Alle paar Jahre stellten sich Gamer die gleiche Frage: Xbox oder Playstation? Der Kauf einer mehrere Hundert Euro teuren Konsole wollte gut überlegt sein, schließlich legt man sich mit der Box jahrelang auf eine Plattform fest. Mit jeder neuen Konsolen-Generation wurden die Karten neu gemischt, zuletzt hatte Sony mit der Playstation 4 die Nase vorne. Doch was Microsoft nun auf der E3 in Los Angeles - der größten Videospielmesse der Welt - vorstellte, könnte die Gaming-Branche, wie wir sie kennen, grundlegend verändern.
Der Konzern stellte mit Project Scarlett eine leistungsstarke Konsole vor, die zum Weihnachtsgeschäft 2020 auf den Markt kommen und Sonys Playstation 5 Konkurrenz machen soll. Sie ist technisch beeindruckend, ohne Frage. Die eigentliche Revolution ist aber eine andere: Wie schon bei Musik und Serien werden nun auch Videospiele von der Streaming-Technologie erfasst.
So wie die DVD-Player und Hifi-Anlagen aus den Wohnzimmern verschwanden, könnte in Zukunft auch das Regal unterm Fernseher leer bleiben. Damit steht Gaming-Branche vor ihrem womöglich größten Umbruch.
Eine Xbox aus der Cloud
Microsofts Streaming-Technologie fußt auf zwei Säulen. Ab Oktober sollen Xbox-Besitzer ihre Konsole als eine Art privater Server nutzen und Xbox-Spiele so auf Smartphones und Tablets übertragen können. Noch einen Schritt weiter geht die sogenannte Xcloud. Mit ihr ist es möglich, Xbox-Spiele sogar ganz ohne Konsole zu spielen. Um das zu bewerkstelligen, installiert Microsoft Xbox-Mainboards in seine Azure-Datencenter (hier laufen auch Microsofts weitere Cloud-Dienste), wodurch man quasi im Bus sitzend direkt auf eine funktionierende Xbox zugreifen kann. Alles, was man dafür braucht, ist ein Bezahl-Abonnement und eine schnelle Internetverbindung.
Letztere könnte in der Technologie zum Knackpunkt werden. Eine Internetgeschwindigkeit von 10 Mbit/s werden mindestens erforderlich sein, empfehlenswert dürften Bandbreiten ab 35 Mbit/s sein. Zum Vergleich: Für die höchste Qualitätsstufe benötigt Netflix 25 Mbit/s. Schaut einer im Haushalt Serien und das Kind zockt in seinem Zimmer über die Cloud, könnte es eng werden in der Leitung.
Der Tod lauert im Funkloch
Vor allem mobil dürfte die erforderliche Bandbreite zum Problem werden. Sitzt man im Zug zwischen Hamburg und Berlin, durchfährt man in den knapp zwei Stunden Fahrtzeit mehrere Gebiete mit Edge-Versorgung, damit erreicht man in der Regel nicht einmal 1 Mbit/s. Beim Musik-Streaming kann man kurze Ruckler verkraften, bei Spielen machen sie den Unterschied zwischen Leben und virtuellem Tod.
Mit dem nächsten Mobilfunkstandard 5G könnte dieses Problem gelöst werden. Doch das dürfte dauern: Derzeit ist noch nicht einmal die 5G-Frequenzauktion beendet.
Redmond prescht voran
Dennoch: Perspektivisch wird die Streaming-Technik die Gaming-Branche ebenso umkrempeln, wie zuvor das Geschäft mit Filmen, Musik und Serien. Eine Analyse des Marktforschungsunternehmens DeLoitte zeigt, dass schon jetzt 53 Prozent der Unter-35-Jährigen ein kostenpflichtiges Gaming-Abonnement haben. Im vergangenen Jahr lag der Anteil noch bei 44 Prozent. Zum Vergleich: Der Anteil an traditionellen TV-Abonnements liegt bei 51 Prozent. Games sind ganz klar auf der Überholspur. Weltweit gibt es zwei Milliarden Gamer, der Umsatz mit Videospielen liegt jährlich bei 140 Milliarden Dollar.
Logisch, dass jeder Hersteller nun ein Stück vom Kuchen abhaben will: Microsoft zeigte die Xcloud, Hauptkonkurrent Sony bietet mit PS Now einen Streamingdienst mit 600 verfügbaren Spielen an – dazu benötigt man aber noch eine eigene Playstation. Ganz so disruptiv wie in Redmond geht es bei der Playstation noch nicht zur Sache. Nintendo hält sich in Sachen Cloud-Dienste ebenfalls zurück, hat mit der Switch aber eine portable Konsole im Angebot, die für die mobile Nutzung optimiert ist.
Google und Apple steigen auch ein
Die Videospiel-Hersteller haben ebenfalls erkannt, dass immer weniger Menschen in den Fachhandel gehen und mit eingeschweißten Spielekassetten den Laden verlassen. Electronic Arts ("Fifa 19", "Battlefield"-Reihe) zeigte im vergangenen Jahr seinen Flatrate-Dienst Origin Access Premier. Nun zog Ubisoft ("Assassin's Creed", "The Division") mit Uplay+ nach. Der französische Entwickler wird seinen Service ab dem 3. September dieses Jahres für 14,99 Euro pro Monat anbieten und laut eigenen Aussagen mehr als 100 Spiele zum Download bereitstellen.
Und auch neue Marken mischen in Zukunft mit. Apple will in diesem Jahr mit "Arcade" ebenfalls ins Geschäft mit Spiele-Abonnements einsteigen. Auch Google hegt Ambitionen: Die Cloud-Konsole Stadia soll Spiele in Konsolen-Qualität auf jeden Bildschirm bringen, egal ob auf Smartphone oder Fernseher. Dafür braucht man nur einen Controller, die Technik sitzt in der Cloud. Zur Anzeige reicht ein Chrome-Browser. Klingt vielversprechend, doch wie gut die Technik am Ende funktioniert, wird sich zeigen.
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