Die Europäer können auf freundlichere Töne aus Washington setzen. Und das nicht nur, weil Antony Blinken in seiner Freizeit singt und Rock-Gitarre spielt. Vor allem aber ist der vom US-Senat als neuer Außenminister bestätigte 58-Jährige ein pro-europäischer Verfechter des Multilateralismus. Für Präsident Joe Biden soll Blinken in der Außenpolitik die Abkehr vom "America First" von Ex-Präsident Donald Trump umsetzen.
Blinken: "Wir können unsere Kern-Bündnisse wiederbeleben"
Zugleich steht der frühere Vize-Außenminister und langjährige Biden-Vertraute für eine gewisse Kontinuität in der US-Diplomatie. In einigen Bereichen wird es keinen Bruch mit Trumps Politik geben. Bei einer Senatsanhörung sagte Blinken kürzlich, der Ex-Präsident habe "mit seinem härteren Ansatz gegenüber China Recht gehabt". Und die umstrittene Entscheidung der Vorgänger-Regierung, die US-Botschaft in Israel nach Jerusalem zu verlegen, soll nicht rückgängig gemacht werden.
Eine grundsätzliche Kehrtwende soll es aber bei der internationalen Zusammenarbeit geben: Nach den Jahren nationaler Alleingänge unter Trump verkörpert Blinken die Rückkehr der USA zum Multilateralismus.
"Wir können unsere Kern-Bündnisse wiederbeleben", sagte der Absolvent der Elite-Universitäten Harvard und Columbia im Senat. "Gemeinsam sind wir viel besser in der Lage, den Bedrohungen durch Russland, den Iran und Nordkorea zu begegnen und für Demokratie und Menschenrechte einzutreten."
Blinken verbindet privat viel mit Europa
Präsident Biden hat bereits eine Rückkehr der USA in das Pariser Klimaschutzabkommen angeordnet und den von Trump eingeleiteten Austritt aus der Weltgesundheitsorganisation (WHO) gestoppt. Die USA wollen auch zum internationalen Atomabkommen mit dem Iran zurückkehren. Blinken betont aber, dass Teheran sich dafür wieder an die Vereinbarung halten muss – und dass striktere Vorgaben für den Iran das Ziel neuer Verhandlungen sein müssen.
Der Umgang mit Teheran hatte das Verhältnis zwischen den USA und den Europäern, die an dem Atomabkommen festhielten, in den Trump-Jahren stark belastet. Blinkens bärbeißiger Vorgänger Mike Pompeo warf den Europäern schon mal um die Ohren, sich "auf die Seite der Ayatollahs" zu stellen.
Solche Töne dürfte es von dem stets höflichen und ruhigen Blinken nicht geben. Das Verhältnis zu den traditionellen Verbündete wieder zu kitten, dürfte dem neuen Chefdiplomaten auch ein persönliches Anliegen sein – zumal ihn privat viel mit Europa verbindet. Der in New York geborene Blinken ging in Paris zur Schule, wo sein Stiefvater wohnte, der Holocaust-Überlebende Samuel Pisar. Später arbeitete er in der französischen Hauptstadt als Anwalt, er spricht fließend Französisch.
Der Mann für eine robuste Außenpolitik
Der meist Tony angesprochene Vater zweier Kinder verfügt über große außen- und sicherheitspolitische Erfahrung. Schon in den 1990er Jahren arbeitete er unter Präsident Bill Clinton im Team des Nationalen Sicherheitsrats. Unter Präsident Barack Obama wurde er Sicherheitsberater für Vizepräsident Biden, später stellvertretender Nationaler Sicherheitsberater und dann Stellvertreter von Außenminister John Kerry.
Den Obama-Jahren steht Blinken nicht unkritisch gegenüber. So räumte er ein Scheitern der Regierung des zögerlichen Obama im Umgang mit dem blutigen Bürgerkrieg in Syrien ein: "Wir sind gescheitert. Nicht, weil wir es nicht versucht hätten, aber wir sind gescheitert."
Denn Blinken tritt für eine robuste Außenpolitik ein, wenn es um die Verhinderung von Gräueltaten geht. Geprägt wurde er dabei von seinem Stiefvater, der als Jugendlicher das Vernichtungslager Auschwitz überlebt hatte. 2017 schilderte Blinken, wie Samuel Pisar zum Ende des Zweiten Weltkriegs bei einem Todesmarsch entkommen konnte und nach mehreren Tagen auf einen US-Panzer stieß.
"Er ist auf die Knie gegangen und hat die einzigen drei Wörter gesagt, die er kannte, die seine Mutter ihm beigebracht hatte: 'Gott segne Amerika'", berichtete Blinken. "Der GI hat ihn auf den Panzer gehoben – im übertragenen Sinne in die USA und in die Freiheit."
Er sei mit diesem Bild von einem "außergewöhnlichen, einmaligen, einladenden" Amerika aufgewachsen, sagte Blinken. Als Außenminister wird er viel Arbeit haben, weltweit wieder ein solches Bild von den USA zu vermitteln.