Das Schwierigste ist es, sie zu finden. Bei den Steinpilzen muss man rechts und links in den Wald sehen, ab und zu anhalten, dann wieder 50 Schritte gehen. Nicht nach den Pilzen selbst hält man Ausschau. Man orientiert sich an den Standortzeichen. Eichen, Lichtungen, Boden, Himmelsrichtung. Für Mispeln fährt man nicht in den Wald, sondern in die Stadt. Standortindikatoren sind eine Häufung von Frauen mit Kopftüchern und kleinere Vorkommen von Männern mit Schnurrbärten und Goldzähnen im vorderen Bereich. Von Läden, die Obst und Gemüse offen verkaufen, ohne Klarsichtfolie. Dönerschwaden sind auch ein gutes Zeichen und Bahnhofsnähe.
Ist der Anteil südländischer Bewohner so groß, dass in den Fleischtheken der Lebensmittelläden Hammelhoden, Kalbsfüße und Schafsköpfe ausliegen, gibt es auch Mispeln. Anders als bei den Pilzen, deren Standort man nicht verraten darf, wenn man demnächst noch welche finden will, sollte man neu entdeckte Mispelstellen sofort weitersagen. Je größer die Menge der Käufer, desto mehr dieser Früchte wird es geben.
Mispeln sind unauffällig - blass orangefarben die Haut, in Größe und Form ähhnlich der Pflaume. Gute Mispeln duften leicht blumig - sie sind mit den Rosen verwandt. Ihre Qualität hängt vom Zeitpunkt des Pflückens ab. Sie reifen nicht nach. Mispeln sind saftig und süßsäuerlich, etwas exotisch. Man kann ihnen das Fell über die Ohren ziehen, ohne sie blanchieren zu müssen. Kleine braune Stellen sind unbedeutend. Die Mispel enthält wenige glubschige Kerne, die sich ziemlich von allein verabschieden und, im Wintergarten gepflanzt, dekorative Bäumchen ergeben. Ein Häutchen zwischen Kernen und Fruchtfleisch lässt sich so leicht abziehen, dass sich jedes Preisschildchen daran ein Vorbild nehmen könnte. Das gehäutete Fruchtfleisch leuchtet und macht sich sehr hübsch im Obstsalat mit Melonenkugeln und Orangenfilets, die man leicht gezuckert im Saft einer Zitrone wendet; etwas Drambuie oder Grand Marnier dazugießen und ziehen lassen, dann mit Joghurt und Sahne genießen.
Die Mispeln, die wir im Laden kaufen, sind mit denen, die man ab und an noch mal in alten deutschen Gärten findet, so verwandt wie der Homo sapiens mit dem Neandertaler. Die Neander-Mispel, Mespilus germanica, ist hart, übersauer, erst nach dem ersten Frost halbwegs genießbar, dann musig und darum verdientermaßen so gut wie ausgestorben.
Die türkische Ladenmispel hingegen, Mespilus japonica bzw. Eriobotrya japonica, entstammt dem südchinesischen Raum und ist weltweit unter dem Namen Loquat bekannt. In Japan wird die Mispel seit etwa 1000 Jahren angebaut, kulthaft verehrt und zu aberwitzigen Preisen gehandelt. Sie ist dort die erste Frucht des Jahres und wird gehätschelt, indem man sie vor Sonnenbrand und Vogelfraß mit Papiertütchen schützt, die den Früchten noch auf dem Baum übergestreift werden.
Seit Botaniker die Loquat im 18. Jahrhundert erst nach Paris, dann nach England und an die französische Riviera brachten, hat sich die Mispel über das Mittelmeergebiet verbreitet. In Frankreich heißt sie n?flier du Japon, in Italien nespola giapponese, in Spanien nispero japon?s und in der Türkei, die einen Großteil unserer Ware liefert, yenidünya.
Bert Gamerschlag
Mispel-Mousse
Für 6 Personen:
5 Blatt weiße Gelatine
600 g Mispeln
den Saft 1 Zitrone
50 g Zucker
250 g Magerquark
das Mark 1 Vanilleschote
50 ml Milch
125 g geschlagene Sahne
einige Mispelspalten und Schokoladenornamente, fertig gekauft, zum Garnieren
1 In kaltem Wasser 2 Blatt Gelatine einweichen. 250 g Mispeln waschen, halbieren und häuten. Die Kerne und die Häutchen darunter entfernen. Braune Stellen, wenn nötig, herausschneiden. Das Fruchtfleisch mit 2 EL Zitronensaft beträufeln, damit es sich nicht verfärbt.
2 Fruchtfleisch und 10 g Zucker mit einem Stabmixer pürieren. Die Gelatine tropfnass in einem kleinen Topf bei schwacher Hitze auflösen und dazurühren. Die Masse in 6 Formen oder Gläser gießen, abgedeckt 1 Stunde im Kühlschrank fest werden lassen.
3 Die restlichen Mispeln häuten und wie oben entkernen. Die übrige Gelatine wie beschrieben einweichen und auflösen. Das Fruchtfleisch klein hacken und mit restlichem Zitronensaft mischen. Den Quark mit dem übrigen Zucker, dem Vanillemark und der Milch glatt rühren. Die Mispelstücke darunter mischen. Erst die Gelatine, dann die Sahne unter die Quarkcreme ziehen.
4 Die Creme auf das vorgekühlte Fruchtgelee füllen, abdecken und wieder im Kühlschrank fest werden lassen. Die Förmchen vor dem Servieren kurz in heißes Wasser tauchen und den Inhalt auf Dessertteller stürzen. Mispel-Mousse mit Mispelspalten und Schokoladenornamenten garniert servieren.
Zubereitung: 50 Minuten (plus Zeit zum Kühlen)
Erika Casparek-Türkkan
Mispeln im Schlafrock
Für 8 Stück:
80 g Mehl
125 g geschälte gemahlene Mandeln
2 EL Puderzucker
2 EL Mandel- oder Orangenlikör
1 Eigelb
60 g kalte Butter
8 gleich große, reife Mispeln
etwas Zitronensaft
70 g Marzipanrohmasse
1 Eiweiß
Puderzucker zum Bestreuen
geschlagene Sahne und Minzeblätter zum Anrichten
1 Mehl, Mandeln, Zucker, Likör, Eigelb und Butter zu einem Teig kneten und zu einer Kugel formen.
2 Mispeln halbieren und putzen wie bei der Mispel-Mousse beschrieben und mit Zitronensaft einpinseln. Die Marzipanmasse zu 8 gleich großen Kugeln formen. Jede Mispel mit einer Kugel füllen und fest zusammendrücken.
3 Den Teig in 8 gleich große Portionen teilen. Jede Portion zwischen 2 Klarsichtfolien zu einem Kreis von ca. 14 cm Durchmesser ausrollen. Das obere Folienblatt abziehen. Den Teig mit der unteren Folie wie ein Taschentuch um eine Mispel legen, oben zusammendrehen, dann die Folie abziehen und die Kugeln 30 Minuten kalt stellen.
4 Den Backofen auf 220 Grad vorheizen. Ein Ofenblech mit Backpapier auslegen. Darauf die Kugeln legen, mit Eiweiß einpinseln und 30 Minuten auf der unteren Einschubleiste backen, bis sie braun werden. Nach 15 Minuten mit Backpapier abdecken. Abgekühlt mit Puderzucker bestäuben und lauwarm mit Sahne und Minzeblättern anrichten.
Zubereitung: etwa 45 Minuten (plus Zeit zum Kühlen und Backen)
Tipp:
Unebenheiten im Teig lassen sich durch die Folie leicht glätten.
Erika Casparek-Türkkan
Mispel-Sangria
Für 1,5 l Sangria:
80 g Sultaninen
250 ml halbtrockener Sherry
350 ml frisch gepresster Orangensaft
500 g reife Mispeln
1?2 EL Honig
1/3 Vanilleschote, aufgeschlitzt
etwa 5 cm dünn abgeschälte Orangenschale, unbehandelt
500 ml trockener Weißwein
8-10 Eiswürfel
12 l Mineralwasser mit Kohlensäure
1 Sultaninen mit Sherry und 100 ml Orangensaft übergießen. Mispeln halbieren und putzen wie bei der Mispel-Mousse beschrieben. Die Fruchthälften in Spalten schneiden und mit Honig, Vanilleschote und Orangenschale zu den Sultaninen geben. Zugedeckt 2-3 Stunden kalt stellen.
2 Kurz vorm Servieren restlichen Orangensaft, Wein, Eiswürfel und Mineralwasser dazurühren.
Zubereitung: etwa 30 Minuten (plus Zeit zum Kühlen)
Tipp:
In Spanien genießt man Sangria gerne zu Tapas.
Erika Casparek-Türkkan
Mispel-Ragout
Für 4 Personen:
800 g Mispeln
6 Datteln
30 g Butter
1 kleines Stück Zimtstange
etwa 3 cm, dünn abgeschälte Orangenschale, unbehandelt
200 ml halbtrockener Weißwein
1/2 TL Speisestärke
1 Prise Salz
1/2 TL Honig
2 EL Crème fraîche
4-5 Blätter Zitronenmelisse oder etwas Zitronenthymian
1 Mispeln halbieren und putzen wie bei der Mispel-Mousse beschrieben. Früchte vierteln. Die Datteln entsteinen und klein schneiden. Butter in einem breiten Topf erhitzen. Mispeln, Datteln, Zimt und Orangenschale 2 Minuten darin dünsten.
2 Die Hälfte vom Wein dazugießen und zugedeckt weitere 2 Minuten sanft garen. Die Speisestärke im restlichen Wein glatt rühren. Das Ragout damit binden. Mit Salz und Honig würzen. Zimtstange und Orangenschale entfernen. Crème fraîche unterrühren. Ragout mit Zitronenmelisse garnieren.
Tipp:
Das Ragout schmeckt zu gebratenem Geflügel und auch zu gebratenem oder pochiertem Fisch.
Zubereitung: etwa 20 Minuten
Erika Casparek-Türkkan
Mispel-Konfitüre
Für 7 Gläser à 250 ml Inhalt:
1 unbehandelte Zitrone
1,4 kg Mispeln
1 kg Gelierzucker (1:1)
3 EL Orangenblütenwasser oder Orangenlikör
1 Die Zitrone heiß abwaschen und abtrocknen. Die Schale mit einem Zestenreißer abziehen und abgedeckt beiseite stellen. Den Fruchtsaft auspressen.
2 Die Mispeln halbieren und putzen, wie bei der Mispel-Mousse beschrieben. Das Fruchtfleisch mit dem Zitronensaft beträufeln, damit es sich nicht verfärbt.
3 Von den Mispeln 1 kg abwiegen, in einem großen Topf mit Gelierzucker verrühren und zugedeckt 2 Stunden Saft ziehen lassen. Das Fruchtfleisch mit dem Schneidstab pürieren. Die übrigen Mispeln in Stückchen schneiden. Alles zusammen aufkochen und offen 3 Minuten sprudelnd kochen.
4 Das Orangenblütenwasser und die Zitronenschalenstreifen dazugeben und unterrrühren. Weitere 1-2 Minuten kochen und sofort in saubere Gläser mit Twist-off-Verschluss füllen und schließen. Auf den Deckeln stehend abkühlen lassen.
Zubereitungszeit: etwa 1 Stunde
Erika Casparek-Türkkan
Mispel-Salat
Für 4 Personen:
Saft 1 Zitrone
800 g vollreife Mispeln
1-2 EL alter Sherry-Essig
1 EL Ahornsirup
2 EL Traubenkernöl
Salz
Pfeffer aus der Mühle
1 TL Zitronenthymianblätter (und einige Blättchen zum Garnieren)
50 g gehackte Walnusskerne
8 Herzblätter vom Römersalat
1 In einem Topf 1,5 l Wasser mit Zitronensaft zum Kochen bringen. Eine Schüssel mit kaltem Wasser und Eiswürfeln darin bereit stellen. Die Mispeln halbieren und putzen, wie bei der Mispel-Mousse beschrieben. Die Fruchthälften im kochenden Wasser 1 Minute blanchieren, im Eiswasser abschrecken und auf Küchenpapier abtropfen und erkalten lassen.
2 Sherry-Essig mit Ahornsirup, Traubenkernöl, Salz, 1 Prise Pfeffer und Zitronenthymianblättchen in einer Schüssel verrühren. Mit der Hälfte der Walnüsse unter die Früchte mischen und 10 Minuten kühl stellen.
3 Salatblätter waschen, abgetropft auf eine Platte legen. Den Fruchtsalat auf die Blätter häufen und mit restlichen Walnüssen und Zitronenthymian bestreuen.
Tipp:
Den Salat als Vorspeise mit Parma- oder Serranoschinken oder mit Manchego-Käse anrichten.
Erika Casparek-Türkkan