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Google Street View Big Google is watching you

Google schnüffelt nun auch in deutschen Gärten und schaut sich an, wo und wie die Bundesbürger wohnen. Doch während sich in München, Berlin und Köln kaum einer über die merkwürdigen Kamerawagen aufregte, proben kleinere Orte den Aufstand gegen den Internetriesen - mit Erfolg.
Von Dirk Liedtke

"Was ist das denn für ein komischer Apparat auf dem Auto?" fragte sich Ingo Eßer, als er Ende März in der Innenstadt von Düren unterwegs war. Der schwarze Opel Astra mit Hamburger Kennzeichen sieht auf den ersten Blick fast unheimlich aus: Auf einem Dachgepäckträger thront ein dickes Stativrohr mit einer merkwürdigen Krone. Setzt die GEZ neuartige Peilwagen ein, um Schwarzseher aufzuspüren?

Die Spur führt ins Internet. Der seltsame Aufbau ist eine Panoramakamera, mit der Big Brother Google die Republik knipst. Der Suchmaschinenkonzern aus Kalifornien macht mit Dutzenden dieser Autos unzählige Fotos für sein Internetangebot "Street View" (Straßenansicht), das noch 2009 online gestellt werden soll.

Menschen in Berlin, Frankfurt und München kennen die schwarzen Opel seit letztem Jahr. Dort wunderte man sich zwar über die Autos, doch diese Städte sind durchfotografiert. In kleineren Orten hingegen, die künftig auch vor die Google-Linse geraten können, regt sich präventiver Widerstand. So will der Gemeinderat von Molfsee bei Kiel die Fotofahrten von Google mit dem Verweis auf den Datenschutz verhindern. Ähnlich Kornwestheim, wo die Verantwortlichen städtisches Wohneigentum und öffentliche Gebäude nicht bei Google sehen wollen. Viele andere Gemeinden haben sich an den Deutschen Städtetag gewandt, um dort prüfen zu lassen, was gegen das Fotografieren getan werden kann.

Das, was in Frankreich, England und den USA längst online ist und als digitale Stadtrundfahrt angepriesen wird, sehen viele Deutschen als Angriff auf ihre Privatsphäre. Denn diese Bilder sollen künftig ganze Straßenzüge und Plätze aus der Fußgänger-Perspektive zeigen - und zwar so, dass einzelne Häuser mit Hausnummern gut zu erkennen sein werden.

Gemeinderäte verbünden sich

Zahlreiche Gemeinderäte haben Resolutionen gegen Google Street View verabschiedet. Ingo Eßer, hauptberuflich Beamter im Bundesfamilienministerium in Bonn, drängte als Feierabendpolitiker den Gemeinderat seines Wohnorts Kreuzau bei Düren dazu, gegen diese Bildersammelwut einen Beschluss zu fassen. Einstimmig verabschiedeten CDU, SPD, Grüne und FDP eine Resolution, nach der Google in dem Eifelort dann nicht fotografieren darf, wenn keine "Genehmigung der betroffenen Bürgerinnen und Bürger" vorliegt.

Dieser unerwartete Widerstand führte jüngst dazu, dass es in Schwerin zu einem Treffen zwischen deutschen Datenschützern und Google-Vertreten gekommen ist. Und als Zeichen des guten Willens ließ Google seine Kameraautos erst einmal pausieren. Zu der Beratung, wie man die Interessen der Bürger mit denen von Google unter einen Hut bekommt, reiste auch Peter Fleischer aus Paris an, der Datenschutzbeauftrage des Internetriesen für Europa.

Der Mann machte überraschende Zugeständnisse:

  • Google verpflichtet sich, bis zu zwei Monate vor dem Fotografieren die Öffentlichkeit des in Frage kommenden Ortes darüber zu informieren.
  • Die Veröffentlichung der Street View-Aufnahmen im Netz können Bürger verhindern, wenn sie Widerspruch einlegen. Und dies geht in Deutschland sogar im Vorfeld, bevor die Bilder online gestellt werden können.
  • Gemacht werden kann das auf zwei Wegen: entweder auf einer speziellen Internetseite von Google, die noch eingerichtet werden muss, oder per Brief an Google in Hamburg.

Gehen die Bilder ins Netz, sollen vorher die Gesichter von Menschen und Nummernschilder von Autos, die mit auf dem Foto zu sehen sind, automatisch unkenntlich gemacht werden. Doch selbst dann, wenn diese Technik zuverlässig funktioniert, bleibt die Befürchtung von Datenschützern, dass markante Kleidung Menschen identifizierbar macht. Das könnte dann besonders peinlich sein, wenn sich die Person zum Beispiel in der Rotlichtgegend einer Stadt aufhält und dabei von Google unfreiwillig fotografiert wird.

Die Verhandlungen mit Google sind trotz der Beschlüsse noch nicht zu Ende. So ist zum Beispiel die Frage ungeklärt, ob dieses systematische Fotografieren nicht grundsätzlich gegen deutsche Datenschutzbestimmungen verstößt. "Wir können dem Unternehmen keinen Persilschein ausstellen", sagt Karsten Neumann, Landesdatenschutzbeauftragter von Mecklenburg-Vorpommern.

Bis zu einer endgültigen Klärung sind die Kamera-Autos wieder auf Tour und knipsen die Republik. Ein Google-Sprecher sagte: "Wir schließen explizit keine Region aus."

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