Angekündigter Rücktritt Berlusconis Italien geht den griechischen Weg

Die Börsen hat Berlusconis Rücktrittsankündigung kalt gelassen. Sie befürchten taktische Spielchen, denn eine Übergangsregierung lehnt der "Cavaliere" ab. Nun befindet sich auch Italien im Leerlauf.

Trotz der Rücktrittsankündigung von Ministerpräsident Silvio Berlusconitaumelt das hoch verschuldete Italien immer tiefer in die Krise. Der bevorstehende Abgang des skandalumwitterten Regierungschefs vermochte die Finanzmärkte nicht zu beruhigen und die Ängste vor einer Eskalation der Schuldenkrise nicht einzudämmen. Die Zinsen für Staatsanleihen des EU-Mitbegründers stiegen am Mittwoch erstmals seit der Euro-Einführung auf über sieben Prozent und damit auf ein Niveau, auf dem sich die drittgrößte Volkswirtschaft der Euro-Zone auf Dauer nicht wird refinanzieren können. Nach anfänglicher Beruhigung an den Börsen fiel der Euro am Mittwoch in Richtung 1,36 US-Dollar. Die europäischen Aktienmärkte starteten zwar mit Gewinnen in den Handel, sackten dann aber rasch mehr als 2,5 Prozent ins Minus.

In Rom bemühten sich Präsident Giorgio Napolitano und die Opposition um Klarheit über den künftigen Kurs Italiens. Die Fraktionschefs von Regierungs- und Oppositionsparteien verständigten sich am Mittwochabend darauf, das Gesetz und die Reformzusätze schon bis Samstagnachmittag durch Senat und Abgeordnetenhaus zu bringen. Berlusconi hatte dies zur Bedingung für seinen Abgang gemacht.

Märkte und Medien glauben Berlusconi nicht

In italienischen Medien wurde indes spekuliert, der verzögerte Rücktritt Berlusconis könnte ein taktisches Manöver sein. Mehrere linksgerichtete Zeitungen kommentierten, möglicherweise spiele der Regierungschef auf Zeit und wolle eigentlich nicht zurücktreten. Eine von der Opposition geforderte Übergangsregierung schloss Berlusconi aus. Neuwahlen seien die einzige Alternative. Der Chef der Demokratischen Partei, Pier Luigi Bersani, bekräftigte dagegen den Vorschlag, eine Interimsregierung aus allen Lagern zu bilden.

Der Regierungschef selbst bekräftigte seine Absicht, nach der Umsetzung der Reformen zurückzutreten und stellte Neuwahlen Anfang Februar in Aussicht, zu denen er nicht wieder antreten werde. Und auch Staatspräsident Giorgio Napolitano versicherte, es bestehe kein Zweifel, dass Berlusconi wirklich zurücktreten werde. Dann werde man so schnell wie möglich mit Konsultationen beginnen, um eine Übergangsregierung zu bilden. Sei dies nicht möglich, gebe es Neuwahlen. Gegen die Neuwahlpläne machten zwei Flügel der Berlusconi-Partei PDL Front, die bisher treu zu dem Medien-Milliardär standen.

Berlusconi hat sich Nachfolger ausgeguckt

Berlusconi selbst hat eine klare Vorstellung von einem geeigneten Nachfolger. "Der Mitte-Rechts-Kandidat wird Angelino Alfano sein, er wird von allen akzeptiert", so der Regierungschef. Alfano, früher Justizminister, ist Chef der Berlusconi-Partei PdL (Volk der Freiheit). Ob Alfano, seit langem der Kronprinz des Cavaliere, sich durchsetzt, entscheiden letztlich die 1,2 Millionen PdL-Mitglieder. Die Mitte-Rechts-Parteien sind für Neuwahlen, der größte Teil der linken Opposition will eine Übergangsregierung. Als Chef einer solchen wird der ehemalige EU-Kommissar Mario Monti gehandelt, den Napolitano am Nachmittag zum Senator auf Lebenszeit erklärte.

Napolitano kündigte an, er werde nach Verabschiedung der Haushaltsreform mit allen politischen Parteien Konsultationen aufnehmen. Jetzt sei rasches Handeln nötig, um das Vertrauen der Finanzmärkte in die Glaubwürdigkeit des Landes wiederherzustellen. "Dies erfordert ein sofortiges und nachhaltiges Bekenntnis zu soliden Staatsfinanzen." Falls erforderlich, könnten jederzeit Notmaßnahmen ergriffen werden.

Die Chefin des italienischen Industrieverbandes "Confindustria", Emma Marcegaglia, drängte zur Eile: "Wir können die Wahrheit nicht mehr verheimlichen: Das Land steht am Abgrund. Entweder handeln wir jetzt oder wir enden wie Griechenland."

Merkel und Cameron drücken aufs Tempo

Bundeskanzlerin Angela Merkel sagte in einem Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur: "Italien muss seine Sparanstrengungen verstärken - und das weiß auch die italienische Regierung. Sie hat einen Plan vorgelegt, der jetzt umgesetzt werden muss." Zur Frage, ob die bisherigen Sparpläne Roms ausreichen, sagte die Kanzlerin: "Kein Staat kann zurzeit von sich behaupten, er sei am Ende des Reformweges, wir alle werden immer wieder über Anpassungen nachdenken müssen. Aber für Italien kann man sagen, dass das Land sich bereits viel vorgenommen hat." Die Entwicklung auf den Finanzmärkten bereite der Bundesregierung generell Sorgen.

Der britische Premierminister David Cameron sagte, die Zinsen für italienische Staatsanleihen lägen längst über einem nachhaltigen Niveau. "Wenn man keine glaubwürdigen Plan hat, mit seinen Schulden umzugehen und das Defizit anzugehen, dann bekommt man kein Geld geliehen, ob man die Märkte nun mag oder nicht", sagte er im Parlament in London. Das sehe man in Griechenland "und nun tragischerweise auch in Italien."

Das Bundesfinanzministerium wies einen Bericht zurück, wonach Berlusconi beim G20-Gipfel Unterstützung durch den Euro-Rettungsschirm EFSF angeboten wurde. Zuvor hatte Reuters am Mittwoch unter Berufung auf mehrere Teilnehmer einer Sitzung des Bundestags-Haushaltsausschusses berichtet, Schäuble habe dort gesagt, Berlusconi sei in Cannes EFSF-Hilfe angeboten worden, was dieser abgelehnt habe.

Rettungsschirm nicht groß genug für Italien

Analysten zufolge befindet sich Italien mittlerweile genau in der Lage, in der Griechenland, Portugal und Irland waren, bevor sie unter den Euro-Rettungsschirm schlüpften. Der Hilfsfonds EFSF ist aber nach wie vor aber viel zu klein, um Italien mit seiner Gesamtschuldenlast von 1,9 Billionen Euro stützen zu können. Das Hebelmodell, mit dem der EFSF nach einem Beschluss der Euro-Staats- und Regierungschefs bis auf eine Billionen Euro erweitert werden soll, ist noch nicht funktionstüchtig. Außerdem bestehen nach den jüngsten Turbulenzen in Griechenland kaum Aussichten, dass sich private Investoren oder Staatsfonds etwa aus China und Russland daran in großem Stil beteiligen.

In Rom trafen Inspektoren der Europäischen Union ein. Sie sollen sicherstellen, dass die von Italien beim G20-Treffen vergangene Woche in Cannes zugesagten Wirtschaftsreformen auch umgesetzt werden. In Cannes hatte sich Berlusconi dazu bereiterklärt, den Reformkurs des Landes unter die Aufsicht des Internationalen Währungsfonds zu stellen, der am Euro-Rettungsschirm beteiligt ist.

DPA · Reuters
swd/DPA/Reuters