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Ehec-Epidemie EU zweifelt an deutscher Kompetenz

Bekommt Deutschland die Ehec-Krise in den Griff? Die EU bezweifelt das und verlangt von Berlin, den Rat ausländischer Experten einzuholen. Die Suche nach der Keimquelle tritt derweil auf der Stelle.

Im Kampf gegen die Ehec-Krise hat EU-Gesundheitskommissar John Dalli die deutschen Behörden zu einer engen Zusammenarbeit mit ausländischen Experten aufgefordert. Um den Ausbruch von Ehec möglichst schnell zu beenden, sei es wichtig, eng zusammenzuarbeiten und Fachwissen zu teilen, sagte Dalli der Zeitung "Die Welt". Dabei müsste man "auf die Erfahrung und die Expertise in ganz Europa und sogar außerhalb Europas setzen".

Der Zeitung zufolge erwarten EU-Kreise vor allem, dass Deutschland Experten aus den USA und Japan bei der Suche nach der Quelle des Ehec-Erregers hinzuzieht. Diplomaten kritisierten intern auch, dass die Fragebögen der deutschen Behörden, in denen bei der Suche nach der Infektionsquelle nach den Essgewohnheiten von Ehec-Patienten gefragt wird, "zu eng gestrickt" seien, weil sie sich zu stark auf den Verzehr von bestimmten Gemüsearten konzentrierten, berichtete die "Welt".

Weitere Spur führt angeblich nach Bienenbüttel

Die Fahndung nach dem Auslöser der Epidemie tritt derweil auf der Stelle. Am Dienstag erwies sich die von einem Patienten aus Hamburg abgegebene Sprossen-Probe als Ehec-frei. Es sei für alle Beteiligten "absolut unbefriedigend und auch beängstigend, dass die Quelle noch nicht gefunden wurde", sagte Hamburgs Gesundheitssenatorin Cornelia Prüfer-Storcks (SPD).

Der 42-jährige Hamburger hatte das Sprossengemüse eines inzwischen gesperrten Hofs in Niedersachsen im Kühlschrank vergessen. Die mehrere Wochen alte Packung hätte den Behörden dabei helfen können, die Infektionsquelle zweifelsfrei nachzuweisen.

Niedersachsens Agrarminister Gert Lindemann (CDU) ist trotzdem der Ansicht, dass der Hof in Bienenbüttel als eine Quelle für die Ehec-Epidemie infrage kommt. Seinen Angaben zufolge war im Mai eine dritte Mitarbeiterin des Gärtnerhofs vermutlich an Ehec erkrankt, ist inzwischen aber wieder gesund. Bisher war nur die Ehec-Erkrankung einer Mitarbeiterin bekannt, eine zweite litt ebenfalls unter Durchfall. Auch zwei Ehec-Fälle in Cuxhaven wiesen Verbindungen zu dem Biohof auf, sagte Lindemann.

Epidemie reißt Loch in Budgets der Krankenhäuser

Als Konsequenz aus der Ehec-Krise hat das Max-Planck-Institut für Infektionsbiologie einen zentralen Regierungskoordinator für das Krisenmanagement beim Auftreten gefährlicher Erreger gefordert. Dieser müsse die Zusammenarbeit zwischen den einzelnen Ministerien verbessern, sagte der Direktor des Berliner Instituts, Stefan Kaufmann, ebenfalls in der "Welt". Derzeit entstehe durch die vielen Wortmeldungen der Eindruck, als würde die Politik den Ereignissen hinterherhecheln.

Derweil geraten jetzt auch die medizinischen Kosten der Epidemie immer stärker in die Diskussion. Der Verband der Universitätsklinika Deutschlands (VUD) verlangte jetzt Finanzhilfen für die Hochleistungskrankenhäuser, die Patienten mit dem lebensbedrohlichen Darmkeim behandeln. Sämtliche Ehec-Fälle müssten außerhalb des vereinbarten Budgets zum vollen Preis abgerechnet werden, hieß es. Die Krankenhäuser handeln mit den Krankenkassen Budgets für eine bestimmte Anzahl von Patienten aus. Wird diese vereinbarte Patientenzahl überschritten, tragen die Kassen nur noch 35 Prozent der Kosten.

Minister beraten über Strategien zur Ehec-Eindämmung

Auch der deutsche Lebensmittel-Einzelhandel leidet erheblich unter der Ehec-Seuche: "Wir haben Umsatzeinbrüche von 30 bis 40 Prozent bei Obst und Gemüse", sagte der Sprecher des Handelsverbands Deutschland (HDE), Kai Falk, der "Bild". Auch bei anderen Lebensmitteln gingen die Umsätze deutlich zurück. "Der Handel spürt die große Verunsicherung der Kunden."

In Berlin wollen heute die Gesundheits- und Verbraucherminister von Bund und Ländern über Strategien zur Eindämmung des gefährlichen Darmkeims beraten. Zu der Sonderkonferenz wird auch EU-Kommissar Dalli erwartet. Laut Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) soll auch über Koordination und Kooperation der zuständigen Stellen gesprochen werden. Kritik am Vorgehen der Behörden wies er aber zurück.

Robert-Koch-Institut sieht keine groben Fehler im Krisenmanagement

Der Vorsitzende der Verbraucherzentrale Bundesverband, Gerd Billen, verlangte für die Zukunft ein "Krisenmanagement aus einem Guss". Dieses sollte ein mit größeren Kompetenzen ausgestattetes Robert-Koch-Institut übernehmen, sagte Billen der "Mittelbayerischen Zeitung". Die föderale Struktur beim Verbraucherschutz behindere die Aufklärung bei Lebensmittelkrisen. Sobald die Ehec-Krise ausgestanden sei, müssten die Institutionen neu aufgestellt werden.

Der Chef des Robert Koch-Instituts, Reinhard Burger, wies den Vorwurf zurück, das Institut sei mit zu wenig Personal im Einsatz gewesen, räumte aber ein, bisweilen nicht schnell genug gewesen zu sein. "Wir hätten manches noch rascher transparenter machen sollen. Aber die Ereignisse überschlagen sich, alle Mitarbeiter sind extrem gefordert und man kann nicht alles gleichzeitig machen", sagte er der "Passauer Neuen Presse". "Ich sehe von unserer Seite keine groben Fehler und Versäumnisse."

kng/DPA/AFP DPA

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