Mit schweren Zusammenstößen in Teheran ist der Konflikt um die Wiederwahl des iranischen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad am Samstag weiter eskaliert. Augenzeugen berichteten von massiven Auseinandersetzungen von Anhängern der Opposition mit Sicherheitskräften und Gefolgsleuten Ahmadinedschads. Über dem Revolutionsplatz sei dichter Rauch aufgestiegen. Dort hätten rund 3000 Anhänger des unterlegenen Präsidentschaftskandidaten Mir-Hussein Mussawi demonstriert und "Tod der Diktatur" und "Tod dem Diktator" gerufen. Die Polizei setzte Schlagstöcke, Tränengas und Wasserwerfer ein und soll in die Luft geschossen haben, um die Menschen auseinanderzutreiben.
Polizei und regierungstreue Milizen hätten 50 bis 60 Protestierende so schwer verletzt, dass sie in das Imam-Chomeini-Krankenhaus gebracht werden mussten, sagten Augenzeugen der Nachrichtenagentur AP. Mehrere blutende Demonstranten seien von Mitstreitern weggetragen worden. Einige der Protestierenden hätten daraufhin Motorräder der Milizen in Brand gesteckt. Das Vorgehen der Staatsmacht war offenbar das bislang härteste. Hubschrauber kreisten über der Stadt, die Sirenen von Krankenwagen waren zu hören. Über der Stadt war schwarzer Rauch zu sehen. Die Berichterstattung in- und ausländischer Medien wurde erneut massiv behindert.
Für eine weitere Zuspitzung sorgten Meldungen staatlicher Medien, wonach sich ein Selbstmordattentäter vor dem Mausoleum von Ajatollah Khomeini im Süden Teherans in die Luft gesprengt hat. Dabei sollen zwei Menschen getötet und acht weitere verletzt worden sein. Eine unabhängige Bestätigung dafür gab es zunächst nicht. Ob ein Zusammenhang mit den Massenprotesten besteht, ist unklar. Das Mausoleum des islamischen Revolutionsführers Khomeini gilt vielen Iranern als Heiligtum.
In Erwartung neuer Proteste waren in ganz Teheran starke Spezialeinheiten der Polizei aufgezogen. Sicherheitskräfte versuchten, Demonstranten am Vordringen in die Innenstadt zu hindern. Dort gelang es der Polizei nach Angaben von Beobachtern, mehrere hundert Protestierende zu zerstreuen, die vor Tränengas und Wasserwerfern in Seitenstraßen geflohen seien. Die Polizei soll dabei auch mehrfach Warnschüsse abgeben haben. Offenbar habe die Taktik der Polizei zunächst gewirkt, meinten Beobachter. Es seien deutlich weniger Demonstranten unterwegs gewesen als in den vergangenen Tagen.
Nach Angaben von Augenzeugen kam es auch zu Zusammenstößen zwischen den Anhängern von Mussawi und denen von Ahmadinedschad. Auch die "Basidsch"-Milizen, die den Präsidenten unterstützen, waren im Einsatz. Ihre Gegner hätten eines der Gebäude der Milizen im Süden Teherans angezündet, hieß es.
Der Nachrichtensender Khabar hatte am Samstagvormittag nochmals Vize-Polizeichef Ahmad Reda Radan mit der Ankündigung zitiert, die Polizei werde hart gegen jede illegale Demonstration vorgehen. Daraufhin hatten die Hauptveranstalter um Mussawi die für den Nachmittag geplante Massenkundgebung abgesagt. Allerdings hatten auch am vergangenen Montag Hunderttausende im Zentrum Teherans demonstriert, obwohl Mussawi den Protestzug kurz vor Beginn abgesagt hatte. Dabei waren mindestens acht Demonstranten in Auseinandersetzungen mit Sicherheitskräften getötet worden.
Der oberste Führer des Landes, Ajatollah Ali Chamenei, hatte am Freitag Wahlfälschung in großem Stil ausgeschlossen. Gleichzeitig hatte er die Opposition aufgeordert, Einwände auf dem Rechtsweg vorzubringen, und mit Konsequenzen gedroht, sollte die "illegalen" Demonstrationen weitergehen. US-Präsident Barack Obama zeigte sich "sehr besorgt" über einiges im "Tenor und Ton" von Chameneis Freitagspredigt. Die Regierung in Teheran sollte "erkennen, dass die Welt auf sie blickt. Und wie sie mit den Menschen umgehen, die auf friedliche Weise versuchen, sich Gehör zu verschaffen, wird ... ein ziemlich klares Signal an die internationale Gemeinschaft darüber aussenden, was der Iran ist - und nicht ist", sagte Obama im Gespräch mit dem US-TV-Sender CBS.
Derweil erklärte sich der iranische Wächterrat zwar bereit, stichprobenartig zehn Prozent der Stimmen neu auszuzählen. Die beiden Zweit- und Drittplatzierten bei der Wahl, Mussawi und Mehdi Karrubi, kamen allerdings der Einladung des Rats zur Sitzung am Samstag nicht nach. Damit wollten sie nach Einschätzung von Beobachtern ihre Forderung nach Wiederholung der gesamten Wahl bekräftigen.
Auch Europaweit demonstrierten wieder Exiliraner gegen die Wiederwahl Ahmadinedschads. In Hamburg, Frankfurt/Main und Stuttgart gingen am Samstag weit über tausend Menschen auf die Straße.