Angriff auf Demonstranten Syriens Armee beschießt ihr Volk

Die Lage in Syrien wird zunehmend katastrophaler. Die Regierung schießt auf Demonstranten - jetzt offenbar auch aus Hubschraubern. Die Forderungen der UN nach einem Ende der Gewalt lassen Machthaber Baschar al-Assad kalt.

Die syrische Armee ist in die Offensive gegangen - im eigenen Land gegen das eigene Volk. Im Visier der Soldaten im Großeinsatz in der Provinz Idlib im Nordwesten des Landes standen am Freitag Regimegegner. Auf türkischer Seite der nahe gelegenen Grenze war Geschützdonner zu hören. In mehreren Städten Syriens gingen nach dem Freitagsgebet Demonstranten auf die Straße, die zum Sturz des Regimes aufriefen. Nach Informationen arabischer TV-Sender wurden mindestens fünf Demonstranten erschossen, darunter auch ein Kind. Außenminister Guido Westerwelle sagte der Türkei humanitäre Hilfe für Flüchtlinge aus Syrien zu.

Die UN drängten Syriens Machthaber Baschar al-Assad erneut zu einem Ende der Gewalt. Während im Sicherheitsrat in New York am Freitag weiter über eine Resolution gegen das Land debattiert wurde, nannte UN-Generalsekretär Ban Ki Moon das gewaltsame Vorgehen der Sicherheitskräfte "inakzeptabel". Der türkische Regierungschef Recep Tayyip Erdogan sprach von "Gräueltaten" an Zivilisten im Nachbarland.

Regime spricht von "bewaffneten Banden"

Der Nachrichtensender Al Dschasira meldete, neun Mitglieder der regierenden Baath-Partei aus Idlib seien aus Protest gegen die Militäroperation aus der Partei ausgetreten. Die staatlichen syrischen Medien sprachen von einem Einsatz gegen "bewaffnete Banden" in Idlib und behaupteten, diese hätten Felder, Heuschober und Wälder angezündet.

Augenzeugen berichteten auf den Internet-Seiten der Opposition von Schüssen sowie von Panzern, die in die Kleinstadt Dschisr al Schogur eindrangen. Später hieß es, der Ort gleiche einer Geisterstadt. Ein Großteil der Bevölkerung sei aus der Kleinstadt geflüchtet. Einige Familien seien von der Armee vertrieben worden. Anfang der Woche waren in der Ortschaft nahe der Grenze zur Türkei nach offiziellen Angaben aus Damaskus 120 Soldaten und Polizisten getötet worden.

In der nordwestlichen Stadt Maarat al-Numaa soll die Armee auch mit Kampfhubschraubern auf Demonstranten gefeuert haben. Das berichten zumindest Menschenrechtler. Es sind die ersten Meldungen über einen Lufteinsatz.

Tausende Syrer fliehen in die Türkei

Das Regime macht Extremisten für die Toten von Dschisr al Schogur verantwortlich. Regimegegner aus dem Bezirk hatten dagegen berichtet, die Soldaten und Polizisten seien von Angehörigen der Sicherheitskräfte erschossen worden, weil sie sich Befehlen widersetzt hätten.

Aus Furcht vor der angekündigten Militäroffensive sind seit Anfang dieser Woche nach Angaben der türkischen Nachrichtenagentur Anadolu schon mehr als 3000 Menschen in die Türkei geflüchtet. Aktivisten warnten, dass sich unter die Flüchtenden auch einige Mitarbeiter des syrischen Geheimdienstes gemischt hätten.

Türkei geht auf Distanz zu Syrien

Einige Regimegegner hatten in den vergangenen Tagen auch versucht, sich in den Irak zu retten. Dort sind sie jedoch nicht willkommen. Ein Angehöriger der irakischen Sicherheitskräfte sagte, am vergangenen Mittwoch seien zwei "illegale Grenzgänger" erschossen worden. Mehrere Syrer, "die von den Sicherheitsbehörden in ihrer Heimat gesucht wurden", seien festgenommen und abgeschoben worden.

Die Regimegegner, die den seit 2000 amtierenden Präsidenten Assad und die Baath-Partei stürzen wollen, hatten für Freitag nach dem Mittagsgebet zu neuen Massendemonstrationen aufgerufen. Die Proteste standen diesmal unter dem Motto "Freitag der Stämme". Oppositionskreise stellten Videos ins Internet, die Proteste in den Städten Aleppo, Daara, Homs, Latakia, Bu Kamal, Kamischli und Deir al-Zor zeigen sollen. Kleinere Protestaktionen wurden auch aus Aleppo und der Hauptstadt Damaskus gemeldet.

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dho/DPA