Scheitert eine erneute Präsidentschaft Donald Trumps doch noch an der US-Verfassung? Seit einiger Zeit köchelt in den USA die Debatte, ob der Republikaner von den Wahlen ausgeschlossen werden könnte. Den Anstoß dazu gab ein Artikel von zwei konservativen Juristen in der US-Zeitschrift "The Atlantic". Darin kommen der pensionierten Bundesrichter Michael Luttig und Verfassungsanwalt Laurence Tribe zu dem Schluss, dass Abschnitt 3 des 14. Verfassungszusatzes die Teilnahme des Ex-Staatsoberhaupts an den Wahlen verhindere.
Wie umgehen mit Donald Trump?
Sie argumentieren, dass Trump demnach nicht für das Präsidentenamt infrage komme, weil er sich trotz seines geleisteten Amtseides beim Sturm auf das US-Kapitol am 6. Januar 2021 "an einem Aufstand beteiligt" habe. Seither diskutieren Wahlbehörden, wie sie mit dieser heiklen Rechtsfrage in einem bereits hitzigen Wahlkampf umgehen sollen. Juristisch gibt es viele Fragezeichen. Sollte sich nun der konservativ geprägte Supreme Court einschalten, liegt die weitere Entwicklung in seinen Händen. Doch nicht nur deswegen mahnen nicht wenige Trump-Kritiker zur Vorsicht.
Was von Trumps juristischen Problemen übrig bleibt

Erst am 10. Januar, zehn Tage vor Trumps Rückkehr ins Weiße Haus, verkündete Richter Merchan das Strafmaß: Er bestätigte den Schuldspruch der Jury, erließ Trump jedoch in die "bedingungslose Straffreiheit"
Die Geschichte des besagten Verfassungszusatzes – der auch als Ausschlussklausel bezeichnet wird – geht zurück bis ins späte 19. Jahrhundert. Nach Ende des amerikanischen Bürgerkrieges wurde Abschnitt 3 des 14. Verfassungszusatzes 1868 ratifiziert, um die Südstaaten, die weiterhin Leute in den Kongress entsandten, die zuvor Funktionen in der gegnerischen Konföderation innehatten, von Ämtern auszuschließen. Im Wortlaut besagt der Abschnitt, dass jeder amerikanische Amtsträger, der einen Eid auf die Einhaltung der US-Verfassung geleistet hat, von der Ausübung künftiger Ämter ausgeschlossen ist, wenn er "an einem Aufstand oder einer Rebellion beteiligt war" oder Aufständischen "Hilfe oder Beistand geleistet hat".
Und genau hier beginnen die juristischen Streitigkeiten. Einige Rechtsexperten sind der Meinung, dass das sogenannte Aufstandsverbot heute noch genauso gilt wie zum Zeitpunkt der Ratifizierung – ähnlich wie viele andere Verfassungsartikel, die sich aus bestimmten historischen Umständen ergeben haben. So erklärt Noah Bookbinder, Präsident der liberalen NGO "Citizens for Responsibility and Ethics in Washington", dass die "festgelegte Qualifikation" in Abschnitt 3 "sich in vielerlei Hinsicht nicht von der Qualifikation unterscheidet, dass man 35 Jahre alt sein und amerikanischer Staatsbürger sein muss, um Präsident zu werden".
Verfassungszusatz aus Bürgerkriegszeiten
Kritiker einer Anwendung des umstrittenen Verfassungszusatzes argumentieren hingegen, dass der Abschnitt ausschließlich auf die Zeit des Bürgerkriegs zutreffe und daher überholt sei. Zudem seien die staatlichen Wahlbehörden nicht befugt, Kandidaten vor einer Wahl auszuschließen, und überhaupt sei bislang nicht vor Gericht bewiesen, dass Trump einen "Aufstand" angezettelt habe.
Zu den rechtlichen Fragen gehört demnach, was überhaupt als "Beteiligung an einem Aufstand" gelte, wer befugt sei, Trumps Wählbarkeit anzufechten und wer eine Disqualifizierung gegebenenfalls durchsetzen könne. "Abschnitt 3 des 14. Verfassungszusatzes ist alt – er wurde in der heutigen Zeit noch nicht wirklich auf die Probe gestellt", bilanzierte Jessica Levinson, eine Jura-Professorin, die sich auf Wahlrecht spezialisiert hat, kürzlich in der "New York Times".
Knifflige Verfassungsfrage
Im Fall von Trump sah es zunächst danach aus, dass die Angelegenheit von Staat zu Staat entschieden würde. Im September 2023 hatte in Colorado eine Gruppe von sechs Wählern eine entsprechende Klage eingereicht, um den Republikaner auf der Grundlage des 14. Verfassungszusatzes von den Stimmzetteln fernzuhalten. Bei den Klägern handelt es sich um republikanische und parteilose Wähler, die argumentieren, dass Trump wegen seiner Rolle im Kapitolsturm umgehend disqualifiziert werden müsse. Das Oberste Gericht des Bundesstaats gab ihnen Recht, verwies den Fall aber an den Supreme Court in Washington.
Doch viele sehen die Vorstöße von liberalen und konservativen Anti-Trumpern eher skeptisch. In Arizona verkündete Staatssekretär Adrian Fontes bereits, dass er nicht befugt sei, den Ex-Präsidenten von den Wahlen auszuschließen, fügte jedoch hinzu, dass die Frage der Wählbarkeit Trumps nicht geklärt sei. Ähnlich argumentierte sein Amtsgenosse Brad Raffensperger in einem Gastbeitrag im "Wall Street Journal" und betonte, dass allein die Wähler "das Recht verdienen, über Wahlen zu entscheiden".
Heikle politische Debatte in den USA
Auch aus historischer Sicht ist der 14. Verfassungszusatz heikles Terrain. In New Mexico wurde 2022 der Otero County Commissioner Couy Griffin als erster Amtsinhaber seit 150 Jahren disqualifiziert. Doch obwohl er nicht wegen eines schwereren Verbrechens verurteilt wurde – die Anklage lautete auf Hausfriedensbruch – war er beim Kapitolsturm tatsächlich anwesend. Diese Tatsache unterscheidet seine Disqualifizierung von den Versuchen, die republikanischen Abgeordneten Marjorie Taylor Greene und Madison Cawthorn mit Hinweis auf den 14. Verfassungszusatz aus ihren Ämtern zu drängen, die jeweils einer entsprechenden Überprüfung nicht standhielten.
Fest steht, dass Trump tiefer in die Ereignisse vom 6. Januar verstrickt ist als Greene oder Cawthorn. Und die Anwendung des besagten Verfassungszusatzes ist nicht an eine Verurteilung in einem der vier gegen ihn laufenden Prozesse geknüpft. Doch angesichts der Tatsache, dass sich der Ex-Präsident derzeit mit 91 strafrechtlichen Anklagepunkten konfrontiert sieht und "Beteiligung an einem Aufstand" nicht dazugehört, dürfte es schwierig werden, ihm dieses spezifische Vergehen anzulasten.
Die Debatte hat mittlerweile eine Dimension bekommen, die das höchste Gericht der Vereinigten Staaten beschäftigen wird: den Supreme Court. Dieser hatte sich durch die von Trump ernannten Richterinnen und Richter deutlich nach rechts verschoben und ist jetzt mit einer konservativen Mehrheit von 6:3 besetzt. Im Dezember wies er die Frage zur Immunität des US-Präsidenten an die Bundesgerichte zurück. Das hatte auch Trumps Team gefordert, und somit zwar keine Antwort, aber zumindest einen ordentlichen Zeitaufschub bekommen.
Hinweis: Dieser Artikel wurde aus aktuellem Anlass aktualisiert.
Quellen: "NY Times", "Washington Post", "CNN", "Atlantic", "WSJ", "Anklagetext Colorado", "Monmouth University Umfrage", "Bloomberg"