"Man muss mehr als eine Lehrerin sein"
Olha Dobrovolska, 25, Kulturwissenschaftlerin, unterrichtet Vorbereitungsklassen
"Ich bin aus der Ukraine nach Deutschland geflüchtet. Als ich hier ankam, habe ich sofort einen Job gesucht. Die Sprache konnte ich, denn ich habe 13 Jahre lang in der Schule Deutsch gelernt. Nur dauert die Anerkennung sehr lang. Meine Betreuerin beim Jobcenter sagte, ich könnte in einer Schule arbeiten. Ich war sehr verwirrt, in der Ukraine kann man nur mit einer Ausbildung als Lehrerin arbeiten. Aber hier hatte ich zwei Vorstellungsgespräche in zwei Schulen. Nun unterrichte ich in beiden, Deutsch als Fremdsprache.
Die wichtigste Regel ist: Im Unterricht wird deutsch gesprochen. Das hilft, damit die Kinder sich verstehen. Sie tun es ohnehin, denn sie teilen alle den gleichen, schlimmen Hintergrund: Krieg. Sie teilen alle die Sorgen um ihr zu Hause, die Frage, warum sie hier sein müssen, das Heimweh und ihre neue Realität in Deutschland.
Die Kinder stehen unter großem Druck. Wir haben nur zwei Jahre, um ihnen Deutsch beizubringen. Gleichzeitig müssen sie in den anderen Fächern mithalten, Kontakte in ihrer deutschen Klasse aufbauen. Alles in kurzer Zeit. Die Kinder tun mir sehr leid, man muss mehr als eine Lehrerin sein, eine Freundin. Mir gelingt es gut, meine privaten Probleme nicht mit in die Arbeit zu nehmen. Aber die Probleme auf der Arbeit nehme ich immer mit nach Hause. Dann grüble ich darüber nach, wie ich Kindern helfen kann.
Die meisten Kinder bemühen sich sehr. Manchmal sind neu angekommene Kinder ganz passiv. Teilweise ignorieren sie die Welt, zum Beispiel, weil sie traumatisiert sind, oder weil sie unter der Situation leiden. Sie sitzen in der Klasse und schweigen. Zuletzt tat das wieder ein Junge. Immer, wenn ich versuchte, ihn zum Mitarbeiten zu motivieren, sagte er: 'Nächsten Monat gehen wir eh wieder nach Hause!' Irgendwann rief ich die Mutter an und sagte ihr, dass er sich weigert, im Unterricht mitzumachen, weil er bald wieder in die Ukraine geht. Die Mutter war total entsetzt. Sie sagte, sie hatten überhaupt keine Pläne zurückzukehren. In seinem Heimweh hatte der Junge das erfunden."
"Ich bin aus der Ukraine nach Deutschland geflüchtet. Als ich hier ankam, habe ich sofort einen Job gesucht. Die Sprache konnte ich, denn ich habe 13 Jahre lang in der Schule Deutsch gelernt. Nur dauert die Anerkennung sehr lang. Meine Betreuerin beim Jobcenter sagte, ich könnte in einer Schule arbeiten. Ich war sehr verwirrt, in der Ukraine kann man nur mit einer Ausbildung als Lehrerin arbeiten. Aber hier hatte ich zwei Vorstellungsgespräche in zwei Schulen. Nun unterrichte ich in beiden, Deutsch als Fremdsprache.
Die wichtigste Regel ist: Im Unterricht wird deutsch gesprochen. Das hilft, damit die Kinder sich verstehen. Sie tun es ohnehin, denn sie teilen alle den gleichen, schlimmen Hintergrund: Krieg. Sie teilen alle die Sorgen um ihr zu Hause, die Frage, warum sie hier sein müssen, das Heimweh und ihre neue Realität in Deutschland.
Die Kinder stehen unter großem Druck. Wir haben nur zwei Jahre, um ihnen Deutsch beizubringen. Gleichzeitig müssen sie in den anderen Fächern mithalten, Kontakte in ihrer deutschen Klasse aufbauen. Alles in kurzer Zeit. Die Kinder tun mir sehr leid, man muss mehr als eine Lehrerin sein, eine Freundin. Mir gelingt es gut, meine privaten Probleme nicht mit in die Arbeit zu nehmen. Aber die Probleme auf der Arbeit nehme ich immer mit nach Hause. Dann grüble ich darüber nach, wie ich Kindern helfen kann.
Die meisten Kinder bemühen sich sehr. Manchmal sind neu angekommene Kinder ganz passiv. Teilweise ignorieren sie die Welt, zum Beispiel, weil sie traumatisiert sind, oder weil sie unter der Situation leiden. Sie sitzen in der Klasse und schweigen. Zuletzt tat das wieder ein Junge. Immer, wenn ich versuchte, ihn zum Mitarbeiten zu motivieren, sagte er: 'Nächsten Monat gehen wir eh wieder nach Hause!' Irgendwann rief ich die Mutter an und sagte ihr, dass er sich weigert, im Unterricht mitzumachen, weil er bald wieder in die Ukraine geht. Die Mutter war total entsetzt. Sie sagte, sie hatten überhaupt keine Pläne zurückzukehren. In seinem Heimweh hatte der Junge das erfunden."
© Jeannette Petri