Im Flüchtlingskonflikt mit Belarus haben die Außenminister der Europäischen Union eine weitere Verschärfung der Sanktionen auf den Weg gebracht. Sie stimmten in Brüssel einem erweiterten Sanktionsregime zu, wie der Rat der 27 Mitgliedstaaten mitteilte. Damit könne die EU nun auch "die Instrumentalisierung von Migranten für politische Zwecke" unter Strafe stellen, erklärte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell.
Der Erklärung zufolge kann die EU erstmals Verantwortliche und Organisationen mit Sanktionen belegen, die Belarus dabei helfen, "das illegale Überschreiten der EU-Außengrenzen zu erleichtern". Die neuen Strafmaßnahmen sollen nach Borrells Angaben Fluggesellschaften, Reisebüros und andere Verantwortliche treffen, die sich am Schleusen der Migranten beteiligen. Die Sanktionsliste soll laut Diplomaten in den kommenden Wochen ausgearbeitet werden.
Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) drohte in Brüssel damit, Fluggesellschaften aus Drittländern die Überflug- und Landegenehmigungen in Europa zu entziehen. Für die belarussischen Airlines hatte die EU bereits im Mai ein entsprechendes Verbot verhängt. Maas nannte daneben auch "harte Wirtschaftssanktionen unumgänglich". Der SPD-Politiker denkt dabei laut früheren Aussagen etwa an die belarussische Kali-Industrie, die dem Land Devisen in die Kassen spült.
Zynisches Spiel von Lukaschenko
Der Führung der Ex-Sowjetrepublik Belarus wird vorgeworfen, gezielt Migranten ins Land zu holen, um sie dann zur Weiterreise in die EU an die Grenze zu Polen, Litauen und Lettland zu bringen. Vermutet wird, dass sich Machthaber Alexander Lukaschenko damit für Sanktionen rächen will, die die EU wegen der Unterdrückung der Zivilgesellschaft und der demokratischen Opposition erlassen hat
Zu den Flugzeugleasinggesellschaften, die Maschinen an Belavia verliehen haben, gehören das dänische Unternehmen Nordic Aviation Capital sowie das irische Unternehmen AerCap. Nach Angaben aus EU-Kreisen hatte Belavia zuletzt deutlich mehr als die Hälfte seiner genutzten Flugzeuge nur geleast.
Videoaufnahmen der polnischen Behörden zufolge hat sich unterdessen an einem geschlossenen Grenzübergang zwischen Polen eine große Gruppe von Flüchtlingen versammelt. "Immer mehr Gruppen von Migranten werden von belarussischen Truppen zum Grenzübergang Kuznica gebracht", teilte das polnische Verteidigungsministerium auf Twitter mit. Polen bereitet sich nach eigenen Angaben auf Grenzdurchbrüche vor.
Videos der polnischen Grenztruppen und des Militärs zeigten offenbar hunderte Migranten vor Reihen polnischer Polizisten und Soldaten. Vize-Innenminister Maciej Wasik sprach von "tausenden Migranten" an dem Grenzübergang. Die polnischen Truppen seien "auf jegliches Szenario vorbereitet". Der polnische Grenzschutz teilte mit, "illegale Immigranten" hätten sich seit dem Morgen an dem Grenzposten versammelt. Es werde ein Versuch vorbereitet, die Grenze gewaltsam zu durchbrechen.
Zuletzt hatte es immer wieder Versuche von Migranten gegeben, die Grenze zu durchbrechen. Die Videos der polnischen Behörden konnten nicht unabhängig überprüft werden, da Journalisten der Zugang zum unmittelbaren Grenzgebiet verwehrt ist.
Tausende Menschen vor allem aus dem Nahen Osten sitzen derzeit bei Temperaturen um den Gefrierpunkt an der Grenze zu den EU-Mitgliedstaaten Polen, Litauen und Lettland fest. Die EU wirft dem belarussischen Machthaber Alexander Lukaschenko vor, absichtlich Flüchtlinge in die EU zu schleusen, um Vergeltung für frühere Sanktionsbeschlüsse zu üben.
Die gestrandeten Migranten sollten auf einem sicheren Weg in ihre jeweiligen Heimatländer zurückkehren können – "das ist neben der jetzt anstehenden humanitären Hilfe, für diejenigen, die im Grenzgebiet sind, der richtige Weg", antwortete Regierungssprecher Steffen Seibert in Berlin auf die Frage, ob es Überlegungen zur Aufnahme einiger dieser Menschen in Deutschland oder anderen EU-Staaten gebe.
Zahl der via Belarus einreisenden Migranten sinkt
Die Zahl der via Belarus nach Deutschland einreisenden Migranten sinkt derweil. Laut vorläufigen Zahlen der Sicherheitsbehörden vom Montag wurden von Freitag bis Sonntag insgesamt rund 225 unerlaubte Einreisen auf dieser Route registriert. Im gleichen Zeitraum waren in der Vorwoche noch fast 400 Ausländer festgestellt worden, die sich zuvor in Belarus aufgehalten hatten. Ein Grund für den Rückgang sind nach Einschätzung der deutschen Behörden Maßnahmen des polnischen Grenzschutzes.