Nach dem unerwartet schwachen Abschneiden der Republikaner bei den Zwischenwahlen in den USA ist der ehemalige US-Präsident Donald Trump in seiner eigenen Partei unter Druck geraten. Enttäuschte Stimmen aus den Reihen der Grand Old Party machen Trump für das Ausbleiben der prognostizierten Erfolge verantwortlich.
Die Republikaner waren am Dienstag mit der Erwartung in die Midterms gegangen, den Demokraten in beiden Kongresskammern die Mehrheit zu entreißen und zahlreiche Gouverneursposten und andere wichtige Ämter zu verteidigen oder erobern. Doch aus der von ihnen erhofften "roten Welle" wurde nur ein leichtes Plätschern. Die Demokraten konnten sich so gut behaupten, dass bist jetzt noch nicht raus ist, wer im Senat künftig den Ton angibt und die einigermaßen sichere Übernahme des Repräsentantenhauses durch die GOP deutlich knapper ausfallen wird als von ihr erhofft. Und gerade Trumps Schützlinge mit Extrempositionen ließ das Wahlvolk häufig durchfallen.
"Die Republikaner sind Donald Trump von einer Klippe gefolgt"
"Ich kann es ihnen nicht verdenken, denn die Wähler bevorzugen Vorhersehbarkeit", twitterte der republikanische Radiomoderator Erick Erickson aus Georgia. "Sie haben Trump abgelehnt, weil sie es leid waren, jeden Tag auf Twitter nachzusehen, ob er den Dritten Weltkrieg begonnen hat. Sie wollten nicht, dass seine Kandidaten so unberechenbar sind."
Noch härtere Worte fand der "Washington Post"-Kolumnist und Fox-News-Analyst Marc Thiessen über das Wahlergebnis: "Das ist eine vernichtende Anklage gegen die republikanische Partei. Das ist eine vernichtende Anklage gegen die Botschaft, die wir den Wählern vermittelt haben. Sie haben sich all das angesehen und die republikanische Alternative betrachtet und 'nein danke' gesagt", erzürnte sich der frühere Redenschreiber des republikanischen Ex-Präsident George W. Bush auf Fox News.
Als wichtigen Faktor für die Midterm-Enttäuschung identifizierte Thiessen ein "Qualitätsproblem der Kandidaten", das auf die Unterstützung durch Trump in wichtigen umkämpften Staaten zurückzuführen sei. Das Setzen auf die Wirkung radikaler Trump-Jünger sei die falsche Botschaft gewesen, bemängelte Thiessen. "Wir haben eine Reihe von Leuten nominiert, die von den Wählern in vielen dieser Senatswahlen abgelehnt wurden." Die republikanische Partei "muss jetzt wirklich tief in den Spiegel schauen, denn das ist eine absolute Katastrophe für die republikanische Partei, und wir müssen umkehren".
"Die Republikaner sind Donald Trump von einer Klippe gefolgt", erklärte David Urban, ein langjähriger Trump-Berater in einem Interview. Und der ehemalige republikanische Abgeordnete Peter King aus Long Island, der Trump lange unterstützt hat, sagte über den 76-Jährigen: "Ich bin der festen Überzeugung, dass er nicht länger das Gesicht der republikanischen Partei sein sollte." Trumps Selbstdarstellung und seine Angriffe auf Republikaner wie Ron DeSantis und den Minderheitsführer im Senat Mitch McConnell "waren weitgehend dafür verantwortlich, dass die Republikaner keine rote Welle hatten", sagte King. "Wir können nicht zulassen, dass blinde Loyalität zu Trump das Schicksal unserer Partei bestimmt."
Seine Unterstützung ist keine Siegesgarantie: So haben Donald Trumps Kandidaten abgeschnitten

Scott Reed, ein erfahrener republikanischer Stratege, beklagte, dass die GOP "eine historische Chance" gehabt habe, "und Trumps Rekrutierung von unwählbaren Kandidaten hat sie uns vermasselt". Der Ex-Präsident habe drei Wahlen in Folge für die Partei verloren "und es ist Zeit, sich von diesem Unsinn zu lösen.
"Es gibt nur einen Schuldigen, und das ist Donald Trump"
Das sieht auch Chris Christie so, Ex-Gouverneur von New Jersey, ehemals Freund und Berater von Trump und mittlerweile einer seiner Kritiker: Die Republikaner hätten "eine grundlegende Entscheidung zu treffen", mahnte Christie, der eigene Ambitionen auf die Präsidentschaftskandidatur seiner Partei in zwei Jahren hat. "Wir haben 2018 verloren. Wir haben 2020 verloren. Wir haben 2021 in Georgia verloren. Und jetzt, im Jahr 2022, werden wir unterm Strich Gouverneursposten verlieren, wir werden nicht so viele Sitze im Repräsentantenhaus gewinnen, wie wir dachten, und wir werden vielleicht den Senat nicht gewinnen, trotz eines Präsidenten, dessen Amtsführung nur 40 Prozent Zustimmung findet. Dafür gibt es nur einen Schuldigen und das ist Donald Trump."
Christie warf Trump vor, er habe zutiefst mangelhafte Kandidaten gefördert, die zwar die republikanischen Vorwahlen gewinnen konnten, aber bei den Midterms unterlegen waren. Für den Ex-Präsidenten zähle bei seiner Unterstützung einzig und allein, dass die Bewerber seine Lüge von der gestohlenen Wahl 2020 akzeptierten: "Es geht nicht darum, ob Sie Geld auftreiben können. Es geht nicht darum, ob Sie eine klare Vision für die Zukunft Ihres Staates oder Ihres Wahlkreises haben. Es geht nicht darum, ob Sie in der Vergangenheit erfolgreich mit den Wählern kommuniziert haben. Es ist eine völlig egozentrische Entscheidung."
Trump selbst lässt sich von der Midterm-Pleite und der Kritik nicht beirren – zumindest in der Öffentlichkeit: "Während die gestrige Wahl in gewisser Hinsicht etwas enttäuschend war, war sie von meinem persönlichen Standpunkt aus ein sehr großer Triumph – 219 Siege und 16 Niederlagen in der Parlamentswahl – wer hat jemals besser abgeschnitten", machte er am Mittwochnachmittag in seinem Netzwerk Truth Social seine Lesart der Ergebnisse deutlich. "Wir hatten enormen Erfolg", bekräftigte er auf Fox News.
Privat in seinem Haus in Florida habe Trump dagegen seinem Fox-Intimus, dem Moderator Sean Hannity, dem Kasino-Mogul Steve Wynn und sogar seiner Ehefrau Melania vorgeworfen, ihn schlecht beraten zu haben, berichtet die "New York Times" unter Berufung auf mehrere mit den Gesprächen vertraute Personen. Vor allem auf Hannity, den er häufig um politischen Rat bittet, sei der 76-Jährige sauer, weil dieser ihn ebenso wie Wynn gedrängt habe, den bei der Senatorenwahl in Pennsylvania unterlegenen TV-Doktor Mehmet Oz zu unterstützen.
Wird Trump nun angesichts der enttäuschenden Zwischenwahlen und des Triumphes von Ron DeSantis – seinem möglichen Konkurrenten um die republikanische Präsidentschaftskandidatur – darauf verzichten, ins Rennen ums Weiße Haus einzusteigen? Die meisten Experten bezweifeln das. Eine Entscheidungshilfe gab Scott Jennings, langjähriger Berater von Mitch McConnell, dem Ex-Präsidenten am Mittwoch: Mit dem Hinweis auf Wählerbefragungen an den Ausgängen der Wahllokale, wonach der 76-Jährige weniger beliebt ist als Amtsinhaber Biden, sagte Jennings: Wenn Trump wolle, dass 2024 ein Republikaner zum Präsidenten gewählt werde, solle er nicht kandidieren.