Debatte um Strauss-Kahn-Nachfolge Warum Christine Lagarde über einen Sportschuh stolpern könnte

Christine Lagarde gilt als aussichtsreiche Kandidatin für die Nachfolge von Dominique Strauss-Kahn. Trotzdem könnte die französische Finanzministerin unwählbar sein: Mit ihr beschäftigt sich momentan die Justiz.

Ein Geheimtipp für die Nachfolge des zurückgetretenen IWF-Chefs Dominique Strauss-Kahn ist Frankreichs Wirtschafts- und Finanzministerin Christine Lagarde beileibe nicht. Schon die ersten noch unscharfen Kandidatenlisten enthielten den Namen der eleganten, groß gewachsenen Dame mit den markanten silber-grauen Haaren als Favoritin Europas für diesen Job. Lagarde hat Präsenz, strahlt Kompetenz aus und zieht die Blicke auf sich. Das stellte sie vielfach unter Beweis, etwa vor kurzem bei einer Finanzminister-Konferenz der G20 in Paris. Ob auf Französisch, oder schnell wechselnd auf Englisch: souverän und fachlich auf der Höhe berichtete sie, ganz wie es sich für die Vertreterin der diesjährigen G20-Präsidentschaft gebührt.

Allerdings liegt über Lagarde ein Schatten, der ihren Wechsel ins IWF-Hauptquartier in Washingtons unweit des Weißen Hauses torpedieren könnte. Mit ihr beschäftigt sich nämlich die französische Justiz. Es geht um undurchsichtige Vorgänge rund um den Verkauf von Anteilen des Sportartikelherstellers adidas durch den französischen Unternehmer Bernard Tapie, der über die staatliche Bank Credit Lyonnais lief. Letztlich erhielt Tapie, ein Unterstützer von Lagardes Chef, Staatspräsident Nicolas Sarkozy, unter der Ministerin Lagarde eine Entschädigung von 285 Millionen Euro.

Es gibt Zweifel, ob da alles mit rechten Dingen zuging. Lagarde selbst weist alle Vorwürfe zurück, sie habe ihr Amt missbraucht. In französischen Parlamentskreisen heißt es, solange die Ermittlungen liefen, komme sie für den IWF-Job nicht infrage. Ob Lagarde also im Rennen für den IWF-Posten bleibt, hängt wesentlich von Zeitläufen ab - denen der Ermittlungen, wie auch denen des IWF-Auswahlverfahrens. Einer wäre sicher nicht unglücklich, wenn die Nachfolge von Strauss-Kahn an Lagarde ginge: Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble. Der nennt sie eine "Freundin" und pflegt seit geraumer Zeit ein enges Verhältnis mit seiner Kollegin. Geht es nach der Güte ihrer Zusammenarbeit, muss man sich um das deutsch-französische Verhältnis keine Sorgen machen. Daran hat auch nichts geändert, dass Lagarde vor einigen Monaten einmal das deutsche Modell eines exportgetriebenen Wachstums mit den daraus folgenden hohen Leistungsbilanzüberschüssen aufs Korn nahm. Bleibende Verstimmungen hat das nicht ausgelöst.

Mit ihrem Chef Sarkozy verbindet Lagarde angeblich ein eher zwiespältiges Verhältnis. Sie ist gerade aktuell im Jahr der französischen G8- und G20-Präsidentschaft mit so zentralen Schwerpunkten wie der Reform der Weltwährungssystems und dem Kampf für mehr Transparenz an den Rohstoffmärkten eine Schlüsselfigur. Zum anderen gab es aber auch immer wieder einmal Unmutsäußerungen der früheren Anwältin, in deren Felder Sarkozy gerne einmal freihändig hineinregierte. In ihrer Einstellung zu staatlichen Eingriffen in die Wirtschaft funken die beiden wohl auf unterschiedlichen Wellenlängen.

Lagarde, die einmal in einer der größten Anwaltskanzleien weltweit Karriere gemacht hatte, hat vor allem eines, so sagen Menschen, die sie häufiger erlebt haben: Verhandlungsgeschick und einen scharfen, analytischen Verstand. Außerdem wäre sie die erste Frau an der Spitze des IWF. Das sind Punkte, mit denen sie punkten könnte. Allerdings bleiben die unschönen juristischen Kratzer auf der weißen Bluse. Und ob die Europäer überhaupt Zugriff auf den Job bekommen, ist umstritten.

Reuters
Gernot Heller, Reuters