"Man kann stets sicher sein, dass Amerika das Richtige tut, nachdem es versucht hat, alles falsch zu machen", soll Winston Churchill gesagt haben. Bei der Hilfe für die Flutopfer in Südasien hat die USA vielleicht nichts richtig falsch gemacht, aber nicht genug richtig. Zumindest hagelte es nach dem Seebeben vor Sumatra Kritik an dem zögerlichen Hilfsgebaren des US-Präsidenten: Es hieß, dass die USA im Vergleich zu kleineren und ärmeren Ländern zuwenig Hilfsgelder zugesagt hatten. Von Geiz war die Rede.
15 Millionen Dollar wollten die Vereinigten Staaten ursprünglich in die betroffenen Länder überweisen. Ein Angebot, dass schon bei der Bekanntgabe zwei Tage nach der Katastrophe unrealistisch tief gewirkt habe, wie die "Neue Zürcher Zeitung" schrieb. Schnell wurden aus 15 35 Millionen Dollar, doch als erste Erkenntnisse darauf hin deuteten, dass "die Erfordernisse an Geld und anderer Unterstützung ständig steigen würden", wie es in einer Erklärung von Präsident George W. Bush eine Woche nach dem Unglück hieß, verzehnfachte der US-Präsident die Hilfssumme.
Image der USA in Indonesien auf dem Tiefpunkt
Ein anderer Vorwurf, unter anderem von den Beratern Bushs, lautete, der Präsident könne eine große Chance verpassen: die Aufmöbelung des amerikanischen Images in Asien und damit eine Stabilisierung der Region. In Südostasien, vor allem in Indonesien, immerhin das bevölkerungsreichste muslimische Land der Welt, hatte das Ansehen der USA nach dem Krieg in Afghanistan einen Tiefstand erreicht. Der Angriff auf die Taliban, als Reaktion auf die Terroranschläge vom 11. September 2001, wurde als ungerechtfertigte, exzessive Vergeltung betrachtet.
Hilfe für die Opfer
Die Deutschen haben nach Schätzungen bis Dienstag rund 70 Millionen Euro gespendet. Auch international ist das Spendenaufkommen hoch. Wer die Spender sind und was mit dem Geld passiert
Die Geberländer:
Weltgrößter Spender ist Japan mit 500 Millionen Dollar. Darauf folgen die USA mit 350 Millionen Dollar. Dreistellige Summen geben auch die Weltbank und Norwegen. Deutschland hinkt mit 27 Millionen Dollar weit hinterher, will seine Hilfe aber deutlich erhöhen. Andere EU-Mitgliedstaaten wie Italien geben lediglich 950.000 Euro. Das ist gerade doppelt so viel wie der Iran, der sich mit 463.000 Euro beteiligt.
Wie hoch die Spendenbereitschaft tatsächlich ist,
zeigen die Summen, die bei den Hilfsorganisationen eingehen. Das private Spendenaufkommen in Deutschland steigt täglich in zweistelligen Millionenschritten. Allein beim Deutschen Roten Kreuz gingen nach eigenen Angaben 22,8 Millionen Euro für die Tsunami-Opfer ein. Die Diakonie Katastrophenhilfe rechnet damit, mindestens acht bis zehn Millionen Euro zu bekommen.
Völlig überwältigt von der Großzügigkeit
ist auch die Hilfsorganisation "Ärzte ohne Grenzen". Bis Montagabend erhielt sie 20 Millionen Euro. Das sei laut Geschäftsführerin Ulrike von Pilar mehr als das gesamte Spendenaufkommen im Jahr 2003. Die Summe sei so hoch, dass zweckgebundene Spenden für Südostasien nicht mehr angenommen werden könnten.
Hilfsorganisationen in der Region:
Das Deutsche Rote Kreuz ist in Sri Lanka, Indonesien und Malaysia im Einsatz. Es hilft mit drei Erkundungsteams, zwei Wasseraufbereitungsanlagen und einer Basisgesundheitsstation. Das Technische Hilfswerk hat 97 Helfer nach Indonesien, Sri Lanka, Thailand und auf die Malediven entsendet. Die Helfer bereiten Trinkwasser auf, setzen verschlammte Brunnenanlagen in Stand und reparieren zerstörte Infrastruktur. Zusammen mit einheimischen Partnerorganisationen versorgt die Deutsche Welthungerhilfe rund 70.000 Menschen in Sri Lanka, Südindien und Thailand mit Reis, Linsen, Decken, Kleidung, Medikamenten und Trinkwasser. Auch im gefährlichen Norden Sri Lankas ist die Hilfsorganisation vertreten. Der Arbeiter-Samariter-Bund hat neben der Hilfe für die Einheimischen deutsche Flutopfer in Phuket psychologisch betreut.
Vor diesem Hintergrund steht für die USA bei der Katastrophenhilfe viel auf dem Spiel. Jeglicher amerikanische "Fehltritt" in dieser "explosiven" Region werde mit Sicherheit von islamischen Extremisten für deren eigene Zwecke ausgenutzt, sagt ein US-Regierungsbeamter warnend. Und: "Wir können uns keine Fehler leisten."
Mittlerweile scheint Bush den politischen Wert monetärer als auch symbolischer Gesten erkannt zu haben. Es werden nun Hubschrauber, Räumpanzer, Flugzeugträger, Ärzte, Medizin und Nahrung in die Katastrophengebiete geschickt. Die militärische US-Hilfsaktion für die Flutopfer ist die bisher größte der USA seit 50 Jahren. Dazu reisen einige Prominente wie den Bush-Bruder und Gouverneur von Florida, Jeb Bush sowie Noch-Außenminister Colin Powell nach Südasien. Powell sicherte, in Thailand eingetroffen, den betroffenen Ländern Unterstützung zu. Am Donnerstag wird Powell in der indonesischen Hauptstadt Jakarta zudem an einer internationalen Konferenz über den Wiederaufbau der Katastrophenregion teilnehmen.
Auf dieser Geberkonferenz will der britische Finanzminister Gordon Brown einen neuen "Marshall-Plan" vorzustellen, um den langfristigen Wiederaufbau sicherzustellen. Seinen Angaben zufolge wird ein Vorschlag von Bundeskanzler Gerhard Schröder, den besonders schwer getroffenen Staaten bei der Rückzahlung ihrer Schulden entgegenzukommen, von den G-8-Staaten unterstützt.
Es sei wahrscheinlich, dass sich die reichsten Länder als Reaktion auf die Flut auf ein Einfrieren der Schuldenrückzahlungen einigen würden, sagte Brown dem Sender BBC. Dadurch hätten die betroffenen Regierungen insgesamt 5,7 Milliarden US-Dollar mehr für den Wiederaufbau zur Verfügung.
Das allein aber soll es nicht gewesen sein. Die Hilfsbereitschaft geht auch über Parteigrenzen hinaus. Und so kam es, dass George W. Bush, zusammen mit zwei Ex-Präsidenten, seinem Vater George Bush und dem Demokraten Bill Clinton jüngst gemeinsam um Spenden für die Flutopfer warben. Sie alle würden in den kommenden Tagen alle Amerikaner, Privatpersonen und Unternehmen, um Unterstützung der Hilfsorganisationen bitten, die bereits im Katastrophengebiet im Einsatz seien. Auch kleine Spenden seien hilfreich, sagte Bush junior.
Allerdings mahnt die "New York Times", dass das im Rampenlicht der Medien zugesagte Geld auch tatsächlich geschickt und nicht nur zugesagt werde. Die Bush-Regierung sei dafür bekannt, wunderbare Geldtöpfe zu versprechen wenn die Kameras eingeschaltet sind, um dann die Sache nicht durchzuziehen wenn die Aufmerksamkeit vorbei ist.
Deutschland gibt "sehr viel mehr" Geld
Der Aktionismus des erwachten Riesen scheint ansteckend zu sein. Auch die Bundesregierung will ihre Fluthilfe für Südasien nun massiv aufstocken. Es werde "sehr viel mehr" Geld für die Opfer der Katastrophe geben, kündigte Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul an. Aus den bisherigen 20 Millionen Euro sollen 500 Millionen werden, heißt es. Über den genauen Betrag werde am Mittwoch im Bundeskabinett beraten.
Trotz der großzügigen Gesten, ob nun aus Mitgefühl oder aus politischer Berechnung bemängelt der amerikanische Ökonom Jeffrey Sachs grundsätzliches Engagement in den bedüftigen Ländern. In der "Zeit" erinnert er jetzt Deutschland, Japan und die USA an ihr Versprechen gegenüber den Vereinten Nationen, die Entwicklungshilfe auf 0,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts aufzustocken. "Bisher ist nichts dergleichen getan worden", so Sachs. "Statt Entwicklung zu finanzieren, bevor die Desaster kommen, antworten die reichen Länder kurzfristig mit enormer humanitärer Hilfe - dann verschwindet das Thema wieder von der Agenda."