Afghanistan Die Einsätze der Bundeswehr

Von Eric Chauvistré
ISAF, Operation Enduring Freedom und der Tornado-Einsatz: Die Bundeswehr mischt seit 2001 aktiv im Krisengebiet Afghanistan mit. stern.de gibt einen Überblick über die verschiedenen Einsatzgebiete der deutschen Soldaten.

Die Stationierung von Bundeswehr-Einheiten in Afghanistan basiert derzeit auf drei unterschiedlichen Beschlüssen des Bundestages. Diese beziehen sich auf die Teilnahme deutscher Truppen an der US-geführten "Operation Enduring Freedom" (OEF), auf die Stationierung von Bodentruppen als Teil der "Internationalen Sicherheits- unterstützungstruppe" (ISAF) und, davon abgetrennt, auf den Einsatz von Tornado-Jets der Bundeswehr im Rahmen der ISAF.

Operation Enduring Freedom (OEF)

Nach den Anschlägen vom 11. September auf das New Yorker World Trade Center und das Pentagon in Washington kündigte die US-Regierung unter George W. Bush einen weltweiten Krieg gegen den Terror an. Unter der Operation "Enduring Freedom" ("Dauerhafte Freiheit") formten die USA dazu eine lose Koalition außerhalb der Strukturen der Nato. Seit November 2001 ist die Bundeswehr offiziell an OEF beteiligt.

OEF ist kein Einsatz im Auftrag des UN-Sicherheitsrats. Die USA und die Bundesregierung berufen sich stattdessen auf das Selbstverteidigungsrecht unter Artikel 51 der UN-Charta. Es ist umstritten, ob dieser Bezug mehr als sechs Jahre nach den Anschlägen vom 11. September noch legitim ist.

Insgesamt darf die Bundesregierung unter dem Mandat für die "Operation Enduring Freedom" 1800 Soldaten einsetzen. Für Afghanistan vorgesehen sind die darin enthaltenen 100 Soldaten des "Kommandos Spezialkräfte" der Bundeswehr. Das KSK operiert verdeckt und in kleinen Einheiten, über seinen Einsatz verweigert die Bundesregierung jede Information.

Verteidigungsminister Franz Josef Jung brach mit dieser Linie, als er im Oktober 2006 erklärte, in seiner Amtszeit sei das KSK zumindest im Rahmen von OEF nicht im Einsatz gewesen. Eine Beendigung des OEF-Mandats hätte also keine Auswirkungen auf die Anwesenheit der Bundeswehr in Afghanistan.

Das OEF-Mandat wird jährlich erneuert

Der Bundestag erteilte erstmals am 16. November 2001 die Genehmigung zur Beteiligung der Bundeswehr an OEF. Diese Abstimmung über das OEF-Mandat führte zu einer Krise innerhalb der damaligen rot-grünen Koalition, da angekündigte Nein-Stimmen aus den Reihen der Grünen eine eigene Mehrheit der Regierung gefährdeten. Gerhard Schröder verband daraufhin die Abstimmung über das OEF-Mandat mit der Vertauensfrage. Seitdem ist das OEF-Mandat jährlich erneuert worden.

Der zahlenmäßig größte Anteil der genehmigten Einsatzkräfte entfällt auf die Bundesmarine. Unter dem OEF-Mandat patrouillieren deutsche Fregatten am Horn von Afrika. Theoretisch könnte die Bundesregierung innerhalb des vom Parlament genehmigten Gesamtrahmens eigenmächtig umverteilen und das OEF-Mandat zu einer Aufstockung der Truppen in Afghanistan nutzen. Politisch wäre dies aber kaum durchhaltbar.

Internationale Sicherheitsunterstützungstruppe (ISAF)

Die "Internationale Sicherheits- unterstützungstruppe" (ISAF) wurde am 20. Dezember 2001 mit Verabschiedung der Resolution 1386 durch den UN-Sicherheitsrat eingerichtet. Ihr Einsatzgebiet war zunächst auf die Hauptstadt begrenzt und sollte die afghanische Übergangsregierung und das nach Kabul entsandte UN-Personal schützen.

Der Bundestag beschloss erstmals am 22. Dezember 2001 eine Beteiligung an der ISAF. Die Bundesregierung entsandte zunächst 1200 Soldaten nach Kabul, mittlerweile liegt das vom Bundestag festgesetzte obere Limit bei 3000. Bei Kontingentwechseln dürfen kurzfristig auch mehr Soldaten in Afghanistan stationiert sein.

Seit dem 11. August 2003 wird die ISAF nicht mehr im Wechsel von einzelnen Truppen stellenden Staaten sondern von der NATO geführt. Mit der Übernahme der Führung durch das atlantische Bündnis ging eine geographische Ausweitung einher. Seit 31. Mai 2006 gehört der Westen des Landes um die Stadt Herat zum Gebiet der ISAF. Am 31. Juli 2006 erweiterte die Nato das Gebiet des ISAF-Einsatzes in die unruhigen Südprovinzen rund um Kandahar. Seit dem 5. Oktober 2006 stehen die ISAF-Truppen auch im hart umkämpften Osten des Landes.

Der Gesamtumfang der ISAF-Truppen ist von Ursprünglich 5000 auf jetzt 33.000 angewachsen. Seit die Nato die ISAF-Führung unternommen hat, agiert auch der größte Teil der US-Truppen in Afghanistan unter dem Label der internationalen Schutztruppe. Mit 14.750 Soldaten stellen die Amerikaner das mit Abstand größte Kontingent vor Briten und Deutschen. Geführt wird die ISAF derzeit von dem US-General Dan K. McNeill.

Das ISAF-Mandat des Bundestages weist der Bundeswehr das relativ ruhige Gebiet im Norden Afghanistans zu. Doch kann die Bundeswehr "in anderen Regionen für zeitlich und im Umfang begrenzte Unterstützungsmaßnahmen eingesetzt werden, sofern diese Unterstützungsmaßnahmen zur Erfüllung des ISAF-Gesamtauftrages unabweisbar sind". Die Bundesregierung macht von dieser Ausnahmeklausel Gebrauch, um Bundeswehrangehörige als Fernmeldetechniker und in Verbindungskommandos andere Nato-Staaten im Süden Afghanistans einzusetzen. Zudem unternimmt die Bundeswehr regelmäßig Transportflüge in die südlichen Unruheregionen.

Tornado-Einsatz

Die Stationierung von sechs deutschen Tornados in Afghanistan ist Teil des ISAF-Einsatzes, wurde am 9. März 2007 jedoch durch einen gesonderten Bundestagsbeschluss genehmigt. Damit wurde der Gesamtumfang des deutschen ISAF-Kontingents um weitere 500 Soldaten erweitert. Bereits im April wurden die Maschinen zu ihrem Einsatzort in Masar-i-Scharif im Norden Afghanistans verlegt. Mit ihren Aufklärungsflügen über ganz Afghanistan sollen sie andere ISAF-Truppen beim Vorgehen gegen Taliban-Stellungen (im Nato-Sprachgebrauch "Opposing Militant Forces") unterstützen.

Als die Bundesregierung die Stationierung der Jets im Frühjahr 2007 ins Gespräch brachte, gingen führende Koalitionpolitiker zunächst davon aus, dass der Einsatz vom bestehenden Mandat des Bundestages gedeckt sei. Wie bei Versorgungsflügen sollte sich auch für die Tornados auf die Klausel im Bundestagsmandat berufen werden, das "begrenzte Unterstützungsmaßnahmen" gestattet.

Tornado-Mandat trifft auf viele Gegner

Um Unmut in der SPD-Fraktion abzuwenden und um Rechtssicherheit zu schaffen, legte die Bundesregierung dem Parlament schließlich doch ein ergänzendes Mandat vor. Aus der SPD-Fraktion gab bei der Schlussabstimmung im Bundestag 69 Nein-Stimmen, fast ein Drittel der sozialdemokratischen Abgeordneten stimmten damit gegen den Einsatz. Auch bei den Grünen gab es 21 Gegenstimmen, 26 grüne Abgeordnete stimmten für die Entsendung der Tornados.

Beide ISAF-Mandate müssen bis zum 13. Oktober vom Parlament erneuert werden. Es gibt keinen zwingenden Grund für die Bundesregierung, die derzeitige Trennung zwischen den Bundestagsmandaten für den Tornado-Einsatz vom restlichen ISAF-Einsatz aufrechtzuerhalten.