Von Donald Trump ist der eindrückliche Satz überliefert, er könne auf der New Yorker 5th Avenue auch einen Menschen erschießen und die Leute würden ihn trotzdem lieben. Es steht zu befürchten, dass er Recht hat. Schon im Wahlkampf trat er sämtliche Konventionen mit Füßen - es hat ihm nicht geschadet. Anders als seine Vorgänger weigerte er sich zum Beispiel, seine Steuererklärung zu veröffentlichen. Er wurde dennoch gewählt. Seine Pressesprecher erzählen öffentlich Stuss, mehr als etwas Empörung ist nicht drin. Mit der Entlassung von FBI-Chef James Comey hat er den nächsten Gipfel der Chuzpe erreicht, doch ob daraus Konsequenzen folgen ist ungewiss.
Hat Donald Trump nun endgültig übertrieben?
Nahezu sämtliche Medien - ob links, liberal oder rechts - sind der Meinung, dass Trump es nun endgültig übertrieben habe. Vom schwersten Fehler ist die Rede, Parallelen zum Watergate-Skandal werden gezogen, selbst das böse Wort Amtsenthebung fällt bereits. Für mehr oder weniger neutrale Beobachter ist die Angelegenheit klar: James Comey, der die undurchsichtigen Verbindungen zwischen dem Trump-Team und Russland untersucht, musste gehen, weil er der US-Regierung zu gefährlich wurde. Sollte das stimmen, wäre seine Entlassung ein Frontalangriff auf die amerikanische Demokratie und Justiz. Folgerichtig fordern die oppositionellen Demokraten erneut die Berufung eines Sonderermittlers.
Nur Donald Trump schert sich nicht um die Meinung der anderen. Das heißt, natürlich tut er das. Doch der US-Präsident besitzt die einzigartige Qualität, sie einfach weg zu brüllen. Missliebige Berichterstattung verunglimpft er als "Fake News" oder er geht via Twitter zur Gegenattacke über - lauter und heftiger als es sich seine Kontrahenten trauen würden. Nach der Personalie James Comey machte sich Trump über den demokratischen Fraktionschef Charles Schumer lustig. Der "weinerliche Chuck" habe doch selbst kein Vertrauen mehr in den FBI-Chef gehabt, und nun "tut er plötzlich so entrüstet", schrieb Trump auf Twitter. Die Ironie dabei: Der Präsident hat damit durchaus einen wunden Punkt der Demokraten getroffen. Allein deshalb schon ist ihm der Applaus seiner Anhänger sicher.
Und nicht nur das. Auch die Republikaner im Kongress haben am Tag nach dem politischen Erdbeben ganz klar gemacht, dass sie keinen Sonderermittler in Sachen Russland-Connection berufen wollen. "Wir denken nicht, dass dies notwendig ist", sagte etwa Präsidentensprecherin Sarah Huckabee Sanders. Und der konservative Fraktionschef im Senat, der Bundesstaatenkammer, Mitch McConnell, meinte kühl: "Ohne Zweifel würden neue Untersuchungen nur die bisher geleistete Arbeit erschweren." Doch ohne die Mehrheit des republikanisch dominierten Kongresses wird es keinen Sonderermittler geben. So einfach ist das für Donald Trump.
Sonderermittler - das schärfste Schwert
Ein unabhängiger Sonderermittler ist eines der schärfsten Schwerter, wenn es um die Untersuchung von Verfehlungen der Regierung geht und wurde nur ein paar Mal in der Geschichte der Vereinigten Staaten eingesetzt. Etwa beim Watergate-Skandal Anfang der 1970er Jahre oder im Vorfeld des Amtsenthebungsverfahrens gegen Bill Clinton. Es wäre nun an Justizminister Jeff Sessions, einen Sonderermittler zu berufen. Doch das ist von dem 70-Jährigen kaum zu erwarten. Denn er war es, der Trump empfohlen hatte, FBI-Chef Comey zu feuern. Auch dieser Umstand hat einen Beigeschmack, denn Session hatte bei der Anhörung vor seiner Einschwörung unter Eid gelogen. Ungefragt verneinte er damals, Kontakt mit Vertretern Russlands gehabt zu haben - was sich später als unwahr entpuppte. Der Justizminister musste sich daraufhin aus den (FBI-)Ermittlungen gegen Trumps Team zurückziehen. Anscheinend hat auch er nur wenig Interesse daran, die Verquickungen zwischen der Regierung und Moskau noch genauer zu beleuchten als unbedingt nötig.
Kurzum: Zurzeit mag sich zwar der Sturm der Entrüstung um das Machtzentrum entladen, doch echte Sorgen braucht sich Donald Trump deswegen nicht zu machen. Das würde sich vermutlich erst dann ändern, wenn sich innerhalb des FBI jemand finden sollte, der auf eigene Faust weiter ermittelt oder die bislang gesammelten Erkenntnisse an die Öffentlichkeit weitergibt. So war es damals bei Richard Nixon. Ein Großteil der Recherche der "Washington Post"-Reporter, die letztlich zum Sturz des damaligen Präsidenten führten, basierten auf den Informanten "Deep Throat". Wie sich Jahrzehnte später herausstellte, steckte dahinter Mark Felt, ein führender FBI-Agent, der die brisanten Informationen aus "moralischen und patriotischen Gründen" weitergegeben hatte. Die ganze Affäre zog sich übrigens über fast zwei Jahre.