Man mag darüber diskutieren, ob man eine weitere Premiummarke auf dem europäischen Markt vermisst hat. Einige haben es versucht - alle sind bisher gescheitert. Zuletzt zog sich Infiniti aus dem alten Kontinent zurück. Acura als schicke Honda-Marke hat es nach jahrlangen Analysen gar nicht erst versucht und Lexus macht exzellente Fahrzeuge - spielt in Sachen Stückzahlen jedoch keinerlei Rolle. Cadillac? Unsichtbar. Jetzt also der Hyundai-Konzern mit seinem Luxusmodell Genesis, das Mitte der 2010er Jahre vom edlen Modell zur eigenen Marke aufstieg. In Asien und den USA ist Genesis bereits erfolgreich unterwegs - in Europa dürfte es gegen Audi, BMW und Mercedes einmal mehr schwierig werden und selbst die zweite Liga mit Marken wie Volvo oder Jaguar / Land Rover dürfte den Koreanern zusetzen. Dabei verzichtet Genesis auf ein echtes Händlernetz, bietet drei Luxusshops in München, Zürich und London - keine leichte Aufgabe, die edlen Karossen unter die Leute mit Geld zu bringen. Daran ändern auch fünf Jahre Garantie und ein Hol-Bring-Service nicht viel.
An den Modellen dürfte es danach erst einmal nicht liegen, denn das Erstlingswerk Genesis GV80, ein Luxus-SUV mit unüberschaubaren Ähnlichkeiten zu Bentley Bentayga und dessen Bruder Audi Q7, ist ein beeindruckend gutes Fahrzeug. An der Ampel in Graz wird ebenso geschaut wie in München oder an der kroatischen Grenze. Mehr als ein einmal geht der Daumen der Passanten hoch. Während sich die europäischen Edelmarken zunehmend ihrer exzellenten Dieseltriebwerke zu schämen scheinen und so tun, als ginge ohne einen Elektrostecker nichts mehr, sieht das beim GV80 ganz anders aus. Der 4,95 Meter lange Luxus-Crossover wird von einem drei Liter großen Commonrail-Diesel befeuert, der - aus dem Boxensystem akustisch unterstützt - imposant klingt und mit 204 kW / 278 PS ausreichend Leistung bietet. Mit seinen 588 Nm maximalen Drehmoment an niedrigen 1.500 U/min dreht er kraftvoll an und beschleunigt für die stattlichen 2,3 Tonnen Leergewicht allemal imposant in 7,5 Sekunden auf Tempo 100 und erreicht eine Höchstgeschwindigkeit von etwas zurückhaltenden 230 km/h. Da bietet die Konkurrenz mehr. Wenige Kunden dürften sich für die andere Motorvariante des GV80 interessieren, denn ein 2,5-Liter-Vierzylinder erscheint in dieser Klasse trotz 306 PS als eine wenig imageträchtige Besetzung, die an sich in die Klasse darunter gehört. Dann lieber den Selbstzünder, der sehr gut passt und mit einem Normverbrauch von 8,5 Litern Diesel Fahrspaß ohne finanzielle Reue bietet.
Wer sich das Innere des Koreaners anschaut, bemerkt allzu bekanntes - sehr gut verarbeitet und wohlig anzufassend. Die digitalen Instrumente könnten ebenso wie die Klimabedienung aus dem aktuellen BMW 7er stammen und bei Design, Sitze und leicht barockem US-Charme kommen unweigerlich Erinnerungen an den Bentley Bentayga hoch, der in der gleichen Dimension unterwegs ist, jedoch mit bulligen Acht- und Zwölfzylindern die Gegner das Fürchten lehrt. Der sonor brummende Sechszylinder zeigt, dass eben auch knapp 280 PS und 588 Nm reichen, um flott unterwegs zu sein. Dabei genießt man das betont komfortabel abgestimmte Fahrwerk, mit dem der Luxus-SUV zu einem echten Kilometerfresser mutiert. Unterstützt von der sehr guten Geräuschdämpfung reist es sich gerade auf langen Strecken entspannt und kommod.
Fahrwerk nicht entsprechend
Doch das Fahrwerk kann nicht nur glänzen, denn bei kleinen Stößen und Unebenheiten sorgt insbesondere die Räder-Reifen-Kombination mit Pneus im Format 265/40 R 22 auf holprigen Landstraßen oder Ortsdurchfahrten für Ärgernis. Gerade die Vorderachse zeigt sich für ein Fahrzeug der Luxusklasse ungewöhnlich stößig und anfällig für jede Art von Unebenheiten. Unterstützt wird das von einer Nick- und Wankneigung, die die meisten Wettbewerber in dieser Klasse weitgehend hinter sich gelassen haben. Hier zeigt es sich ebenso wie der leichtgängigen Lenkung, dass der GV80 in erster Linie für den Hauptmarkt USA sowie Asien entwickelt wurde. Die nötige Feinabstimmung fehlt auch bei der Fahrunterstützung von Lenkung und Spurhaltung. Hier wird immer wieder wenig filigran ins Steuer eingegriffen, was zusammen mit einem Piepton für das Überfahren von Begrenzungslinien nervt. Hier sollte das Entwicklungsteam noch einmal ran.
Zum entspannten Gesamtpaket passt der edle Innenraum, der zwar Ähnlichkeiten zum Bentley Bentayga zeigt, an dessen Sitzkomfort jedoch schon aufgrund der kleineren Verstellmöglichkeiten der Stühle nicht ganz heranreicht. Das Zwei-Speichen-Lenkrad ohne jedweden dynamischen Anspruch ist ebenso Geschmacksache wie die alles andere als eingängige Bedienung, denn es ist bisweilen recht zäh, sich durch die Menüs zu wühlen, um Einstellungen zu ändern oder Funktionen zu finden. Sehr gut funktioniert hingegen die Sprachbedienung, die den Worten der Insassen auf den Punkt folgt und über den seltsamen Controller in Form eines frühen iPod hinwegtäuscht, der besser aussieht, als er sich Im Einsatz zeigt. Zwar ist der 14,3 Zoll große Flachbildschirm in der Armaturentafel ein Touchscreen, aber zu weit von Fahrer und Beifahrer entfernt, als dass er sich bequem bedienen ließe.
Sogra mit dritter Reihe
Das Platzangebot ist ebenso luxuriös wie die Ausstattung. Es sitzt sich vorn wie hinten überaus bequem und einzig die kaum spürbare Sitzbelüftung und eine recht schwache Massagefunktion vorn sorgt für leichte Abzüge. Dagegen ist der ebenso großzügige Laderaum eine echte Schau, der sich von stattlichen 735 auf bis zu 2.152 Liter erweitern lässt. Ebenfalls in erster Linie für den US-Markt ist die optionale dritte Sitzreihe gedacht, die sich aus dem Laderaum ausklappen lässt. Der Basispreis des bereits gut ausgestatteten Genesis GV80 Premium mit fünf Sitzen liegt bei 63.400 Euro. Die meisten Kunden dürften sich für den 3.0d Luxury entscheiden, der bei 70.100 Euro beginnt. Edel bleiben die Nappaledersitze (2.580 Euro), bei dem auch Dachhimmel, Säulen und Sonnenblenden mit Velourleder bespannt sind und das Innovation Pack, das für 4.280 Euro unter anderem Head-Up-Display, animierte Instrumente, Fahrerassistenzsysteme und kabelloses Laden.