G8-Gipfel "Starke Botschaft mit klarem politischem Inhalt"

Mit einem politischen Kraftakt haben sich die G8 auf eine Erklärung zur Eskalation der Gewalt im Nahen Osten geeinigt. Sie forderten die Konfliktparteien auf, das Feuer einzustellen. Wenig zimperlich ging die russische Polizei mit Demonstranten um.

Nach zähen Verhandlungen haben die führenden Industriestaaten und Russland gemeinsam Stellung gegen die Gewalt im Nahen Osten bezogen. Auf ihrem Gipfeltreffen in St. Petersburg einigte sich die "Gruppe der Acht" auf eine Erklärung, in der die Attacken der Hisbollah und von Teilen der Hamas auf Israel scharf verurteilt werden. "Diese Extremisten und diejenigen, die sie unterstützen, dürfen den Nahen Osten nicht ins Chaos stürzen und einen größeren Konflikt provozieren", heißt es darin.

Israel wird in der Erklärung dazu ermahnt, bei Militäraktionen zur Selbstverteidigung zurückhaltend vorzugehen. Bundeskanzlerin Angela Merkel bezeichnete die Erklärung als "eine starke Botschaft mit einem klaren politischen Inhalt".

Zähe Verhandlungen

Die Verhandlungen darüber dauerten am Sonntagnachmittag mit über drei Stunden mehr als doppelt so lange wie geplant. Konkret fordert die G8 die Freilassung der entführten israelischen Soldaten und die Einstellung der Angriffe auf Israel. Im Gegenzug müsse auch Israel seine Militäraktionen einstellen, seine Truppen aus dem Gaza-Streifen abziehen und die inhaftierten palästinensischen Minister und Parlamentarier frei lassen. Der libanesischen Regierung sicherte die G8 ihre Unterstützung zu. Der UN-Sicherheitsrat wird in der Erklärung aufgefordert, eine internationale Beobachtermission im Süden Libanons zu prüfen.

Zu Beginn des G8-Gipfels hatten sich deutlich Differenzen hinsichtlich des Nahost-Konflikts zwischen den USA und Russland gezeigt. Während US-Präsident George W. Bush die volle Verantwortung für die Libanon-Krise bei der Hisbollah sah, äußerte sich der russische Präsident Wladimir Putin auch kritisch zum Vorgehen Israels. Die Erklärung musste beiden Standpunkten gerecht werden.

Putin äußerte sich nach den Verhandlungen zufrieden: Die Erklärung sei ein "ausgewogenes Dokument", das auch den Interessen Israels Rechnung trage. Es sei einer der Vorteile Russlands, im Nahen Osten keinen möglichen Gesprächsfaden abgeschnitten zu haben, erklärte er mit einem Seitenhieb auf die USA, die keine direkten Kontakte zu Syrien und dem Iran unterhalten.

"Ja" zum Ausbau der Kernenergie

Angesichts des bedrohlichen Klimawandels stimmt die G8 grundsätzlich einem Ausbau der Kernenergie zu. Allerdings hieß es in einer Erklärung, jedes Land habe natürlich das Recht, seinen Energiemix selbst festzulegen. Damit konnte auch Bundeskanzlerin Angela Merkel zustimmen. Sie ist daran gebunden, dass der Koalitionsvertrag von Union und SPD den Atomausstieg festschreibt.

Im Kampf gegen weltweite Infektionskrankheiten will die G8 das globale Überwachungsnetz ausbauen. Dieses soll auch den Kampf gegen eine mögliche Vogelgrippe-Pandemie umfassen, beschlossen die Staats- und Regierungschefs. Daten über bedrohliche Entwicklungen sollen schneller zwischen den Behörden ausgetauscht werden.

Besserer Schutz des geistigen Eigentums

Auch im Kampf gegen Produktpiraterie wollen die G8 künftig enger und wirkungsvoller vorgehen. Zum Schutz des geistigen Eigentums soll die Kooperation zwischen der G8 sowie der Welthandelsorganisation (WTO) und den Zollbehörden ausgeweitet werden. Interessierten Entwicklungsländer müsse geholfen werden, gegen Raubkopierer vorzugehen, sieht ein Beschluss der Gipfelrunde vor.

Entschlossen will die G8 auch Korruption unterbinden. Die Staats- und Regierungschefs wollten eine entsprechende Erklärung verabschieden. Zuständige Stelle in den G8-Staaten sollen demnach mit den Akteuren in den internationalen Finanzzentren enger zusammenarbeiten. Es soll verhindert werden, dass Personen, die in Korruption auf höchster Ebene verwickelt sind, Schutz für ihr illegal erworbenes Vermögen finden.

Zahlreiche Festnahmen

Am Rande des Gipfels nahm die russische Polizei bei Protestaktionen zahlreiche Menschen fest, darunter offenbar auch Deutsche. Über die genaue Anzahl der Betroffenen gab es unterschiedliche Angaben: Gipfelgegnern zufolge wurden 37 Demonstranten in Gewahrsam genommen, die Polizei bestätigte nur 22 Festnahmen. Zwei im Vorfeld des Gipfels inhaftierte deutsche Journalisten wurden am Sonntag überraschend vorzeitig freigelassen und nach Estland abgeschoben.

Bei den Protesten hätten die Demonstranten die zentrale Durchfahrtsstraße in der Stadt blockiert und Poster mit dem Schriftzug "No G8!" hoch gehalten, sagte Olga Mirjasowa von der Gruppe Anti-G8 Network. Daraufhin hätten Sicherheitskräfte Knüppel eingesetzt und die Menschen weggeschleppt. Verletzte habe es jedoch nicht gegeben, sagte sie. Die Demonstranten kämen aus Weißrussland, Großbritannien, Bulgarien, Deutschland, Polen, Russland und der Ukraine und hätten gegen die Kommerzialisierung der Bildung und gegen Atomenergie protestiert.

Die Polizei teilte mit, dass bei einer weiteren Demonstration vier Menschen in Gewahrsam genommen wurden, die vor einem Hotel eine Demonstration gegen den im Westen umstrittenen weißrussischen Präsidenten Alexander Lukaschenko abhalten wollten. Weißrussland und Russland unterhalten enge Beziehungen. Ein Polizeisprecher kündigte an, dass 29 am Vortag festgenommene Personen vor Gericht gestellt würden. Sollten sie der Störung der öffentlichen Ordnung für schuldig befunden werden, droht ihnen bis zu zwei Wochen Haft. Die Menschen hatten an einem Anti-Globalisierungsmarsch in St. Petersburg teilgenommen.

Deutsche in russischer Haft

Zwei vergangene Woche im Vorfeld des Gipfels festgenommene Mitarbeiter des Bielefelder Universitätsradios wurden dagegen vorzeitig aus der Haft entlassen. Sie hätten in der Nacht den Sender telefonisch verständigt, erklärte Radio Hertz 87,9 auf seiner Internetseite. Die Behörden hätten Eike Korfhage und Henning Wallerius in die estnische Grenzstadt Narva gebracht, den Studenten gehe es den Umständen entsprechend gut. Warum sie frühzeitig aus dem Gefängnis gekommen seien, wüssten sie nicht.

Korfhage und Wallerius waren vor einer Woche unter dem Vorwurf festgenommen worden, in der Öffentlichkeit uriniert zu haben. Sie wurden zu zehn Tagen Haft verurteilt. Die Journalisten bestritten die Vorwürfe. Dem Sender zufolge handelte es sich bei dem Vorfall möglicherweise um einen Versuch der russischen Behörden, die Berichterstattung zu verhindern. Gipfel-Gegner haben der russischen Polizei vorgeworfen, Demonstranten durch Einschüchterungen und willkürliche Festnahmen, von der Stadt fern zu halten. Den Behörden zufolge dürfen die Menschen demonstrieren, so lange sie sich an die gesetzlichen Vorgaben halten.

AP · DPA · Reuters
DPA/Reuters/AP