Debatte über Afghanistan "Regierung gefährdet unsere Soldaten"

Die Bombardierung zweier Tanker in Afghanistan gerät in den Wahlkampf. Die Opposition wettert gegen die Kommunikationspolitik der Regierung. Angela Merkel will nun eine Erklärung abgeben.

Nach dem von der Bundeswehr angeforderten Luftangriff auf zwei Tanklastwagen in Afghanistan üben zahlreiche Politiker aus Koalition und Opposition Kritik an der Informationspolitik der Regierung. CSU-Chef Horst Seehofer sagte der "Leipziger Volkszeitung", die Menschen müssten besser darüber informiert werden, was in dem Land wirklich passiere. "Von der nächsten Bundesregierung erwarte ich eine ehrliche Begründung für das zivile Aufbauprojekt in Afghanistan, das unter militärischem Schutz stattfindet, und eine Strategie für den Truppenabzug."

Deutlich schärfer äußerte sich Grünen-Chef Cem Özdemir. Er sagte dem "Hamburger Abendblatt", sowohl Merkel als auch Verteidigungsminister Franz Josef Jung "gefährden mit ihrer Reaktion auf das Bombardement des Tanklasterzuges unsere Soldatinnen und Soldaten vor Ort". Wer wie Jung daran festhalte, dass der Angriff richtig gewesen sei, verspiele in Afghanistan jedes Vertrauen in die internationalen Soldaten. Gleichzeitig lehnte Özdemir Forderungen nach einem Abzug aus Afghanistan ab. "Wenn ein Land von einer terroristischen Vereinigung besetzt wird, ist auch unsere Sicherheit bedroht", sagte er.

"Ich kann zivile Opfer nicht ausschließen"

Bundeskanzlerin Angela Merkel will an diesem Dienstag dem Bundestag erklären, was sich bei dem tödlichen Bombardement in der Nähe von Kundus abspielte und wie es in Afghanistan weitergehen soll. Verteidigungsminister Jung hatte am Montagabend einen Rücktritt wegen des Vorfalls abgelehnt. Allerdings räumte er erstmals ein, bei dem Luftangriff könnten auch Zivilpersonen getötet worden sein. "Ich habe gesagt, dass ich zivile Opfer nicht ausschließen kann", sagte der CDU-Politiker.

Wie viele Menschen bei dem Luftschlag am Freitag ums Leben kamen, ist derzeit noch unklar. Die Angaben schwanken zwischen 70 und 135 Menschen. In einem afghanischen Untersuchungsbericht ist von keinen zivilen Opfern die Rede, laut einer afghanischen Menschenrechtsorganisation gab es indes bis zu 70 zivile Opfer. Die Taliban, deren Angaben selten der Realität entsprechen, sprachen in einer Erklärung von 150 getöteten Dorfbewohnern.

Linke fordert konkretes Abzugsdatum

Auch wenn die genaue Zahl der zivilen Opfer noch nicht feststeht, kritisierte SPD-Generalsekretär Hubertus Heil den Verteidigungsminister ebenfalls. "Die Art und Weise, wie Jung agiert, ist nicht immer glücklich", sagte er. "Deutschland hatte schon stärkere Verteidigungsminister als Herrn Jung."

Linken-Chef Oskar Lafontaine sprach sich in den "Ruhr-Nachrichten" wie Seehofer für ein konkretes Datum für einen Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan aus. "Diesen Kampf kann man nicht gewinnen. Es ist an der Zeit, die Bundeswehr sofort aus Afghanistan abzuziehen", sagte er. "Zumindest sollte man jetzt ein festes Abzugsdatum nennen - etwa 2010 oder 2011."

Taliban fordern Bericht der Uno

Auch der CDU-Europaabgeordnete und Außenpolitiker Elmar Brok forderte eine konkrete Perspektive für den Abzug vom Hindukusch. "Wir brauchen ein glaubwürdiges Ausstiegsszenario", sagte er der "Frankfurter Rundschau". "Selbst ein Zeitraum von fünf Jahren ist zu lang." Es müsse nachdenklich stimmen, dass die Nato nach so vielen Jahren der Anwesenheit in Afghanistan noch immer nicht in der Lage sei, in der unmittelbaren Nachbarschaft ihrer Stützpunkte für Sicherheit zu sorgen, kritisierte der Außenpolitiker.

Unterdessen forderten die Taliban eine Untersuchung durch die Vereinten Nationen. Wenn die UN die Menschenrechte respektierten, sollten sie die Wahrheit über das Geschehen ermitteln, hieß es in einer Erklärung der Aufständischen.

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DPA/AP