Muss das sein? Oder in Comic-Sprache: Aaargh! Sind Talkshows eigentlich inzwischen nur noch da, damit sich dort ausnahmsweise Personen aus mehr als zwei Haushalten treffen können? Von Debattenkultur kann keine Rede sein, wenn fünf Menschen zusammenkommen, die sich einig sind in ihrem Feindbild – hier: Donald Trump – und Sendeminuten damit gefüllt werden, dass permanent Sätze aufgesagt werden, die man gefühlt schon neunundneunzig Mal, mindestens, gehört hat.
Was ist das für ein Land, das Trump gewählt hat?
Kurz: viel Phrasendrescherei, null Erkenntnisgewinn, so war´'s am Montagabend bei "Hart, aber fair". Das Thema deutete ohnehin auf Spekulation statt auf Gehalt: Die letzten Tage des Donald Trump – gelingt ein Machtwechsel ohne weitere Gewalt? Die Gäste des Plasberg-Talks in alpabethischer Reihenfolge:
- Peter Altmaier (CDU, Bundeswirtschaftsminister)
- Annalena Baerbock (B'90/Grüne, Bundesvorsitzende)
- Cathryn Clüver Ashbrook (deutsch-amerikanische Politologin)
- Matthew Karnitschnig (Europa-Korrespondent des Online-Nachrichtenportals "Politico")
- Ingo Zamperoni (Moderator der ARD-Tagesthemen)
Wen gibt´s überhaupt noch irgendwo, der, sofern er kein Republikaner ist, nicht auf Trump eingedroschen hat? Ärgerlich: Dieses nicht enden wollende Wüten verdeckt, dass es verdammt viele politische Themen gibt, die viel mehr Dringlichkeit hätten.
Ja, es stimmt, man darf hinter Demokratiegegner Trump nicht einfach einen Haken machen. Das wäre mehr als grob fahrlässig. Baerbock verwies zu Recht darauf: "Der Trumpismus ist nicht weg, wenn Trump weg ist." Daher müsste – was niemand in der Runde tat – weitergefragt werden: Was ist das für ein Land, das diesen Mann – nicht zu vergessen: demokratisch – gewählt und wieder abgewählt hat? Was sind die Nöte und Sorgen seiner Bewohner? Wieso lassen sich zig Anhänger radikalisieren? Was ist da eigentlich los?
Angesichts des noch weiter aufzuarbeitenden Sturms auf das Kapitol am 6. Januar kann es nicht genügen, sich zu empören. Zwölf Tage später braucht es keine aufgewärmte Emotionalisierung à la Plasberg, sondern Fragen wie: Inwiefern haben die Sicherheitskräfte versagt?
Nicht zuletzt besteht seither eine extreme Gefahrenlage für Joe Biden, der am Mittwoch als 46. amerikanischer Präsident vereidigt wird. Die Terrorgefahr wird von allen Sicherheitsbehörden als hoch eingeschätzt. Die Amtseinführung wird daher alles andere als üblich.
Und wie geht´s dann weiter? Man weiß, dass "Exekutive Orders" auf der Agenda stehen. Die Entscheidungen seines Vorgängers in Bezug auf Pandemie, Einwanderung und Klimaabkommen will Biden so schnell als möglich rückgängig machen. Nicht falsch verstehen, darüber wurde bei Plasberg nur en passant gesprochen, war also kaum der Rede wert.
Plasberg vergleicht Merz mit Trump
Überhaupt reicht es anscheinend, dass Joe Biden nicht Donald Trump ist und man deshalb einfach nur froh zu sein hat. Wer nun mehr wissen wollte über den bald mächtigsten Mann der Welt, kam beim Plasberg-Talk jedenfalls nicht weiter – und das zwei Tage vor der Inauguration. Stattdessen: Wie reagieren auf die Sperrung Trumps auf allen Social-Media-Plattformen? "Das Rederecht hätte man ihm schon vor vier Jahren entziehen müssen", befand Baerbock.
Plasberg verglich in einem Nebensatz Friedrich Merz mit Donald Trump: "Beide können nicht verlieren." Erheblich interessanter wäre gewesen, Merz mit Biden zu vergleichen. Denn: In der Vita der beiden spielt Blackrock eine, sagen wir´s mal so, nicht unwesentliche Rolle. Merz wurde für seine Blackrock-Tätigkeiten sehr scharf kritisiert. Wie nun einen US-Präsidenten einordnen, der ehemalige Mitarbeiter des gigantischen und zugleich höchst umstrittenen US-Vermögensverwalters in seine Regierung holt und dort in Spitzenpositionen besetzt? Hätte Plasberg beispielsweise diskutieren können – doch, wir erinnern uns, er und seine Gäste waren ja so wahnsinnig damit beschäftigt, Trump blöd zu finden.
Apropos Gemeinsamkeiten. Es gibt sie durchaus zwischen dem präsidialen Vorgänger und seinem Nachfolger und sie zeigen, dass, so Talkgast Karnitschnig, auch der neue Präsident mit Europa "nicht kuscheln" werde: Biden lehnt ebenso wie Trump den Bau von Nord Stream 2 ab. Die Pipeline soll Gas von Russland nach Deutschland transportieren. Biden machte bereits deutlich, das sei ein "bad deal for Europe." Zu viel Einmischung? "Das Projekt ist seit zehn Jahren geplant, wir werden das nicht stoppen", stellte Altmaier klar. Baerbock hingegen stemmte sich massiv dagegen. Sie wolle weder Nord Stream 2 noch wolle sie Fracking-Gas aus den USA. An ihre Seite stellte sich Clüver Ashbrook: Es handle sich um einen völkerrechtsfeindlichen Vertrag; an Russland dürfe es keinerlei Geschenke geben.
Eine nächste Baustelle der Biden-Regierung: das Verhältnis zu China. Trump hat dort viel zerschlagen, einerseits ließ er den Handelskonflikt eskalieren und appellierte andererseits daran, China müsse wegen der Verbreitung des Coronavirus – er nennt ihn "China-Virus" – zur Rechenschaft gezogen werden. Was wäre notwendig, um das Verhältnis zwischen den Staaten zu verbessern? Eine nächste politische Frage, die, richtig geraten, eh niemand stellte.