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Treffen in Singapur Warum Männer wie Trump und Kim einen wichtigen Gipfel (fast) wertlos machen

Treffen in Singapur: Warum Männer wie Trump und Kim einen wichtigen Gipfel (fast) wertlos machen
Die Welt schaut auf den Friedensgipfel von Donald Trump und Kim Jong Un. Schließlich gab es noch vergangenes Jahr echte Kriegsangst. Die scheint gebannt. Doch auf Männer dieses Schlages ist kein Verlass.

Zwei bedeutende Staatsmänner treffen sich zu einem Friedensgipfel. Es schmeckt nach Abrüstung und Annäherung. Was, bitte schön, soll daran schlecht sein? Erstmal nichts; es ist immer gut zu reden. Vor allem, wenn es Männer tun, die sich zuvor feindselig begegnet sind. Allerdings haben wir es in letzter Zeit mit einer Reihe von Staatsmännern zu tun, die sprunghaft sind und deren Verlässlichkeit sich praktisch nicht abschätzen lässt. US-Präsident Donald Trump und Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un sind in diesem durchaus zweifelhaften Sinne herausragende Figuren unserer Zeit.

Wie sehr man sich auf Trump nach Gipfeltreffen verlassen kann, hat der US-Präsident bekanntlich erst jüngst gezeigt, als er seine Zustimmung zur G7-Abschlusserklärung via Twitter wieder zurückzog. Nicht, ohne Kanadas Premierminister Justin Trudeau als "unehrenhaften und schwachen Gastgeber" zu beleidigen und ihn wegen seiner Pressekonferenz als verlogen hinzustellen. Kim Jong Un würdigte Trump dagegen nun als "großartige Persönlichkeit" - wohlgemerkt einen Machthaber, der ein Großteil seines Volkes hungern lässt, vor gezielten Auftragsmorden nicht zurückschreckt und furchtbare Arbeitslager unterhält, in denen Folter und Tod herrschen.

Donald Trump und Kim Jong Un: Alles für den Deal

Für Männer vom Schlage Trumps oder Kims spielt das alles keine Rolle. Sie machen offen gemeinsame Sache mit jedem, der ihren Intressen und ihrem Machterhalt nutzt und kanzeln ebenso jeden ab, der das nicht tun will - egal, ob Freund oder Feind. Dass Trump mit dem Gipfel Kim außenpolitische Bedeutung zuspielt und sein Unrechtsregime damit stärkt, spielt für Trump ebenso wenig eine Rolle wie für Kim, dass er dem US-Präsidenten zu einem außenpolitischen Triumph verhilft, der auch diesem bei den nächsten Wahlen aller Voraussicht nach sehr nutzen wird. Da stimmt der machtpolitische Deal - und um nichts anderes geht es Männern dieses Schlages. Nicht um Frieden, nicht um Abrüstung und auch nicht um die Befreiung von Geiseln oder Gefangenen - es sei denn, dies würde dem Deal dienen oder ihm zumindest nicht schaden.

Man darf sich da nichts vormachen. Auch - manchmal gerade - auf dieser Männer-Ding-Ebene lässt sich vieles erreichen: Nach 70 Jahren scheint nun ein Friedensvertrag für Korea in Sicht; das wäre zweifellos eine große Sache, ebenso die angekündigte vollständige nukleare Abrüstung durch Kim, und für die Angehörigen ehemaliger US-Geiseln in Nordkorea zählt nur, dass sie Klarheit über deren Schicksal erreichen. Das alles läuft zudem mit Macherattitüde ab und suggeriert Handlungsschnelligkeit. Ob das Abkommen von Singapur aber überhaupt etwas in Gang setzen wird, ist völlig offen. Die Gefahr, dass letztlich nur viel Wind gemacht wurde, ist enorm. Kaum etwas ist besprochen, kaum etwas durchdiskutiert. Vorsichtshalber haben die beiden in Singapur nichts Konkretes beschlossen, das macht das Abspringen leicht. Und nicht umsonst wurde vor dem Gipfel darüber geredet, dass Trump und Kim unter vollständiger nuklearer Abrüstung zweierlei Dinge verstehen.

Geltung nur bis zum nächsten Tweet

Das genau ist der entscheidende Unterschied: Natürlich ist ein kurzerhand anberaumter Friedensgipfel im Trump-Stil jedenfalls medial viel wirkungsvoller als die oft langwierig und ermüdend vorbereiteten herkömmlichen Gipfel. Doch zumindest die gelungenen dieser Spitzentreffen brachten dann auch Ergebnisse, auf die in gewisser Weise Verlass war, die auf einer gemeinsamen Grundlage fußten und deren Beschlüsse sich notfalls einfordern ließen. Es sind genau diese "langweiligen" Verträge, von denen etliche die Basis für die in weiten Teilen stabile Weltordnung in den vergangenen Jahrzehnten bildeten, von der wir alle profitiert haben - wenngleich natürlich auch hier Machtinteressen immer eine Rolle spielten. 

Jetzt aber reicht diese Stabilität womöglich nur bis zum nächsten Tweet. Wer weiß das schon?! Vielleicht reicht sie auch bis zum Übernächsten. Oder zu einem falschen Wort Kims. Oder irgendeiner gefühlten Ungerechtigkeit. Oder sich verändernden Interessen Trumps, sich verändernden Interessen Kims. Was auch immer. Fast schon vergessen ist, dass der sogenannte Friedensgipfel von Singapur noch vor wenigen Tagen mir nichts dir nichts abgesagt und dann flugs wieder anberaumt wurde. Rin in die Kartoffeln, raus aus die Kartoffeln, je nachdem, wie es genehm ist - das ist die wahre Bedeutung, die Männer wie Donald Trump und Kim Jong Un solchen Spitzentreffen beimessen. Sie machen sie damit für uns alle beinahe wertlos. Worauf man sich verlassen kann. Leider.

Kim Jong Un (l.) und Donald Trump im Capella Hotel auf der Insel Sentosa in Singapur

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