Wer in den kommenden elf Tagen über den Autosalon im schweizerischen Genf schlendert, darf sich über extrabreite Gänge und viel Platz für Besucher freuen. Cafés lockern die Reihen der gewöhnlich autobepackten Stände der Hersteller auf. Vereinzelt gibt es kleine Sonderausstellungsflächen oder es werden gar restaurierte Gebrauchtwagen feilgeboten.
Vor wenigen Jahren wäre das undenkbar gewesen: Jeder Quadratmeter der begrenzten Ausstellungsfläche war umkämpft. Der Volkswagen-Konzern begegnete dem Platzmangel sogar mit dem Bau eines eigenen Büro- und Konferenztraktes neben der bevorzugten Messehalle. Millionen Euro wurden dafür investiert. Einmal im Jahr schloss man die Räume für wenige Tage auf, sonst standen sie leer.
Wichtige Hersteller fehlen
Inzwischen ist Platz kein Problem mehr: Fast alle Marken haben ihre Ausstellungen geschrumpft. Und manche Hersteller sind gar nicht mehr vertreten: Ford etwa, oder Hyundai, Opel und Volvo – um die wichtigsten zu nennen. Sie sparen sich den Aufwand glitzernder Messebauten, verzichten auf die Publikumswirkung und die PR, zumindest zum Teil.
Volvo gelang nämlich das Kunststück, auch ohne vertreten zu sein, die Diskussionen auf der Messe zu bestimmen: CEO Hakan Samuelson hatte vor Beginn der Show verkündet, seine Autos künftig aus Sicherheitsgründen alle bei Tempo 180 abzuregeln, also eine Art freiwilliges Tempolimit einzuführen. Er lud die anderen Hersteller sogar frech ein, es ihm gleich zu tun.
Messen kämpfen seit Jahren
Das Wehklagen (zumindest des deutschen Teils) der Branche war sofort deutlich zu vernehmen – und der PR-Coup des Schweden damit gelungen. Dass so eine Einschränkung sowieso nur auf deutschen Autobahnen von Bedeutung ist, weil in allen Ländern gesetzliche Tempolimits gelten: egal. Und dass es bei den eigenen Kunden so gut wie keine Rolle spielt, weil Volvos, die mit 200 Sachen über die linke Spur brettern, selten zu sehen sind: geschenkt.
Das Messesterben hat nicht erst in Genf begonnen: Schon seit einigen Jahren kämpfen die Übersee-Veranstaltungen wie Tokyo und Detroit mit Absagen europäischer Konzerne. Und im vergangenen Herbst blieben auch große deutsche Hersteller der traditionsreichen Auto-Messe in Paris fern, die alle zwei Jahre, abwechselnd mit der Internationalen Automobil-Ausstellung (IAA) in Frankfurt stattfindet.
Sorge um die IAA
Für die IAA bedeutet das nichts Gutes: Nach jetzigem Stand könnte sie zu einer ziemlich nationalen Veranstaltung werden, denn fast alle internationalen Hersteller haben bereits abgesagt: Toyota, Rolls-Royce, Aston Martin, Nissan, Mazda, Renault, Dacia, Mitsubishi, Chevrolet, Cadillac, Peugeot, Citroën und DS wollen 2019 nicht in Frankfurt ausstellen. Weitere Hersteller spielen zumindest mit dem Gedanken einer Absage. Und auch deutsche Marken gestalten ihre einst opulenten Auftritte inzwischen bescheidener: BMW reduzierte seinen Flächenbedarf von 11000 auf rund 300 Quadratmeter. Manches Autohaus bietet da mehr.
Auch Daimler-Chef Dieter Zetsche denkt über den Nutzen der teuren Auftritte nach. Dem stern sagte er: „Die Messen werden sich sicher was einfallen lassen müssen, weil das Format nicht mehr funktioniert.“ Die Messe Genf hat die frei werdenden Flächen einigermaßen gefüllt, allerdings sicher nicht zu den Standpreisen vergangener Jahre.
Autos, die keiner braucht
Luxusflitzer statt Mobilität für alle
Eine Vielzahl neuer, kleiner Marken ist dort jetzt am Start. Die Mehrzahl zeigt ziemlich gleich aussehende Sportwagenkonzepte mit überbordender Leistung, wenig Nutzwert und exorbitanten Preisen (siehe Fotostrecke). Fahrzeuge also, die man so gut wie nie auf der Straße sehen wird und die weder technisch noch vom Nutzungskonzept her in die Zukunft blicken – selbst wenn überraschend viele Strom als Energiequelle nutzen. Das zweisitzige 1000-PS-Monster das Format der Automobilmesse retten werden, ist wohl eher unwahrscheinlich.
