapp 30 Millionen Barrel pro Tag. Damit sei der Welt-Ölmarkt überversorgt, weiß Ehsan ul-Haq vom internationalen Energie-Berater PVM in Wien. Mit dem Ende des Winters in Europa und Nordamerika sinkt die Nachfrage gewöhnlich nochmals deutlich. Eine Senkung der offiziellen Förderquoten im zweiten Quartal wäre in dieser Lage eigentlich angesagt, heißt es aus dem Opec-Sekretariat in Wien. Doch eine Quotensenkung in der gegenwärtigen politischen Lage könnte den Preis für das "Schwarze Gold" in ungeahnte Höhen treiben.

"In dieser Frage sind wir zerrissen"

"In dieser Frage sind wir zerrissen", gibt Opec-Sprecher Ibrahim zu: "Es ist eine Frage der Psychologie. Einerseits fürchten die Mitglieder einen starken Preisverfall im zweiten Quartal, andererseits sehen wir auch die geopolitische Lage. Wir wollen natürlich nichts tun, was den weltweiten Konjunkturaufschwung in Gefahr bringen könnte." Schon die Angst vor einer möglichen Zuspitzung des Konflikts mit dem Iran, die schweren Unruhen im Ölfördergebiet Nigerias und die kalten Winter in Europa trieben den Preis für ein Barrel im Januar wieder in Rekordnähe. Wirtschaftssanktionen gegen den Iran, wie sie zuletzt Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier angedroht hat, könnten zu einem Lieferstopp iranischen Erdöls führen, so fürchtet nicht nur der Westen.

"Der Iran ist kein reiches Land"

Die rund vier Millionen Barrel, die Teheran produziert, könnten selbst dann nicht durch Opec-Rohöl ausgeglichen werden, wenn Saudi-Arabien und andere Golfländer ihre vorhandenen Kapazitäten voll ausschöpfen. "Opec hat eine maximale Reserve von 2,5 Millionen Barrel, und auch die könnte aus technischen Gründen nicht auf Dauer ausgenutzt werden", so PVM-Analyst ul-Haq.

Doch der Experte glaubt nicht daran, dass der Iran wirklich den Ölhahn komplett zudreht, falls die IAEO im Atomstreit tatsächlich den Sicherheitsrat einschaltet. "Der Iran ist kein reiches Land, das es sich leisten kann, auf die Öl- und Gasexporte zu verzichten." Zumal etwa die Hälfte davon nach Asien - vor allem nach China - geht, das bisher Teherans Interessen im Atomstreit mit der EU leise aber deutlich vertreten hat. "Denkbar wäre, dass der Iran im Falle von Wirtschaftssanktionen durch den Westen nur den Europäern den Ölhahn zudreht", so ul-Haq. China könnte dann eventuell das überschüssige iranische Öl abnehmen. "Doch damit würde dann wiederum anderes Rohöl für den Weltmarkt frei."

"Es steht jedem Mitglied frei, der Konferenz Vorschläge zu machen"

Zumindest theoretisch dürfte also auch ein Stopp der iranischen Lieferungen an Europa nicht zu Engpässen und explodierenden Preisen führen. Die übrigen Opec-Mitglieder freilich würden durch eine solche Aktion in politische Nöte gebracht. Schon an diesem Dienstag könnten sie mit der Forderung des Irans konfrontiert werden, die Quoten deutlich zu senken. "Es steht jedem Mitglied frei, der Konferenz Vorschläge zu machen", sagt Opec-Sprecher Ibrahim zu. "Wir setzen uns zusammen, beraten darüber und entscheiden dann."

Welchen Entschluss das Kartell fassen wird, ist ungewiss. Saudi-Arabien, als größter Produzent, will die offizielle Quote für die zehn OPEC-Mitglieder (ohne Irak) zunächst unverändert bei 28,5 Millionen Barrel belassen. Nigeria wird sich für eine Quotensenkung aussprechen. "Wir werden bei unserem Treffen nicht nur auf den täglichen Preis achten, sondern auf die Voraussagen zum zweiten Quartal", sagte der amtierende OPEC-Präsident und nigerianische Ölminister Edmund Daukoru dem "Handelsblatt" am Rande des Weltwirtschaftsforums in Davos. Zunächst aber, so glauben OPEC-Analysten in Wien, könnten die Minister eine Entscheidung vertagen - auch um die Entwicklung in der Atomkrise mit Iran abzuwarten.

Opec verständigt sich auf unveränderte Öl-Produktion

Die Opec, inklusive dem Iran, habe sich darauf verständigt, die Ölproduktionsmengen nahe den 28 Millionen Barrel pro Tag zu belassen, so ein Opec-Vertreter. Mit der Entscheidung für eine unveränderte Menge wolle die Opec dazu beitragen, den jüngsten Preisanstieg bei Öl einzudämmen und die Sorgen der Verbraucher zu zerstreuen.

Reuters/DPA