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Frieden in Nahost Donald Trump will seinen "Deal des Jahrhunderts" präsentieren - wird es ein Plan ohne Hoffnung?

Donald Trump Benjamin Netanjahu
"Netanjahu, in einer anderen Liga" steht auf dem Wahlplakat des Likud. Mit Donald Trump an seiner Seite geht der israelische Ministerpräsident in den Wahlkampf
© Oded Balilty/AP / DPA
Seit Jahren schon kündigt Donald Trump einen Friedensplan für den Nahen Osten an, er nennt ihn den "Deal des Jahreshunderts". Nun soll er tatsächlich fertig sein, doch die Begeisterung hält sich in Grenzen.

Für US-Präsident Donald Trump soll es der "Deal des Jahrhunderts" werden, die Betroffenen warten teils mit Sorge auf die Präsentation seines "Friedensplans" für den Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern. Am Montag empfängt Trump Israels rechtskonservativen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu und dessen Herausforderer vom Mitte-Bündnis Blau-Weiß, Benny Gantz im Weißen Haus in Washington zu getrennten Gesprächen. Einen Erfolg des Plans in Form eines Friedensprozesses schließen viele Nahost-Kenner zwar weitgehend aus - doch einige der Beteiligten erhoffen sich ganz andere Vorteile von der Präsentation des Vertragswerks.

Trump und Nethanjahu können Ablenkung gebrauchen

Netanjahu steht beispielsweise massiv unter Druck wegen einer Korruptionsanklage. Mit der Präsentation des Nahost-Planes könnte er nach Medienberichten versuchen, die Aufmerksamkeit auf andere Themen zu lenken. "Ich werde mich morgen mit meinem Freund Donald Trump treffen, der seinen Jahrhundertplan vorstellen wird", sagte Netanjahu am Sonntag vor seiner Abreise in die USA. "Ich glaube, dass es so eine Gelegenheit einmal in der Geschichte gibt, und wir dürfen sie nicht verpassen."

Unter israelischen Rechten besteht wiederum die Hoffnung, dass ein Scheitern des Plans letztlich Israel mehr Bewegungsfreiheit geben könnte, bis hin zur Annektierung von - zumindest - Teilen des Westjordanlandes.

Jonathan Rynhold, Politikprofessor an der Bar-Ilan-Universität nahe Tel Aviv, erwartet zunächst eine zurückhaltende Reaktion Israels. "Sie werden etwas Positives sagen müssen, niemand will Trump verärgern", sagt er. "Es ist egal, was es ist, sie werden etwas Positives sagen, aber versuchen, unverbindlich zu bleiben." Hintergrund sei, dass Netanjahu von seinen rechten Koalitionspartnern unter Druck stehe.

"Die Rechten wollen alles"

Nach dem, was derzeit über den Plan bekannt sei, werde er "sehr schwierige Dinge für die Rechten enthalten", sagt Rynhold. Der größte Teil Ost-Jerusalems solle demnach an die Palästinenser gehen, ein großer Teil der Siedlungen werde nicht Teil Israels sein. Aber: "Sie (die Rechten) wollen alles" - ein Israel vom Mittelmeer bis zum Jordantal.

Israel hatte 1967 während des Sechstagekriegs unter anderem den Gazastreifen, das Westjordanland und Ost-Jerusalem erobert. Aus dem Gazastreifen zog Israel später wieder ab. Die Palästinenser wollen allerdings im Westjordanland und dem Gazastreifen einen unabhängigen Staat mit der Hauptstadt Ost-Jerusalem ausrufen.

Auch in Washington wird der prominente Besuch zumindest vorübergehend Aufmerksamkeit von einem anderen Thema ablenken, das seit Wochen die Schlagzeilen in den USA dominiert - und über das Trump sich seit langem ärgert: Das Amtsenthebungsverfahren im US-Senat, mit dem die Demokraten den Republikaner Trump aus dem Weißen Haus drängen wollen. Schon gegen Ende nächster Woche könnte das Impeachment-Verfahren abgeschlossen werden.

Angesichts der Mehrheitsverhältnisse im Senat, den die Republikaner dominieren, muss Trump zwar nicht befürchten, dass er des Amtes enthoben wird. Dennoch macht Trump keinen Hehl daraus, dass er es als hochgradig ungerecht empfindet, dem Verfahren überhaupt ausgesetzt zu sein - als erst dritter Präsident in der Geschichte der USA. Erfolgsmeldungen könnte Trump da gut brauchen.

Frieden in Nahost wäre historischer Erfolg

Frieden im Nahen Osten zu schaffen wäre ein historischer Erfolg für Trump. Seine Vorgänger Bill Clinton, George W. Bush und Barack Obama investierten zwar viel, scheiterten aber an einer Kompromissfindung.  Trump hat immer wieder deutlich gemacht hat, dass er sich für einen Kandidaten für den Friedensnobelpreis hält. "Ich würde diesen Deal sehr gerne machen", sagte er nach Angaben mitreisender Journalisten an Bord der Air Force One. "Man sagt, das sei der schwierigste aller Deals." Der Berufsoptimist spricht von "einem großartigen Plan. Es ist ein Plan, der wirklich funktionieren würde."

Ob der Plan in der Realität aber tatsächlich funktioniert, ist zweifelhaft. Trump ist kein neutraler Vermittler, sondern steht fest an der Seite Israels. US-Außenminister Mike Pompeo sagte bei einem Auftritt in Florida, keine Regierung in der amerikanischen Geschichte sei so proisraelisch gewesen. Der Präsident macht deutlich, dass er von den Palästinensern keinen spontanen Beifall für den Plan erwartet. "Ich bin sicher, dass sie vielleicht zunächst negativ reagieren werden", sagte er. Dabei sei der Plan "eigentlich sehr positiv für sie".

Das sieht die Palästinenserführung total anders. Weil Trump bereits einige sehr proisraelische Entscheidungen traf, hat sie schon im Vorfeld den Plan abgelehnt. Rote Linien sieht sie beispielsweise überschritten, wenn Israel das Jordantal und die Siedlungen zugeschlagen bekommt. Am Sonntag drohten die Palästinenser sogar mit einem Teilrückzug aus dem Oslo-Abkommen: Sollte der US-Präsident seinen Friedensplan vorstellen, werde sich die Palästinensische Befreiungsorganisation (PLO) das Recht vorbehalten, "aus dem Interimsabkommen" von 1995 auszusteigen, sagte PLO-Chefunterhändler Saeb Erekat. Das auch als "Oslo II" bekannte Abkommen regelt die palästinensische Autonomie im Westjordanland. 

Auch Politikprofessor Naschat Aktasch von der Nadscha-Universität in Nablus sagt: "Der "Deal des Jahrhunderts" ist ein amerikanisch-israelischer Plan. Wenn die den umsetzen wollen, werden sie das sogar tun, ohne die Palästinensische Autonomiebehörde um ihre Meinung zu fragen." Aktasch geht allerdings nicht davon aus, dass es eine besondere Reaktion der Autonomiebehörde auf den Plan geben werde. Das Volk erwarte letztlich zwar zumindest den Abbruch aller Kontakte mit Israel sowie die Aufkündigung jeglicher Vereinbarungen. "Aber in Wahrheit wird sie nicht mal die Sicherheitskooperation (mit Israel) beenden." Ob es zu Protesten und Gewalt kommen werde, sei schwer zu sagen. "Die Menschen leben wie in einem Dampfkochtopf - sie könnten zu jeder Zeit und aus jedem Grund explodieren."

Zwei-Staaten-Lösung wäre begraben

Die israelische Zeitung "Jediot Achronot" schrieb: "Der Plan wird ein für alle Mal die Verpflichtung für einen zweiten Staat zwischen dem Jordan und dem Mittelmeer begraben." Keine arabische Führungspersönlichkeit werde den Plan öffentlich unterstützen können.

Israelische Medien schrieben auch, eine palästinensische Ablehnung des Planes könnte wiederum für Israel "grünes Licht" für einseitige Schritte bedeuten. Israel könnte - dann mit Unterstützung der USA - etwa das Jordantal an der Grenze zu Jordanien annektieren. Dies hatte Netanjahu zuletzt immer wieder angekündigt.

Der 70-Jährige hat wegen der Korruptionsanklage Immunität vor Strafverfolgung beim Parlament beantragt. Am 2. März steht die nächste Parlamentswahl in Israel an - die dritte innerhalb eines Jahres. Ebenfalls an diesem Dienstag, wenn Netanjahu in Washington ist, will das Parlament in Jerusalem das Verfahren über dessen Immunitätsantrag entscheidend voranbringen. Netanjahu hat im Moment keine Mehrheit für eine Immunität.

Israelische Medien spekulieren, das Treffen von Netanjahu mit Trump in Washington könnte ihm auch auf andere Weise nutzen. "Jediot Achronot" schrieb, Gantz werde dort neben Netanjahu klein und unbedeutend wirken. Den Oppositionsführer schreckt das aber nicht ab: "Dies sind schicksalhafte Zeiten, sowohl für Israels Grenzen und seinen Charakter als auch für sein demokratisches Gefüge", sagte Gantz am Samstagabend. "Deshalb habe ich beschlossen, die Einladung von Präsident Trump anzunehmen und ihn diesen Montag persönlich als Vorsitzender der größten Partei in Israel zu treffen."

Die Treffen von Gantz und Netanjahu mit Trump finden nur gut einen Monat vor einer dritten israelischen Parlamentswahl binnen eines Jahres statt. Diese ist für den 2. März angesetzt. Nach Wahlen im April und September 2019 war wegen einer Pattsituation zwischen dem rechts-religiösen und dem Mitte-Links-Lager keine Regierungsbildung gelungen. Israelische Oppositionspolitiker kritisierten den Zeitpunkt der Veröffentlichung des Nahostplans als Einmischung Trumps in die Wahl.

nik / mad DPA

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