Bei seinem ersten öffentlichen Auftritt in der Hauptstadt Washington seit dem Ende seiner Amtszeit hat der frühere US-Präsident Donald Trump der aktuellen Regierung Versagen vorgeworfen. "Ganz einfach, wir hatten Amerika wieder groß gemacht", sagte Trump. "Aber jetzt wurde unser Land buchstäblich in die Knie gezwungen — und wer hätte gedacht, dass das passieren könnte", sagte der Republikaner bei einer politischen Grundsatzrede am Dienstagnachmittag (Ortszeit).
Als Beispiele nannte der 76-Jährige die hohe Inflationsrate, die hohen Spritpreise und eine "Invasion" durch Millionen Migranten. Verantwortlich dafür machte Trump in seiner eineinhalbstündigen Rede seinen Nachfolger Joe Biden von der Demokratischen Partei. "Wir sind ein Land im Niedergang", sagte der Rechtspopulist. "Wir sind eine scheiternde Nation."
Donald Trump attackiert U-Ausschuss zur Kapitol-Attacke
Den Schwerpunkt seiner Rede legte Trump aber auf das Thema innere Sicherheit. "Unser Land und das Leben unserer Bürger stehen auf dem Spiel, und wir haben keine Zeit zu verlieren. Unser Land befindet sich in einem kriminellen Zustand, wie wir ihn noch nie erlebt haben", sagte er — ohne Belege hierfür zu nennen.
Trump hielt seine Rede bei einer Tagung im America First Policy Institute, einer Denkfabrik, die von ehemaligen Wahlmanagern gegründet worden war, um Trumps Politik voranzutreiben. Es war sein erster Auftritt in Washington, seit er die Hauptstadt wenige Stunden vor der Vereidigung von Joe Biden zum US-Präsidenten am 20. Januar 2021 verlassen hatte.
Den parlamentarischen Untersuchungsausschuss zur Kapitol-Attacke, der die Ereignisse am 6. Januar 2021 beleuchtet und dabei insbesondere die Rolle des Ex-Präsidenten und seines Mitarbeiterstabes ins Visier nimmt, kritisierte Trump scharf — und bezeichnete sich ein Mal mehr als ein Opfer politischer Verfolgung. "Wenn ich meine Überzeugungen aufgeben würde, wenn ich schweigen, zu Hause bleiben und eine ruhige Kugel schieben würde, würde die Verfolgung von Donald Trump sofort aufhören. Aber das werde ich nicht machen", sagte er. "Bei allem, was dieses korrupte Establishment mir antut, geht es darum, ihre Macht und Kontrolle über das amerikanische Volk zu erhalten. Sie wollen euch in irgendeiner Form schaden. Sie wollen mir wirklich schaden, damit ich nicht mehr für euch arbeiten kann. Und ich glaube nicht, dass das passieren wird." Das Publikum reagierte mit "Vier weitere Jahre"-Rufen, ein in den USA üblicher Slogan für eine weitere Amtszeit.
Mehr als nur Trump: Diese zehn Republikaner sind Favoriten für die Präsidentschaftskandidatur
Zu einem möglichen erneuten Antreten bei den Präsidentschaftswahlen 2024 äußerte sich Trump erneut nur indirekt: Er habe bei seiner ersten Kandidatur 2016 gewonnen und bei der zweiten Kandidatur 2020 noch "viel besser" abgeschnitten, rief er seinen Anhängern zu. "Wir müssen es vielleicht einfach nochmal machen. Wir müssen unser Land wieder in Ordnung bringen." In den "kommenden Wochen und Monaten" wolle er "viele weitere Details" vorlegen, sagte der Republikaner, nachdem er über seinen Wahlsieg 2016 gesprochen und abermals fälschlicherweise behauptet hatte, er habe auch die Wahl 2020 gewonnen. Trump weigert sich bis heute, seine Niederlage gegen Biden anzuerkennen und sprach auch bei seiner Rede in Washington von Wahlbetrug.
Seit seiner Abwahl kokettiert Trump immer wieder mit einer erneuten Kandidatur und befeuert entsprechende Spekulationen. Eine zweite Amtszeit als Präsident in den USA ist auch dann möglich, wenn die beiden Abschnitt nicht direkt aufeinander folgen. Trump wäre bei der Wahl in gut zweieinhalb Jahren 78 Jahre alt.
Biden antwortet Trump via Twitter
Biden reagierte am Dienstag mit scharfer Kritik auf Trumps Rede. "Nennt mich altmodisch, aber ich denke nicht, einen Mob anzustacheln, Polizisten anzugreifen, stellt 'Respekt vor dem Gesetz' dar", schrieb der Präsident auf Twitter. Die Menschen dürften nicht vergessen, dass Trump der Gewalt vom 6. Januar tatenlos zugesehen und "nicht das Rückgrat" gehabt habe, zu handeln.
Trump ist zwar nach wie vor der starke Mann bei den Republikanern, er ist allerdings bei der konservativen Partei auch nicht unumstritten oder ohne Konkurrenz. Viele andere Republikaner liebäugeln mit einer Präsidentschaftskandidatur 2024. Zum Kreis der potenziellen Kandidaten werden unter anderem Trumps früherer Vizepräsident Mike Pence und Floridas Gouverneur Ron DeSantis gezählt.

Am Dienstag hatte auch Pence eine Rede in Washington gehalten, allerdings bei einer anderen Denkfabrik, der konservativen Heritage Foundation. Schon am vergangenen Freitag waren Trump und Pence im US-Bundesstaat Arizona parallel auf Veranstaltungen aufgetreten. Beide Republikaner warben dort für konkurrierende Parteikolleginnen im Rennen um das Gouverneursamt. Beobachter werteten dies als Zeichen dafür, dass Pence sich von seinem ehemaligen Chef distanzieren möchte, da beide eine Kandidatur für das Weiße Haus im Jahr 2024 anstreben könnten.