Gespräche in Riad Frieden? Zweitrangig. Für Trump zählt ganz anderes in der Ukraine

Trump gibt dem ukrainischen Präsidenten Selenskyj Mitschuld am Ukraine-Krieg: Es gebe in der Ukraine „eine Führung, die einen Krieg zugelassen hat, den es nie hätte geben dürfen“.
Trump gibt dem ukrainischen Präsidenten Selenskyj Mitschuld am Ukraine-Krieg: Es gebe in der Ukraine „eine Führung, die einen Krieg zugelassen hat, den es nie hätte geben dürfen“.
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Sehen Sie im Video: Trump gibt Ukraine Schuld an Krieg – und stellt Selenskyj in Frage.
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Donald Trump will ein rasches Kriegsende in der Ukraine. Doch bei einem ersten Verhandlungstreffen zwischen den USA und Russland bleibt Kiew außen vor. Was bezweckt Trump damit?

Im Wahlkampf hatte Donald Trump versprochen, den Krieg in der Ukraine schnellstmöglich zu beenden. Zurück im Weißen Haus zeigt der neue US-Präsident nun wie: mit einer dramatischen Abkehr von Amerikas traditionellen Verbündeten hin zu Wladimir Putin. Allein in der letzten Woche hatte die Trump-Regierung mit einem Anruf im Kreml die internationale Isolation des russischen Präsidenten beendet, dem Westen auf der Münchener Sicherheitskonferenz die kalte Schulter gezeigt und Zweifel gesät, wie weit die USA gehen würden, um Europa zu verteidigen. 

Die Spannungen fanden ihren bisherigen Höhepunkt am Dienstag, als Unterhändler Washingtons und Moskaus in Saudi-Arabien zu Ukraineverhandlungen zusammenkamen. Nicht dabei: Vertreter der Ukraine und anderer europäischer Staaten. Beide Seiten hätten sich darauf geeinigt, an einer Friedenslösung für die Ukraine zu arbeiten und "die außergewöhnlichen Möglichkeiten auszuloten", die es mit den Russen sowohl geopolitisch als auch wirtschaftlich gebe, erklärte Außenminister Marco Rubio anschließend. Das Gespräch sei "sehr nützlich" gewesen, formulierte es sein russischer Kollege Sergej Lawrow.

Fast auf den Tag drei Jahre nach Einmarsch russischer Truppen in die Ukraine schürt die neue Annäherung von Trump und Putin die Sorge, dass der US-Präsident so gut wie jeden Deal akzeptieren wird – ohne Rücksicht auf Konsequenzen für die Ukraine und Europa. Ein Überblick.

Was wurde in Saudi-Arabien verhandelt?

Es war ein erstaunliches Bild, das sich der Welt in einem prunkvollen Saal in Saudi-Arabiens Hauptstadt Riad bot. Nach einer jahrelangen Eiszeit, ausgelöst durch den Einmarsch russischer Truppen in die Ukraine am 24. Februar 2022, saßen an diesem Dienstag erstmals wieder hochrangige Vertreter der US-Regierung und des Kremls an einem Tisch. Auf der einen Seite die amerikanische Delegation – Außenminister Marco Rubio, Nationaler Sicherheitsberater Mike Waltz sowie der Nahost-Sondergesandte Steve Witkoff. Ihnen gegenüber das russische Duo, Außenminister Sergej Lawrow und Präsidentenberater Juri Uschakow. Vervollständigt wurde die Runde von zwei Vertretern der saudi-arabischen Regierung, die sich in ihrer Vermittlerrolle geschickt zurück auf die Weltbühne manövriert hat. Mehr als vier Stunden dauerten die Gespräche, anschließend äußerten sich beide Seiten auffallend positiv.

Das Ziel von Präsident Trump sei es, ein Abkommen zu erreichen, das "fair, dauerhaft, nachhaltig und für alle beteiligten Parteien akzeptabel" sei. "Der heutige Tag ist der erste Schritt auf einem langen und schwierigen, aber wichtigen Weg", sagte Rubio in der anschließenden Pressekonferenz – und skizzierte einen dreistufigen Plan für das weitere Vorgehen.

Erstens würden beide Länder darüber sprechen, dass die Beschränkungen für die Botschaften in Moskau und Washington aufgehoben werden, die nach Jahren der gegenseitigen Ausweisungen nur noch mit einem minimalen Personalbestand arbeiten. Zweitens würden die Vereinigten Staaten mit Russland über die "Parameter für ein Ende" des Ukraine-Krieges verhandeln. Dafür werde es auch Konsultationen mit der Ukraine, mit den Partnern in Europa und anderen geben, stellte der Außenminister vor Reportern in Aussicht. Und drittens würden die USA und Russland neue Partnerschaften sowohl in der Geopolitik als auch in der Wirtschaft anstreben. Rubio beschrieb dies als "außergewöhnliche Möglichkeiten, die sich bieten, wenn dieser Konflikt zu einem akzeptablen Ende kommt".

Auch der russische Außenminister Sergej Lawrow zeigte sich nach den Gesprächen zufrieden. "Wir haben uns nicht nur gegenseitig zugehört, sondern einander wirklich verstanden", sagte er. "Ich habe Grund zu der Annahme, dass die amerikanische Seite begonnen hat, unsere Positionen besser zu verstehen". Kirill Dmitrijew, Chef des staatlichen russischen Investitionsfonds, der für Wirtschaftsgespräche mit nach Riad gereist war, betonte, es sei "wichtig, Brücken zu bauen". Er selbst werde sich dafür einsetzen, die wirtschaftliche Zusammenarbeit mit den USA wieder aufzunehmen und nannte die "erfolgreichen Geschäfte amerikanischer Ölkonzerne in Russland" als mögliches Beispiel.

Wer sind Trumps Unterhändler in der Ukraine?

Bei den Gesprächen in Riad haben Trumps Unterhändler die Prioritäten des Präsidenten an den Verhandlungstisch gebracht. Ihre Hintergründe könnten dabei kaum unterschiedlicher sein.

  • Marco Rubio galt lange als außenpolitischer Falke, war mehrfach Gast auf der Münchener Sicherheitskonferenz und wandelte sich in der Vergangenheit von einem Gegenspieler zum Unterstützer Trumps. Seit ihn dieser zum Außenminister ernannte, hat der ehemalige Senator aus Florida klargemacht, dass er wie Trump keinen Sinn darin sieht, die Ukraine weiter mit Milliardensummen zu unterstützen. In den letzten Wochen ist er auf Tuchfühlung mit seinem russischen Gegenpart Lawrow gegangen. Beide Minister vereinbarten, regelmäßige Kontakte aufrechtzuerhalten.
  • Der Nationale Sicherheitsberater Mike Waltz ist ebenfalls ein Verfechter der von Donald Trump propagierten "Frieden durch Stärke"-Politik. Nachdem er sich anfangs noch für mehr Waffen für die Ukraine eingesetzt hatte, sagt er nun, die amerikanischen Interessen müssten in diesem Konflikt neu bewertet werden. Zudem fordert der ehemalige Offizier der US-Eliteeinheit Green Berets von den Nato-Verbündeten höhere Verteidigungsausgaben.
  • Das schillerndste Mitglied in Trumps Verhandlungstrupp ist zweifelsohne Steve Witkoff – ein New Yorker Immobilienmogul, langjähriger Freund des Präsidenten und gern gesehener Golfbuddy in Mar-a-Lago. Bis Trump ihn zum Sondergesandten für den Nahen Osten erklärte, hatte Witkoff keinerlei formale diplomatische Erfahrung. Trump bezeichnet seinen Kumpel jedoch als "großartigen Verhandlungsführer" und lobte ihn für seine Rolle in der Aushandlung eines Waffenstillstands zwischen Israel und der Hamas. In den letzten Wochen hatte er Witkoff persönlich beauftragt, bei den Verhandlungen über ein Kriegsende in der Ukraine mitzuarbeiten. Erst vergangene Woche war Witkoff nach Moskau geflogen, um die Freilassung des amerikanischen Lehrers Marc Fogel zu verhandeln.
  • Eine wichtige Rolle in den künftigen Verhandlungen dürfte zudem Trumps Russland-Ukraine-Beauftragter Keith Kellogg spielen. Kellogg bezeichnete die derzeitigen Bemühungen um die Aushandlung eines Friedensabkommens als "zweigleisig". Witkoff arbeite an der russischen Linie, er selbst sei für die Ukraine zuständig, so Kellog. Für Empörung hatte Trumps Gesandter auf der Münchener Sicherheitskonferenz gesorgt, als er den Europäern deutlich mitteilte, dass es für sie keinen Platz am Verhandlungstisch gebe. "Die Antwort heißt nein", so Kellog. In Saudi-Arabien hatte Rubio die Tür hingegen wieder einen Spalt breit geöffnet.

Welches Ziel verfolgt Donald Trump in den Ukraineverhandlungen? 

Das selbsterklärte Ziel des US-Präsidenten, den Krieg in der Ukraine zu beenden, lenkt davon ab, was Trump wirklich will – eine Chance, enger mit Putin zusammenzuarbeiten, den er als großen Staatsmann bewundert. Dafür ist er nicht nur bereit, Jahrzehnte amerikanischer Außenpolitik über den Haufen zu werfen, sondern auch große Zugeständnisse an Russland zu machen.

Während sich Trump bereits als großer Friedenspräsident wähnt, können politische Beobachter über seine bisherige Verhandlungstaktik nur den Kopf schütteln. Im Gespräch mit dem stern zeigte sich Michael McFaul, früherer US-Botschafter in Moskau, äußerst überrascht, dass Trumps Unterhändler Putin bereits belohnten, bevor die Verhandlungen überhaupt begonnen hätten. Der erfahrene Diplomat bezieht sich dabei auf das Vorpreschen von US-Verteidigungsminister Pete Hegseth, der auf der Münchener Sicherheitskonferenz klargestellt hatte, dass die Ukraine Territorium aufgeben müsse, nicht der Nato beitreten könne und amerikanische Soldaten nicht Teil einer Friedensmission sein würden. "Das ist nicht die Art und Weise, wie man verhandelt – erst recht nicht mit den Russen", so McFaul.

Trumps Verhandlungsstrategie, jede geopolitische Krise als eine Art Immobiliengeschäft zu betrachten, das nur darauf wartet, abgeschlossen zu werden, schürt im Westen die Sorge, dass er sich auf ein Abkommen einlassen könnte, das ganz nach Putins Geschmack ist. Nur um sich hinterher als Friedenspräsident feiern zu lassen – und vielleicht doch noch seinen geheimen Wunsch erfüllt zu bekommen, mit dem Friedensnobelpreis geehrt zu werden.

Bei einer Pressekonferenz am Dienstagabend verstärkte Trump die Befürchtungen auf der anderen Seite des Atlantiks, indem er dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj praktisch die Schuld an dem andauernden Kriegsgeschehen zuschob. Es gebe in der Ukraine "eine Führung, die einen Krieg zugelassen hat, den es nie hätte geben dürfen", kritisierte Trump auf seinem Anwesen in Mar-a-Lago. Für Aufsehen sorgte insbesondere seine Forderung nach Neuwahlen in der Ukraine. Zu lange hätten dort keine Wahlen stattgefunden, es gelte weiterhin das Kriegsrecht, beklagte Trump – und wiederholte damit eine beliebte Kritik Moskaus. Putin wirbt seit Langem für Neuwahlen, in der Hoffnung, dass in Kiew eine dem Kreml ergebene Marionettenregierung übernehmen könnte.

Wie geht es nun für die Ukraine und Europa weiter?

Trumps radikaler Kurswechsel verunsichert die Ukraine zutiefst. Mit seiner Handreichung Richtung Moskau hat Trump gezeigt, dass die USA die Zukunft des Landes nur allzu gern ohne Kiew am Tisch diskutieren. Präsident Selenskyj sagte kurzerhand eine für Mittwoch geplante Reise nach Saudi-Arabien ab: "Wir wollen nicht, dass jemand etwas hinter unserem Rücken entscheidet", machte er klar, fügte jedoch hinzu, sich in Kiew bald mit amerikanischen Vertretern zu treffen. Zuvor hatte Selenskyj bereits Trumps Schachzug, die Hälfte des ukrainischen Reichtums an seltenen Erdmetallen für sich zu beanspruchen, eine deutliche Absage erteilt.

Die Gespräche in Riad haben auch die europäischen Verbündeten verstört. Sie befürchten, dass Trumps Friedensdeal bedeuten könnte, dass US-Sicherheitsgarantien für Europa gegen amerikanische Wirtschaftsinteressen ausgespielt werden. Bei einem eilig einberufenen Notfalltreffen in Paris am Montag rangen die europäischen Staats- und Regierungschefs darum, die neue Strategie der Trump-Regierung nachzuvollziehen. "Der Ansatz der Vereinigten Staaten ist widersprüchlich", schreibt Nigel Gould-Davies, Senior Fellow für Russland und Eurasien am Londoner International Institute for Strategic Studies in einem aktuellen Essay. "Sie haben signalisiert, dass die USA allein ein Ende des Krieges aushandeln werden, aber auch, dass Europa allein für ein Ergebnis zahlen muss, das es nicht mitbestimmt hat."

Für Europa steht viel auf dem Spiel. Die europäischen Verbündeten sind sich einig, dass der Krieg in der Ukraine ein Ende finden muss. Doch die Sorge ist groß, dass ein übereilter Friedensdeal à la Trump Russland stärken und die europäische Sicherheit schwächen dürfte. Ein Abkommen, das Putins Expansionswahn belohne, würde die Saat für einen zukünftigen möglicherweise noch schlimmeren Krieg legen.

Gleichzeitig läuft Europa die Zeit davon. Auf seiner Pressekonferenz erklärte Trump Dienstagabend, dass er ein persönliches Treffen mit Putin noch in diesem Monat für wahrscheinlich halte. Für Mittwoch hat Macron nun ein neues Treffen mit Verbündeten in Paris angesetzt.