Mindestens 46 Menschen sind in Europa "Kyrill" zum Opfer gefallen. Allein in Deutschland starben zwölf Menschen, teilweise fielen Bäume auf ihre Autos oder sie wurden von losgerissenen Türen erschlagen - wie ein Kleinkind in München. In Großbritannien starben 14 Menschen, darunter ebenfalls ein Kleinkind, das in London von einer einstürzenden Wand erschlagen wurde. In den Niederlanden meldeten die Behörden sechs Tote, ebenso die Feuerwehr in Polen. In Tschechien und Frankreich kamen jeweils drei Menschen ums Leben, aus Belgien wurden zwei Todesopfer gemeldet. Die meisten starben bei Verkehrsunfällen. Dutzende Menschen wurden verletzt, mehr als eine Million Haushalte hatten wegen des Orkans keinen Strom.
In Deutschland sind die meisten Stromausfälle weitgehend behoben. Der größte Stromnetzbetreiber des Landes, RWE, habe zahlreiche orkanbedingte und lokal begrenzte Stromausfälle etwa in Nordrhein-Westfalen, Hessen, Niedersachsen und Bayern behoben, sagte ein Sprecher der Vertriebsgesellschaft RWE Energy. Probleme gab es noch in Brandenburg, Sachsen und Sachsen-Anhalt. Dort waren am Freitagnachmittag noch etwa 21.000 Kunden ohne Strom, wie eine Sprecherin in Chemnitz berichtete. Die Lage entspanne sich jedoch.
Siegerland oder im Bergischen Land betroffen
Ursache für die Störungen waren vor allem Bäume und Äste, die auf Freileitungen des Mittel- und Niederspannungsnetzes stürzten. In NRW waren vor allem hoch gelegene Regionen etwa im Siegerland oder im Bergischen Land betroffen. Rund 2.000 Techniker seien in der Nacht im Einsatz gewesen.
Erstmals in der Nachkriegszeit wurde wegen "Kyrill" der gesamte Bahnverkehr stillgelegt, die Bahnchef Hartmut Mehdorn mit Sicherheitsgründen rechtfertigte. "So eine Situation haben wir in Deutschland noch nie gehabt", sagte er, daher sei er stolz darauf, dass sein Unternehmen keinen Unfall zu verzeichnen gehabt habe. Der Schienenverkehr werde sich noch im Lauf des Tages normalisieren.
Mehr Bahn-Mitarbeiter als Reisende
Reisende saßen zu tausenden auf Bahnhöfen fest und wurden von rund 1.000 DB-Mitarbeitern versorgt. Gegen Ende der Nacht seien mehr Bahnmitarbeiter in den Bahnhöfen gewesen als Fahrgäste, so Mehdorn. An erster Stelle habe die Sicherheit gestanden, an zweiter Stelle die Fürsorge für die gestrandetem Fahrgäste. Jetzt könne man anfangen, sich Gedanken über Schäden zu machen. Deren Höhe sei noch nicht zu beziffern.
Die Aufräumarbeiten im Schienenverkehr sollten mindestens noch den ganzen Tag dauern. Die Bahn richtete eine kostenlose Hotline (08000-996633) ein und empfahl Reisenden, sich vor Fahrtantritt über die aktuelle Lage zu informieren.
Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) zeigte sich erleichtert, dass der Orkan relativ glimpflich vorüberging. "Wir sind gut vorbereitet gewesen." Die Kooperation mit den Ländern und den betroffenen Behörden habe sehr gut geklappt. Zugleich sprach Tiefensee den Geschädigten und den Hinterbliebenen der Todesopfer sein Mitgefühl aus.
Der Flugverkehr lief am Freitagvormittag wieder weitgehend normal, nachdem am Donnerstag zahlreiche Flüge gestrichen wurden und hunderte Reisende in Flughäfen übernachten mussten.
Der Gesamtverband der deutschen Versicherungswirtschaft schätzte den versicherten Schaden in Deutschland auf rund eine Milliarde Euro. Die einzelnen Bundesländer konnten die Schäden allerdings noch nicht genau beziffern. Das baden-württembergische Innenministerium sprach von einer Millionensumme. In Nordrhein-Westfalen gab es zum Teil erhebliche Schäden an Gebäuden, Parks und Wäldern sowie Überflutungen wegen des starken Regens.
"Lothar" verursachte Schäden in Höhe von sechs Milliarden
Der Versicherungsexperte Lucio Di Geronimo von der Hypovereinsbank sagte, er rechne bei "Kyrill" mit einem Milliardenschaden, der aber wohl unter dem Schaden des Orkans "Lothar" aus dem Jahr 1999 liegen werde. "Lothar" hatte damals europaweit für versicherte Schäden von rund sechs Milliarden Euro gesorgt. Insgesamt hatten sich die Schäden auf etwa zehn Milliarden Euro belaufen. Große Versicherer wie Ergo, Axa, Gothaer und die Allianz hielten sich ebenso wie die Rückversicherer Münchener Rück und Hannover Rück mit Schadenseinschätzungen zurück. Die Erstversicherer berichteten aber einmütig von heißen Telefondrähten in ihren Schadenannahmestellen. "Was man sicher sagen kann ist, dass es einen Sturm dieser Art in Deutschland bislang noch nicht oft gegeben hat", sagte ein Sprecher der Ergo-Gruppe.