Banda Aceh "Sie erwarten von uns, dass wir weiter suchen"

Die meisten Beisetzungen der Flutopfer in Banda Aceh sind abgeschlossen, doch der Wiederaufbau kommt nur langsam voran. Zu groß ist das Chaos, das die Helfer vorfinden - und viele Einheimische denken immer noch nur an die Suche nach vermissten Angehörigen.

Es liegen keine Leichen mehr auf den Straßen von Banda Aceh, der Hauptstadt der von dem Tsunami besonders betroffenen indonesischen Provinz Aceh. Einen Monat nach der Katastrophe, die im gesamten Gebiet des Indischen Ozeans zwischen 158.000 und 221.000 Menschen das Leben gekostet hat, sind die meisten Beisetzungen abgeschlossen. Langsam zeichnet sich zwar so etwas wie eine Besserung der Lage ab, die Probleme aber bleiben schier unüberwindlich.

"Wir wissen nicht wann und wo"

Hunderttausende Flüchtlinge leben weiter in überfüllten Lagern. Viele sind zu traumatisiert, um auf ihre Felder oder zu ihren Fischerbooten zurückzukehren. Die kommunalen Verwaltungen funktionieren nicht. "Wir haben vom geplanten Wiederaufbau gehört", sagt der 35-jährige Beamte Iskandar in Banda Aceh. "Aber wir wissen nicht wann und wo. Es liegen immer noch Leichen unter den Trümmern. Und alles ist so dreckig hier."

Der Tsunami vom 26. Dezember, die riesige von einem Seebeben ausgelöste Flutwelle, hat Tausende Dörfer in dutzenden Ländern in Südasien und auch in Ostafrika hinweggespült. Allein in Indonesien wird der Schaden auf rund 3,4 Milliarden Euro geschätzt. Internationale Hilfe wurde zugesagt, auf rund drei Milliarden Euro können die betroffenen Länder hoffen. Die Vereinten Nationen und die Weltbank haben langfristige Entwicklungspläne erarbeitet.

Die blauen Zelte der Hilfsorganisationen sind zum Symbol der Hilfsbemühungen geworden. Die meisten Überlebenden haben Wasser und Essen, aber auch nicht viel mehr. Die Menschen in Banda Aceh begrüßen die fremden Helfer, schließlich war ihre Stadt wegen des Konflikts zwischen der Regierung und den Separatisten lange zum Sperrgebiet erklärt worden.

Lebenswille

Die Helfer aber sind oft auch überrascht vom Lebenswillen der Menschen. Viele sind nach Banda Aceh zurückkehrt und suchen in ihren zerstörten Häusern nach Wertgegenständen, weiter im Landesinnern hat der Wiederaufbau begonnen. In einigen Teilen von Aceh funktionieren Strom und Telefon wieder. Einige Fischer wollen auch wieder raus auf die See.

Aber der ehemals gepflegte Rasen des Zainoel-Abidin-Krankenhauses in Banda Aceh ist nach wie vor ein Sumpf. In der Eingangshalle sind noch deutlich die Spuren der Flutwelle zu sehen, die knöchelhohen Schlamm hinterließ. Strom gibt es nur zeitweise, westliche Analysegeräte können kaum eingesetzt werden. Rund ein Drittel des Krankenhauses arbeitet inzwischen aber wieder - mit Hilfe deutscher, australischer und amerikanischer Ärzte. Von den ehemals 900 Mitarbeitern des Krankenhauses sind bislang nur hundert wieder zurückgekehrt - viele sind vermutlich in der Flut ums Leben gekommen.

Einige Dörfer werden wohl nie wieder aufgebaut

Etwas weiter an der Küste entlang ist vom Wiederaufbau hingegen nur wenig zu spüren. Die früher ausgedehnten Reisfelder sind mit Seewasser überschwemmt und unbrauchbar. Am Rand der Straße liegen schwarze Leichensäcke. Ursprünglich wollte Indonesien bis Ende des Monats 50 Flüchtlingslager für die Hunderttausenden Überlebenden errichtet haben, jetzt heißt es, dies könne noch drei Monate dauern. Der Aufbau der Küstendörfer wird Jahre dauern, wenn er denn je beginnt.

Eine Verwaltung gibt es in Aceh praktisch nicht mehr. Fast die Hälfte der 10.000 Behördengebäude in der Provinz wurden zerstört oder beschädigt, darunter auch hunderte Schulen. Fast 20 Prozent der 50.000 Lehrer, Krankenschwestern, Polizisten und anderen öffentlich Bediensteten sind tot. "Das behindert den Wiederaufbau erheblich", sagt Bob Dietz, der Sprecher der Weltgesundheitsorganisation (WHO) in Banda Aceh. "Das waren die Menschen, die die Gesellschaft am Laufen hielten. Ohne diese Infrastruktur kann keine Gesellschaft funktionieren."

Viele Menschen sind aber auch einen Monat nach der Katastrophe weniger mit der Sicherung ihrer Habseligkeiten als vielmehr mit der Suche nach Angehörigen beschäftigt. Bilder von Vermissten hängen in den Straßen. Viele gehen vom Krankenhaus zur Polizei und durch die Lager, immer in der Hoffnung, Nachricht von Angehörigen zu erhalten. "Wir müssen sie finden", sagt Ardiansyahnst, ein Polizist, der 38 Angehörige verlor. "Einige müssen noch leben. Sie erwarten von uns, dass wir weiter suchen."

AP
Michael Casey/AP

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