Satelliten-Internet Der fallende Starlink-Held: Elon Musk fordert US-Regierung auf, die Internet-Rechnung für die Ukraine zu zahlen

Elon Musk
Der Tesla-Chef und Milliardär Elon Musk gerät zunehmend in die Kritik.
© John Angelillo / Imago Images
Kurz nach Beginn der russischen Invasion sicherte sich Elon Musk einen Platz unter den Guten. Mit seinem Satelliten-Internet Starlink versorgte er die Ukraine in Windeseile kostenfrei mit unzensiertem Internet. Jetzt soll die US-Regierung für die Kosten aufkommen.

Für seine schnelle Aktivierung von Starlink und eine ebenso flotte Lieferung der benötigen Empfangsstationen für das Satelliten-Internet lässt sich Elon Musk seit Monaten feiern. Doch die Fassade beginnt zu bröckeln. Denn wie "CNN" berichtet, warnte sein Unternehmen SpaceX das US-Verteidigungsministerium, dass die kostenfreie Versorgung der Ukraine mit unzensiertem Internet aus dem Weltall bald ein Ende haben könnte – wenn die Regierung die Rechnung nicht übernehme.

400 Millionen US-Dollar pro Jahr

Es heißt, SpaceX habe dem Pentagon bereits im vergangenen Monat einen Brief zugestellt, der die Situation wie folgt beschreibt: Das Unternehmen könne die Ukraine bald nicht mehr mit dem Satelliten-Internet versorgen, sollte sich die Regierung nicht bereit erklären, für die militärische Nutzung und die Zugänge der ukrainischen Regierung zu bezahlen. Für den Rest des Jahres beliefen sich die Kosten auf 120 Millionen US-Dollar, 2023 koste weitere 400 Millionen US-Dollar, heißt es.

Es scheint allerdings, als wolle sich SpaceX einen Großteil der angefallenen Kosten für die Versorgung der Ukraine mit Starlink zurückholen. Als es Anfang Oktober in Berichten über Ausfälle von Starlink an der Front ging, schaltete sich Elon Musk bei Twitter ein und schrieb über einen Artikel der "Financial Times": "In diesem Artikel wird fälschlicherweise behauptet, dass die Starlink-Terminals und -Dienste bereits bezahlt wurden, obwohl dies nur für einen kleinen Teil der Fall ist. Diese Operation hat SpaceX 80 Millionen Dollar gekostet und wird bis Ende des Jahres 100 Millionen Dollar übersteigen."

Die geforderten 120 Millionen US-Dollar im Brief ans Pentagon scheinen also nicht nur die künftig anfallenden Summen zu umfassen, sondern bereits "gespendete" Leistungen – anders lassen sich die beiden Zahlen kaum interpretieren.

SpaceX gibt sich verzweifelt

In den Briefen an die US-Regierung zeichnet SpaceX ein verzweifeltes Bild der internen Situation. "Wir sind nicht in der Lage, weitere Terminals für die Ukraine zu spenden oder die bestehenden Terminals auf unbestimmte Zeit zu finanzieren", schrieb der Direktor für Regierungsverkäufe von SpaceX in dem Brief vom September an das Pentagon. In einem weiteren Brief von einem externen Berater des Unternehmens heißt es: "SpaceX steht hier vor sehr schwierigen Entscheidungen. Ich glaube nicht, dass sie finanziell in der Lage sind, zusätzliche Terminals oder Dienste, wie von General Saluschnyj gefordert, bereitzustellen".

Tatsächlich forderte der General noch im Juli tausende Terminals von SpaceX, da das mobile und schnelle Internet sich als wichtiges Instrument für die Verteidigung gegen die russischen Invasoren herausgestellt hatte – und es bis heute ist. Fraglich bleibt aber, ob die Kosten für das Unternehmen nicht längst abgefedert worden sind. Denn bereits Ende März hieß es,  dass das Geld für die zahllosen Lieferungen durch Spenden von Polen, Frankreich und "privaten Quellen" stammt und die US-Regierung für die immensen Transportkosten aufgekommen sei.

Geldnot oder geschäftsschädigender Kostendruck könnten also lediglich vorgeschobene Gründe für die Forderungen an die Regierung sein, argumentieren Insider. Tatsächlich zeichnet das Timing der Briefe ein anderes Bild.

Musk bemüht sich um "Frieden" – auch für Russland

Denn obwohl sich Elon Musk auf Twitter weiterhin als Befürworter der Ukraine darstellt, überkommen den Milliardär mehr und mehr Ängste, dass die Situation in den durch Russland annektierten Gebieten zu einer Eskalation des Krieges auf internationaler Ebene führen könnte. Möglicherweise will sich Musk aus dem Konflikt zurückziehen, da ihm auch selbst Konsequenzen drohen, sollte er sich für eine Seite entscheiden und damit Verbündete Russlands verärgern. 

Ukraine-Krieg: Heftige Reaktionen auf Twitter-Zoff zwischen Elon Musk und Selenskyj
Heftige Reaktionen auf Twitter-Zoff zwischen Elon Musk und Selenskyj

Das passt auch zu einer überraschenden Masse an Tweets, die Musk Anfang Oktober losfeuerte. Darin legte er seinen "Friedensplan" für die Ukraine offen, der Russland Teile der annektierten Gebiete zusprach und damit für Kritik von allen Seiten sorgte, bis hin zu einer verbalen Entgleisung von Botschafter Andrij Melnyk und einem Votum von Präsident Wolodymyr Selenskyj. Dem "Plan" sei laut US-Politikwissenschaftler Ian Bremmer ein Telefonat mit Kremlchef Wladimir Putin vorausgegangen – Musk dementierte dies.

Die Beleidigung des Botschafters nahm er aber offenbar persönlich – denn auf Twitter erklärte Musk kurz nach Bekanntwerden der Zahlungsaufforderung: "Wir folgen schlicht und einfach nur seiner (Melnyks, Anm. d. Red.) Empfehlung." Melnyk hatte geschrieben, dass sich Musk "verpissen solle", meinte aber nicht das Starlink-Netz, sondern die "Friedenspläne" des Milliardärs, die sehr zum Nachteil der Ukraine gestaltet waren. Allerdings passt der Zeitpunkt des Briefes an das Pentagon nicht – Melnyk hatte Musk Anfang Oktober beleidigt, der Brief erreichte die US-Regierung im September.

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Für den Bericht, dass SpaceX die Finanzierung und Verantwortung nun offenbar abgeben will, erntet Chef Elon Musk erneut viel Kritik in den sozialen Netzwerken. Erst vor zwei Tagen bedankte sich der ukrainische Minister für digitale Transformation, Mychajlo Fedorow, bei Musk, nachdem Starlink eine wichtige Rolle bei der Wiederherstellung des Internets in bombardierten Gebieten der Ukraine gespielt hatte. Musk antwortete: "Keine Ursache, gern geschehen. Ich freue mich, die Ukraine unterstützen zu können."

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