59 US-Marschflugkörper vom Typ Tomahawk schlagen in der Nacht auf den syrischen Luftwaffenstützpunkt al Schairat in der Nähe von Homs ein. Sechs Menschen sterben, zwei Start- und Landebahnen sind zerstört, noch viele Stunden später lodern überall die Flammen. Es war Donald Trump, der den Einsatz persönlich angeordnet hat – als Reaktion auf den jüngsten Giftgasangriff, der mutmaßlich von diesem Flugplatz gestartet wurde. Die USA greifen damit das erste Mal direkt in den seit sechs Jahren tobenden Bürgerkrieg ein. Die Reaktionen auf die überraschende Attacke fallen mehrheitlich positiv aus.
Macht Donald Trump in Syrien weiter?
Was aber folgt aus der Intervention? Bleibt es eine einmalige Strafaktion gegen Syriens Machthaber Baschar al Assad? War sie die notwendige Antwort auf lange ausgesühnte Kriegsverbrechen durch Assad? Werden weitere Militärschläge folgen? Und falls ja, eskaliert die blutige Auseinandersetzung nun? Wie wird Assads Verbündeter Russland reagieren? Droht sogar ein direkter Krieg zwischen den USA und Russland?

Klare Antworten darauf gibt es nicht, nur eine Vielzahl von Szenarien, deren Eintreten wiederum von einer weiteren Vielzahl an Faktoren abhängt. Wir versuchen, mögliche Chancen und Gefahren zu skizzieren.
Trumps Chancen
- Donald Trump ist lernfähig: Noch vor wenigen Tagen hatte die US-Regierung die Losung ausgegeben, dass die Syrer selbst über das Schicksal des Präsidenten Baschar al Assad entscheiden sollten und die USA kein Interesse daran hätten, ihn aus dem Amt zu drängen. Diese Statements wurden als Signal verstanden, dass US-Präsident Donald Trump sich nicht militärisch in dem Bürgerkrieg engagieren wolle. Trump selbst hatte in zahllosen Äußerungen immer wieder darauf hingewiesen, dass er ein Eingreifen der USA in Syrien für falsch halte. Doch nun die Wende. Offenbar beginnt Trump zu begreifen, dass ihm zwar die Rolle der USA als Weltpolizist nicht gefallen mag, aber die Welt ohne den Polizisten USA auch nicht sicherer wird. Bislang jedenfalls haben in Syrien sämtliche politischen wie diplomatischen Versuche nichts bewirkt.
- Das Überraschungsmoment: Nach der jüngsten Giftgasattacke, bei der mehr als 80 Menschen ums Leben gekommen waren, schickte Trump 59 Marschflugkörper los - in seiner typischen Impulsivität. Damit überraschte er Freund wie Feind. Die neue Unberechenbarkeit der USA dürfte die Bürgerkriegsparteien nachhaltig verunsichern. Bislang konnten sich sowohl Assad als auch sein Verbündeter Wladimir Putin darauf verlassen, dass Washington in Syrien die Füße stillhält. Das ist nun vorbei.
- Auf Worte folgen Taten: Donald Trump hatte direkt nach dem Chemieangriff Konsequenzen angedroht, ohne Details zu nennen. Viele Beobachter gingen davon aus, dass seine Regierung entweder keine konkreten Pläne für diesen Fall hatte oder dass er es bei der Ankündigung belässt. Diese Einschätzung hat er mit dem Militärschlag widerlegt. Anders als sein Vorgänger Barack Obama, der 2012 zwar sagte, mit Giftgaseinsätzen würde Baschar al Assad eine "rote Linie" überschreiten, seinen Worten aber keine Taten folgen ließ. Die neue Konsequenz Washingtons werden die Bürgerkriegsparteien interessiert wie beeindruckt zur Kenntnis nehmen.

- Russland erhöht Druck auf Assad: Obwohl fast alles darauf hindeutet, dass die Attacke mit chemischen Waffen auf ein Wohnviertel im syrischen Chan Scheichun von den Regierungstruppen verübt wurde, gibt es dafür noch keinen endgültigen Beweis. Sicher aber ist: In der Vergangenheit haben Assads Soldaten mehrfach Giftgas gegen die eigene Bevölkerung eingesetzt, Donald Trump könnte seinen Schlag gegen die syrische Militärbasis als generelle Strafaktion gegen die Führung in Damaskus verkaufen – auch in diesem Fall wäre ihm wohl die Unterstützung der meisten (Nato-)Partner sicher. Im besten Fall wird Waldimir Putin auf seinen Schützling Assad einwirken, in Zukunft wenigstens auf den Einsatz der verbotenen Substanz zu verzichten. Zumal Russland Syrien schon vor vier Jahren aufgefordert hatte, seine Giftgasbestände zu vernichten.
- Bewegung im Bürgerkrieg: So bitter es auch klingt, doch bislang haben in Syrien ausschließlich Militäreinsätze Bewegung in den lange Zeit erstarrten Konflikt gebracht. Wenn auch nicht immer zugunsten der normalen Bevölkerung. Bis zum Engagement Russlands im September 2015 lähmten sich die drei Hauptkriegsparteien (Assad-Regime, Rebellen und Islamischer Staat) gegenseitig. Alle Versuche, die Waffen auf zivilem Wege zum Schweigen zu bringen, verpufften. Mittlerweile aber sind die Islamisten des IS aus weiten Teilen Syriens zurückgedrängt worden und das einst kurz vor dem Aus stehende Assad-Regime hat die Kontrolle über Teile des Landes zurückgewonnen.